Luka Modric
APA/AFP/Francois-Xavier Marit
FIFA WM 2022

Kroatien gegen Belgien als „K.-o.-Duell“

Kroatien oder Belgien – ziemlich sicher geht es bei der Fußball-WM in Katar nur für eine der beiden im Vorfeld als Mitfavoriten gehandelten Mannschaften weiter. Kroatien reicht im „K.-o.-Duell“ der Gruppe F am Donnerstag (16.00 Uhr) ein Unentschieden zum Einzug ins Achtelfinale, die Belgier benötigen wohl einen Sieg, um der Heimreise nach der Vorrunde zu entgehen. Im Parallelspiel (live in ORF1) reicht Marokko gegen das bereits chancenlose Kanada ein Remis, um nach 1986 zum zweiten Mal eine Gruppenphase zu überstehen.

Für in die Jahre gekommene Stars wie Luka Modric (37) bei den Kroaten oder Eden Hazard (31) und Kevin de Brunye (31) bei den Belgiern steht wohl die letzte Titelchance bei einer Weltmeisterschaft auf dem Spiel, wobei die Lage für die „Roten Teufel“ schwieriger ist als für den Vizeweltmeister. Österreichs Gegner in der kommenden EM-Qualifikation muss wohl gewinnen, um ins Achtelfinale zu kommen.

Nach der 0:2-Pleite gegen Marokko wurde von schweren Spannungen innerhalb der belgischen Auswahl berichtet, in einem Meeting sollen harte Worte gefallen sein. „Es war wichtig, ein paar Dinge auszusprechen“, sagte Mittelfeldspieler Timothy Castagne. „Wir haben im Training direkt gesehen, dass einige Sachen danach besser liefen.“

Belgien hofft auf Lukaku-Comeback

Zuversicht schöpft Castagne auch aus der möglichen Startelfrückkehr von Romelu Lukaku. Der Goalgetter absolvierte gegen Marokko im Finish seinen ersten WM-Einsatz nach überstandener Muskelverletzung. „Romelu ist ein sehr wichtiges Element in unserem Team. Wenn er spielt, hilft er uns enorm.“

Kevin De Bruyne und Romelu Lukaku
Reuters/Kai Pfaffenbach
Romelu Lukaku könnte gegen Kroatien ein Comeback in der belgischen Startelf geben

Rein theoretisch könnte Belgien auch mit einem Remis weiterkommen – allerdings nur dann, wenn Marokko gegen Kanada hoch verliert. Daher verschwendet Teamchef Roberto Martinez an dieses Szenario keinen Gedanken. „Wenn wir nicht gewinnen, sind wir draußen, da gibt es keinen Zweifel“, stellte der Spanier klar. Laut Martinez hatte seine Mannschaft in den ersten beiden Spielen große Probleme, mit dem Druck klarzukommen. „Wir hatten keine Freude, spürten zu große Verantwortung. Jeder Spieler hatte Angst, zu verlieren.“

FIFA WM 2022, Gruppe F

Donnerstag, 16.00 Uhr:

Kroatien – Belgien

Al Rayyan, Ahmad bin Ali Stadium, SR Taylor (ENG)

Mögliche Aufstellungen:

Kroatien: Livakovic – Juranovic, Lovren, Gvardiol, Sosa – Modric, Brozovic, Kovacic – Vlasic, Kramaric, Perisic

Belgien: Courtois – Alderweireld, Verthongen, Dendoncker – Castagne, Tielemans, Witsel, Carrasco – E.Hazard, De Bruyne – Lukaku

Kapitän Eden Hazard glaubt an eine klare Steigerung. „Wir haben nach wie vor ein hohes Niveau und wir sind hier, um zu gewinnen. Uns hat zuletzt das Selbstvertrauen gefehlt, das müssen wir uns wieder erarbeiten“, meinte der Clubkollege von David Alaba bei Real Madrid. Hazard dementierte Streitereien innerhalb der Mannschaft. „Alles ist geklärt, jeder hat seine Meinung gesagt. Jetzt müssen wir auf dem Platz unsere Leistung zeigen.“

Kroatien glaubt an „großen Kampf“

Kroatiens Teamchef Zlatko Dalic wollte den angeblichen Unstimmigkeiten bei den Belgiern keine große Bedeutung beimessen. „Ich gebe nicht viel auf Mediengeschichten und Gerüchte. Sie haben De Bruyne, sie haben Eden Hazard. Ich gehe von einem großen Kampf aus. Sie haben Qualität, sie haben Stärke. Sie können nicht über Nacht vergessen haben, Fußball zu spielen. Sie können auch nicht über Nacht schlechte Spieler geworden sein.“

Dalic sieht seine Mannschaft aber gut vorbereitet. „Wir haben Qualitäten und Vertrauen in unsere Qualitäten“, betonte der Coach, der nach dem überzeugenden 4:1-Sieg gegen Kanada nicht viele Gründe sieht, seine Truppe zu ändern. Dalic geht davon aus, dass Lukaku beginnen wird. Das werde das Spiel verändern, prophezeite er.

Nur noch Kanada steht Marokkos Märchen im Weg

Marokko hat gute Chancen, sich nach 36 Jahren wieder für ein WM-Achtelfinale zu qualifizieren. Etwas, das vor einigen Monaten die wenigsten für möglich gehalten hätten. Nur noch das Spiel gegen die bereits fix ausgeschiedenen Kanadier steht dazwischen. Ein Remis würde den „Atlas-Löwen“ zum Aufstieg schon reichen. Kanada möchte sich den WM-Abschied zumindest etwas versüßen.

Das 2:0 gegen Belgien lässt sich als durchaus historisch für Marokko bezeichnen. Es war bei der sechsten WM-Teilnahme erst der dritte Sieg überhaupt, der erste seit 24 Jahren für das Land. 1998 in Frankreich gewannen die Marokkaner ihr letztes Gruppenspiel gegen Schottland mit 3:0, schieden in der Gruppe mit Brasilien und Norwegen aber trotzdem aus. Diesmal haben die Nordafrikaner vor dem Finaltag der Gruppenphase vier Punkte und könnten sich damit sogar eine Niederlage gegen Kanada erlauben, sollte Kroatien Belgien schlagen.

Walid Regragui
Reuters/Kai Pfaffenbach
Marokkos Teamchef Walid Regragui warnt seine Spieler vor verfrühtem Aufstiegsjubel

„Wir sind hier, um Geschichte zu schreiben und uns für die nächste Runde zu qualifizieren. Ich würde lügen, wenn ich etwas anderes erzählen würde“, sagte Trainer Walid Regragui. „Wir sind hochmotiviert, wir sind gut vorbereitet, aber die Spieler dürfen nicht den Kopf verlieren. Wir wissen, dass wir noch nichts erreicht haben, bevor der Schiedsrichter das Spiel abgepfiffen hat.“

FIFA WM 2022, Gruppe F

Beginn 16.00 Uhr (live ORF1):

Kanada – Marokko

Doha, Al Thumama Stadium, SR Claus (BRA)

Mögliche Aufstellungen:

Kanada: Borjan – Johnston, Vitoria, Miller – Buchanan, Eustaquio, Osorio, Hutchinson, Davies – David, Larin

Marokko: Bounou – Hakimi, Aguerd, Saiss, Mazraoui – Amrabat – Ziyech, Ounahi, Amallah, Boufal – En-Nesyri

Interne Querelen sind Geschichte

Diese Ausgangslage hätte sich vor dem Turnier wohl jeder erträumt, zumal es noch vor ein paar Monaten danach ausgesehen hatte, als ob interne Querelen das WM-Abenteuer verderben könnten. Im August wurde Trainer Vahid Halilhodzic entlassen. Der Bosnier hatte sich mit den beiden Leistungsträgern Noussair Mazraoui und Hakim Ziyech überworfen, worauf sich im Team Widerstand formierte, unter dem 70-Jährigen weiterzumachen.

Der Verband installierte mit Regragui einen, der einst selbst das Trikot Marokkos getragen und als Verteidiger 44 Länderspiele bestritten hatte. Als Trainer machte der 47-Jährige auf sich aufmerksam, als er Wydad Casablanca in diesem Jahr zum Gewinn der afrikanischen Champions League führte. Er wird auch „marokkanischer Guardiola“ genannt – und die Referenz zum spanischen Startrainer kommt nicht nur daher, dass beide eine Glatze tragen. Mit dem Manchester-City-Coach teilt er auch die Liebe zu taktischen Finessen.

Kanada spekuliert auf ersten WM-Sieg

Kanada ist zwar bereits ausgeschieden, kann im letzten WM-Match für die nächsten dreieinhalb Jahre aber trotzdem Geschichte schreiben. Mit dem ersten Tor hat es dank Alphonso Davies beim 1:4 gegen Kroatien bereits geklappt, die „Ahornblätter“ sind jedoch nach wie vor ohne Punktgewinn. „Das ist eine große Möglichkeit für einen weiteren Schritt nach vorne. Wir wollen wieder Geschichte schreiben“, betonte Trainer John Herdman. Bei ihrer ersten WM-Teilnahme 1986 in Mexiko mussten sich die Kanadier ohne Punkt und Tor verabschieden. 2026 ist Kanada gemeinsam mit den USA und Mexiko Gastgeber.

Laut Herdman hat seine Mannschaft in Katar schon viel von den übergeordneten Zielen erreicht. „Dieses Turnier sollte etwas auslösen, eine Initialzündung sein. Man kann auch zu einer WM fahren und einfach nur 90 Minuten verteidigen. Aber dafür sind wir nicht hier. Wir wollten die Leute stolz machen und Vorfreude auslösen auf alles, was noch kommt“, sagte der Engländer. „Die Kids in der Schule haben uns hier gesehen. Sie haben das Tor von Davies gesehen. Sie wissen jetzt, dass wir ein Fußballland sind. Das kann man nicht mehr leugnen.“