Enttäuschung bei Neuer und Musial
Reuters/Thaier Al-Sudani
FIFA WM 2022

WM für Deutschland wieder vorzeitig vorbei

Die Geschichte hat sich wiederholt: Deutschland ist am Donnerstag bei der WM in Katar so wie vor vier Jahren in Russland bereits in der Vorrunde ausgeschieden. Ein 4:2-Sieg gegen Costa Rica nützte der DFB-Elf nichts, da im Parallelspiel der Gruppe E Japan sensationell Spanien 2:1 schlug. Bereits zum Auftakt hatten die Asiaten Deutschland überrascht und damit den Untergang der Mannschaft von Hansi Flick eingeleitet.

Mit ausdruckslosen Gesichtern starrten die deutschen Spieler nach dem Spiel mit zwei Verlierern – denn auch Costa Rica schied mit drei Punkten als Gruppenletzter aus – ins Leere. Der Spielverlauf in beiden Partien forderte den Beteiligten genauso wie den Fans alles ab. Für drei Minuten war aufgrund der Zwischenstände und der Führung Costa Ricas gegen Deutschland sogar Spanien ausgeschieden.

Deutschland dominierte vor 67.000 Zuschauern im Al Bayt Stadium die erste Hälfte, lag aber zur Pause nur dank eines Tores von Serge Gnabry mit 1:0 in Führung (10.). Nach dem Seitenwechsel drehte Costa Rica die Partie durch Yeltsin Tejeda (58.) und einem später als Eigentor von Manuel Neuer gewerteten Treffer (70.). Kai Havertz (73., 85.) und Niclas Füllkrug (89.) sicherten Deutschland noch den Sieg, der letztlich aber für den Aufstieg nicht reichte, da Japan nach Deutschland auch noch Spanien schlug.

Costa Rica geht 2:1 in Führung (70. Minute)

Das Unglaubliche tritt ein – Costa Rica dreht die Partie gegen Deutschland und geht mit 2:1 in Führung. Juan Pablo Vargas drückt den Ball im Fallen mithilfe von Manuel Neuer über die Linie.

Somit gehen die Japaner unerwartet als Sieger der Gruppe E in das Achtelfinal-Duell mit dem Zweiten der Gruppe F, Kroatien, am Montag (16.00 Uhr). Spanien bekommt es am Dienstag (16.00 Uhr) als Gruppenzweiter mit dem ebenfalls überraschenden Sieger der Gruppe F, Marokko, zu tun.

Japan als Zünglein an der Waage

Die Ausgangslage vor dem Finale der Gruppe E war auf den ersten Blick einfach: Deutschland (ein Punkt) reichte gegen Costa Rica (drei) ein Sieg, wenn im Parallelspiel Spanien (vier) gegen Japan (drei) nicht verlor. Sollte jedoch Schützenhilfe des großen Favoriten Spanien ausbleiben, war Rechnen angesagt. Und es sollte so kommen.

Die Deutschen rechneten jedenfalls von Beginn an mit einem massiv verteidigenden Gegner. Doch auch Costa Rica träumte mit zwei Punkten mehr als Deutschland auf dem Konto noch vom Achtelfinale. Nach der 0:7-Abfuhr gegen Spanien hatten die Mittelamerikaner Japan mit 1:0 geschlagen. Das Siegestor in der 81. Minute war ihr erster Torschuss im Turnierverlauf, und auch diesmal agierten sie mit offensivem Minimalaufwand.

Gnabry macht alles richtig

Die DFB-Elf begann ohne Füllkrug, dem gegen Spanien das Ausgleichstor gelungen war, im Angriff. Teamchef Hansi Flick hielt an Thomas Müller als Sturmspitze fest. Neu in der Startelf war lediglich Leroy Sane. Neu war auch die Spielleiterin. Genau 92 Jahre nach der ersten Fußballweltmeisterschaft sorgte mit der 38-jährigen Französin Stephanie Frappart erstmals eine Frau bei einem WM-Spiel unter Männern für einen geregelten Ablauf.

Gnabry macht das 1:0 (10. Minute)

David Raum bedient Serge Gnabry ideal. Der setzt seinen Kopfball ebenso perfekt und bringt Deutschland mit 1:0 in Führung.

Gleich in der zweiten Minute prüfte Deutschlands Toptalent Jamal Musiala Keylor Navas mit einem Weitschuss. Köpfchen bewies dann Gnabry in der zehnten Minute, als er eine Vorlage von David Raum gefühlvoll ins lange Eck zum 1:0 beförderte. Fast gleichzeitig ging auch Spanien im Parallelspiel durch Alvaro Morata gegen Japan 1:0 in Führung. Damit waren die beiden Schwergewichte der Gruppe E auch weiter.

Einseitige Angelegenheit

Gnabry war einer von sieben Bayern-Spielern in der Startaufstellung, und Deutschland machte nach dem 1:0 dort weiter, wo sie zuvor erfolgreich waren: am Strafraum des Gegners. Die Elf von Hansi Flick setzte sich am gegnerischen Sechzehner fest, Entlastungsangriffe von „Los Ticos“ fanden so gut wie nicht statt.

Musiala (36.) hatte die nächste große Chance, die Führung auszubauen, doch sein Schuss missglückte. Auch Gnabry versuchte sein Glück in der 39. Minute, scheiterte aber knapp. Die spielbestimmende Vorstellung der DFB-Elf ließ sich kurz vor der Pause auch an den gespielten Pässen erkennen. Von 335 waren 303 an den Mann gekommen. Costa Rica lief hinterher und hielt sich bis 30 Meter vor dem eigenen Tor mehr oder weniger aus dem Spiel heraus.

Costa Rica und Japan wachen auf

Aus dem sprichwörtlichen Nichts tauchte dann jedoch in der 43. Minute Keysher Fuller vor dem deutschen Strafraum auf, jagte nach einem Fehler von Antonio Rüdiger den Ball aber weit über die Latte. Es sollte der Startschuss zu einer der ungewöhnlichsten Phasen in der Geschichte der Fußball-WM gewesen sein.

Fuller hatte bereits gegen Japan mit dem einzigen Torschuss den Sieg für Costa Rica gesichert. Schiedsrichterin Frappart pfiff nach 46 Minuten die erste Hälfte ab. Sie hatte bis dahin in dem ruhig geführten Match nicht viel zu tun. Dafür überschlugen sich kurz nach der Pause im Parallelspiel die Ereignisse.

Fassungslosigkeit macht sich breit

Mit einem Doppelpack drehte Japan das 0:1 gegen Spanien sensationell in ein 2:1. Dadurch war Deutschland nach rund einer Stunde Spielzeit schwer unter Druck und musste bei diesem Stand sein Match gegen Costa Rica 8:0 gewinnen, sollte das Achtelfinale erreicht werden. Den deutschen Fans im Al Bayt Stadium war die Fassungslosigkeit ob des Zwischenstandes deutlich anzusehen.

Tejeda gleicht zum 1:1 aus (58. Minute)

Beim Kopfball von Kendall Waston ist Manuel Neuer noch zur Stelle, gegen den Nachschuss von Yeltsin Tejeda ist er chancenlos. Costa Rica gelingt der Ausgleich zum 1:1.

Doch es sollte noch schlimmer kommen. Neuer konnte einen wuchtigen Kopfball von Kendall Waston nicht festhalten, und Yeltsin Tejeda jagte den Ball zum 1:1 (58.) ins Netz. Es war das erste Teamtor für Tejeda in seinem 75. Länderspiel. Damit war Deutschland Gruppenletzter, und Costa Rica konnte mit einem Führungstor sogar auch noch Spanien in den Abgrund befördern.

Tore am laufenden Band

Musiala, der auffälligste Deutsche, traf in der 61. Minute ebenso wie in der 67. Minute nur die Stange. Dafür bugsierte Costa Rica nach einer ungeschickten Abwehraktion von Neuer den Ball durch Juan Pablo Vargas im Fallen zum schier unglaublichen 2:1 ins Tor. Der Ball sprang dabei vom Knöchel Neuers ins Netz und der Treffer wurde später von der FIFA als Eigentor gewertet. Die Fußballwelt stand endgültig Kopf.

Schneller Ausgleich durch Havertz (72. Minute)

Kaum ist das Spiel wieder angepfiffen, fällt auch schon der nächste Treffer. Der eingewechselte Kai Havertz gleicht zum 2:2 aus.

Postwendend glich zwar der eingewechselte Kai Havertz zum 2:2 (73.) aus. Der Chelsea-Legionär brachte damit aber nur die Spanier zum Aufatmen, die in der „Livetabelle“ wieder Zweiter waren. Die DFB-Elf hingegen benötigte weiter dringend die Schützenhilfe der „Furia Roja“.

Havertz erhöhte in der 85. Minute auf 3:2 für Deutschland, für das Achtelfinale reichte das aber noch immer nicht. Füllkrug legte mit seinem zweiten WM-Treffer das 4:2 (89.) nach. Ein Tor für die Statistik, mit dem Schlusspfiff von der ausgezeichneten Schiedsrichterin war Deutschlands Schicksal besiegelt.

Enttäuschung bei Costa Rica und Deutschland
Reuters/Matthew Childs
So sehen Sieger normalerweise nicht aus. Deutschland hatte die WM bereits mit der Auftaktniederlage gegen Japan verspielt

Stimmen zum Spiel:

Thomas Müller (Deutschland-Stürmer): „Wir haben viel Aufwand betrieben. Wir haben die Positionen dann irgendwann nicht mehr perfekt gehalten, weil wir vielleicht zu viel wollten. Trotzdem sind wir die ganze Zeit in der Drangphase gewesen. Die Effizienz war nicht gut genug, um das Wunder zu schaffen mit den sieben Toren Unterschied. Es ist unglaublich bitter, dass die Japaner es geschafft haben, die Spanier zu besiegen. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Das ist ein wenig ein Ohnmachtsgefühl. Man kann der Mannschaft heute nichts vorwerfen. Das ganze Unglück ist mit dem Ergebnis gegen Japan passiert.“

Kai Havertz (Deutschland-Doppeltorschütze): „Mit dem Ergebnis von Spanien hätten wir nicht gerechnet. Aber wir müssen uns an der eigenen Nase packen, wir hatten genug Chancen, gegen Japan zu gewinnen und gegen Spanien zu gewinnen.“

WM 2022, Gruppe E, dritter Spieltag

Donnerstag:

Costa Rica – Deutschland 2:4 (0:1)

Al Khor, Al Bayt Stadium, 67.054 Zuschauer, SR Frappart (FRA)

Torfolge:
0:1 (10.) Gnabry
1:1 (58.) Tejeda
2:1 (70.) Neuer (Eigentor)
2:2 (73.) Havertz
2:3 (85.) Havertz
2:4 (89.) Füllkrug

Costa Rica: Navas – Fuller (74./ Bennette), Waston, Duarte, Vargas, Oviedo (93./Contreras) – Campbell, Borges, Tejeda (93./Wilson), Aguilera (46./Salas) – Venegas (74./Matarrita)

Deutschland: Neuer – Kimmich, Süle (93./Ginter), Rüdiger, Raum (66./Götze) – Gündogan (55./Füllkrug), Goretzka (46./Klostermann) – Sane, Musiala, Gnabry – Müller (66./Havertz)

Gelbe Karten: Duarte

Die Besten: Navas, Waston bzw. Musiala, Havertz