Brasilien tanzt ins Viertelfinale

Vincius Junior (7. Minute) und Superstar Neymar (13./Elfmeter) stellten vor 43.847 Zuschauerinnen und Zuschauern bereits früh die Weichen auf Sieg und traten damit eine Torlawine Richtung südkoreanisches Tor los. Richarlison (29.) und Lucas Parqueta (36.) sorgten noch vor dem Seitenwechsel mit sehenswerten Treffern für klare Verhältnisse und nährten damit die Hoffnungen der Fans auf die begehrte „Hexa“ – den sechsten WM-Titel insgesamt und den ersten seit jenem von 2002. Paik Seung Ho gelang in der 76. Minute der Ehrentreffer. Unmittelbar nach dem Schlusspfiff gab Südkoreas Teamchef Paulo Bento seinen Rücktritt bekannt.

Die „Selecao“ qualifizierte sich mit dem Schützenfest auch zum achten Mal in Folge zumindest für die Runde der besten acht. Zuletzt war Brasilien 1990 in Italien im Achtelfinale aus einer WM geflogen. Südkorea, das erst zum dritten Mal überhaupt und zum ersten Mal seit 2010 die Vorrunde überstanden hatte, musste sich hingegen von seinem Traum, so wie bei der Heim-WM 2002 zu überraschen, rasch verabschieden. Vor 20 Jahren waren die Koreaner im eigenen Land sensationell Vierter geworden.

Neymar gibt Comeback

Zum letzten Mal war das temporäre und aus Containern errichtete Stadium 974 in Doha Schauplatz eines WM-Spiels, durfte aber gleichzeitig die Bühne für das Comeback von Neymar sein. Der Superstar, der zwei Gruppenspiele mit einer Knöchelverletzung verpasst hatte, war für die K.-o.-Phase wie in ganz Brasilien erhofft fit geworden. Neymars Teamchef Tite musste aber auch in der Defensive umstellen. Nachdem mit Alex Sandro und Alex Telles zwei Linksverteidiger ausfielen, tauschte Danilo die Seiten. Für ihn begann Eder Militao auf der rechten Abwehrseite.

Die neu formierte brasilianische Abwehr sah sich auch wie erwartet dem auf dem Papier gefährlichsten Südkoreaner gegenüber. Son Heung Min von Tottenham Hotspur führte die „Taegeuk Warriors“ als Kapitän auf das Feld. In der Abwehr vertraute Bento wieder auf die Buchstaben K, I und M: Vor Goalie Kim Seung Gyu sollten Kim Jin Su, Kim Moon Hwan, Kim Min Jae und Kim Young Gwon die offensiven Kreise von Neymar, Vinicius Junior und Richarlison stören. Auch der ehemalige Salzburger Hwang Hee Chan war mit von der Partie.

Machtdemonstration in erster Hälfte

Die Hoffnung der Südkoreaner, den fünffachen Weltmeister lange in Schach halten zu können, erfüllte sich nicht. Denn Blau-Gelb dominierte nicht nur auf den Rängen, sondern auch auf dem Rasen. Bereits in der siebenten Minute formierte sich auch die erste brasilianische Jubeltraube, nachdem Vinicius Junior einen Querpass von Raphinha in die Maschen gedroschen hatte. Nur fünf Minuten später stand es 2:0. Neymar küsste zuerst den Ball, versenkte anschließend mit der Arroganz eines Superstars einen Elfmeter zur Vorentscheidung und rückte Rekordmann Pele mit seinem 76. Teamtor bis auf eines nahe.

Der schon auf der Papierform steile Weg der in den ersten Minuten mutig aufgetretenen Koreaner hatte sich nach weniger als einer Viertelstunde in eine unbezwingbare Wand verwandelt. Doch Brasilien war in der ersten Hälfte noch lange nicht fertig und legte mit seiner Machtdemonstration erst richtig los. Zuerst schloss Richarlison eine Kombination zum Zungeschnalzen mit Thiago Silva zum 3:0 ab (29.), keine sieben Minuten später hämmerte Lucas Paqueta eine Vorlage von Vinicius Junior volley in den Maschen (36.).

Immerhin: Obwohl man bereits nach einer halben Stunde aus dem Turnier ausgeschieden war, gaben sich die Südkoreaner nicht ihrem Schicksal hin. Im Gegenteil, die Mannschaft von Bento hatte sogar Chancen, das Ergebnis etwas zu verschönern. Zweimal war es Ex-Salzburger Hwang, der einmal aus der Distanz (17.) und einmal knapp vor dem Tor aus spitzem Winkel (32.) die Chance auf einen Treffer ausließ. Andererseits fehlte auch der „Selecao“ nicht viel zu einem fünften Treffer, aber Richarlison scheiterte in der Nachspielzeit der ersten Hälfte diesmal an Goalie Kim.

„Selecao“ schont Kräfte

In der zweiten Hälfte ging es für die Brasilianer angesichts des Spielstandes vor allem darum, Kräfte für die kommende Aufgabe Kroatien zu schonen. Die Südkoreaner hatten sich erstens weitere Schadensbegrenzung und zweitens einen Ehrentreffer zum Ziel gesetzt. Kurz nach Wiederbeginn hatte Son diesen auch auf dem Fuß, doch Alisson im brasilianischen Tor war auf dem Posten (48.). Neymar und Co. ließen nun zwar sichtlich etwas die Zügel schleifen, blieben aber weiter spielerisch leicht brandgefährlich. Nach Tanzeinlagen von Raphinha in der 55. und 62. Minute durften sich die Koreaner bei ihrem Torhüter Kim bedanken.

Apropos Torhüter: Auch Alisson durfte sich trotz klarer Führung noch einmal auszeichnen, als einmal mehr Hwang einen gewissen Schlendrian in der brasilianischen Defensive fast zu einem Tor ausnutzen konnte. Doch dem strammen Schuss des 26-Jährigen, der mittlerweile bei den Wolverhampton Wanderers sein Geld verdient, war der Handschuh des brasilianischen Schlussmannes vorerst noch im Weg (69.). Aber immerhin wurde der Kampfgeist der „Taegeuk Warriors“ doch noch mit einem Erfolgserlebnis belohnt. Paik bescherte den Koreanern mit einem abgefälschten Weitschuss das Ehrentor (76.).

Die Brasilianer waren da aber gedanklich bereits bei der nächsten Aufgabe Kroatien, die am Freitag im Education City Stadium wartet. Tite gönnte in der Schlussphase nicht nur seinen Stars Neymar und Vinicius Junior, sondern auch Stammtorhüter Alisson eine Pause. Mit Weverton, an sich nur die Nummer drei, durfte sich auch der letzte Spieler im Kader über einen WM-Einsatz freuen. So wie sich sicher auch die in einem Spital in Brasilien gegen seine Krebserkrankung kämpfende Legende Pele über die dominante Vorstellung seiner Landsleute freute. Und der eingewechselte 39-jährige Dani Alves hätte mit einem spektakulären Seitfallzieher der Gala fast noch die Krone aufgesetzt (89.).

Stimmen zum Spiel

Tite (Brasilien-Trainer): „Wir versuchen, uns an die Charaktere der Spieler anzupassen. Sie sind sehr jung, und ich versuche, mich ihrer Sprache anzupassen. Und Teil ihrer Sprache ist das Tanzen. Es gibt keine andere Interpretation (meines Tanzes) als die Freude über das Tor, die Freude für mein Team und die Freude über die Leistung. Das ist weder Respektlosigkeit gegenüber dem Gegner noch gegenüber (Südkoreas Trainer) Paulo Bento, für den ich großen Respekt empfinde.“

Neymar (Brasilien-Torschütze): „Wir träumen von dem Titel bei dieser Weltmeisterschaft. Wir müssen noch drei Schritte gehen. Wir sind bestens vorbereitet und mental voll fokussiert. Ich habe bis zuletzt mit meinen Physiotherapeuten gearbeitet, denn ich hatte große Sorgen, dass die WM für mich schon vorbei ist. Aber es hat geklappt. Ich hoffe, dass wir ins Finale kommen, ich dabei sein kann und wir die WM dann mit einem Sieg krönen. Ich hoffe, dass Pele wieder gesund wird und er sich über unseren Sieg heute gefreut hat.“

Paulo Bento (Südkorea-Teamchef): „Das war mein letzter Tag als Trainer von Südkorea. Ich werde pausieren und dann schauen, was ich dann mache. Das habe ich den Spielern und dem Verbandspräsidenten gesagt. Diese Entscheidung habe ich schon im September getroffen, sie ist in Stein gemeißelt. Ich danke dem Verband und den Spielern für alles, was sie für mich getan haben. Im koreanischen Fußball gab es das lange nicht, dass ein Trainer für einen gesamten WM-Zyklus da war. Wir sind unserem Spielstil immer treu geblieben. Das macht mich stolz und glücklich.“

FIFA WM 2022, Achtelfinale

Montag:

Brasilien – Südkorea 4:1 (4:0)

Doha, Stadium 974, 43.847, SR Turpin (FRA)

Tore:
1:0 Vinicius Junior (7.)
2:0 Neymar (13./Elfmeter)
3:0 Richarlison (29.)
4:0 Paqueta (36.)
4:1 Paik S. H. (76.)

Brasilien: Alisson (80./Weverton) – Eder Militao (63./Alves), Marquinhos, Thiago Silva, Danilo (72./Bremer) – Paqueta, Casemiro, Neymar (80./Rodrygo) – Raphinha, Richarlison, Vinicius Junior (72./Martinelli)

Südkorea: S. Kim – M. Kim, Kim, Y. Kim, J. Kim (46./C. Hong) – J. Lee (74./K. Lee), I. Hwang (65./Paik), W. Jung (46./J. Son), H. Hwang – H. Son, G. Cho (80./U. Hwang)

Gelbe Karten: keine bzw. W. Jung

Die Besten: Richarlison, Vinicius Junior, Neymar, Paqueta bzw. S. Kim