Der Franzose Olivier Giroud jubelt mit seinen Teamkollegen
Reuters/Natacha Pisarenko
FIFA WM 2022

Frankreich setzt sich gegen England durch

Frankreich ist bei der WM in Katar weiter auf Kurs in Richtung Titelverteidigung geblieben. Die „Equipe Tricolore“ setzte sich in einer unterhaltsamen Partie im Al Bayt Stadium von al-Chaur gegen England mit 2:1 (1:0) durch und komplettiert damit das Halbfinale. Dort trifft Frankreich nächsten Mittwoch auf das Überraschungsteam Marokko (20.00 Uhr, live in ORF1). Bei England mutierte Kapitän Harry Kane mit einem verschossenen Elfmeter kurz vor Schluss zur tragischen Figur.

Frankreich ging durch einen Weitschuss von Aurelien Tchouameni vor 68.895 Zuschauern in Führung (17.). Olivier erzielte mit seinem 53. Treffer im französischen Teamdress den Siegestreffer (78.). Kane hatte zwischenzeitlich mit einem souverän verwandelten Elfmeter für den Ausgleich gesorgt (54.). In der 84. Minute hatte Englands Rekordkapitän die große Chance auf den Ausgleich, schoss aber über das Tor. Einmal mehr in der Geschichte wurde damit den „Three Lions“ ein verschossener Penalty zum Verhängnis.

Nach dem verlorenen EM-Finale in Wembley-Stadion im Vorjahr reisen die Engländer wie schon so oft früher als gewollt ab. Den letzten Titel bei einem großen Turnier gewannen die „Three Lions“ 1966 im Finale gegen Deutschland. Frankreich, das im dritten WM-Duell mit England nach 1966 und 1982 den ersten Sieg feierte, wandelt hingegen auf den Spuren der legendären brasilianischen Auswahl, die 1962 als bisher letztes Team den WM-Triumph direkt wiederholt hatte.

Harry Kane vergibt Elfmeter

Die englische Tragödie vom Elfmeterpunkt geht weiter. Harry Kane hat die Chance, die „Three Lions“ in die Verlängerung zu bringen, scheitert aber mit seinem Penalty (84.).

Unveränderte Startformationen

Aufgrund der klaren Siege im Achtelfinale sahen sowohl Frankreich-Teamchef Didier Deschamps als auch England-Coach Gareth Southgate keinen Grund, ihre Startformationen zu verändern. Bei den „Three Lions“ stand allerdings wieder Raheem Sterling im Kader. In Sterlings Haus in London war unmittelbar vor dem Achtelfinale eingebrochen worden. Die Franzosen setzten wie gewohnt auf ein 4-2-3-1 mit allen Offensivkapazundern rund um Kylian Mbappe.

Den ersten Gänsehautmoment gab es schon vor der Partie. Bei „God Save the King“ und „La Marseillaise“ herrschte eine dem Duell würdige Stimmung. Eine dieser Hymnen erklang zum letzten Mal bei dieser WM. Welche das sein sollte, entschied ein Kräftemessen zahlreicher großartiger Spieler. Großartige Chancen gab es zunächst noch nicht. Die beste Gelegenheit hatte Frankreich. Nach Flanke von Ousmane Dembele setzte Olivier Giroud seinen Kopfball aber zu zentral (11.).

Frankreich trifft per Weitschuss

Die Engländer begannen defensiv ein wenig wackelig, Frankreich nutzte das für die Führung. Ausgangspunkt war eine Balleroberung von Dayot Upamecano in der eigenen Hälfte. Danach ging es über Mbappe, Dembele und Griezmann, bis der Ball zu Tchouameni kam. Der 22-Jährige wurde nicht entsprechend bedrängt und hielt aus 26 Metern drauf. England-Goalie Jordan Pickford sah den Schuss nicht rechtzeitig und kam in seiner Reaktion entsprechend zu spät (17.).

1:0 für Frankreich durch Tchouameni

Frankreich gelingt der erste Treffer der Partie. Aurelien Tchouameni trifft nach einer Viertelstunde aus 25 Metern flach ins Eck (17.).

England mit Chance auf Ausgleich

Die nächsten Minuten gehörten dann den Engländern, die sofort eine Reaktion auf den erstmaligen Rückstand bei dieser WM zeigen wollten. Ein Freistoß von Luke Shaw aus guter Position war kein Problem für Frankreich-Goalie Lloris (20.). Danach setzte sich Kane gegen Upamecano durch, scheiterte aber an seinem Tottenham-Teamkollegen Lloris (22.). Kane kam nach einem Zweikampf mit Upamecano an der Strafraumgrenz zu Fall, nach VAR-Überprüfung gab es aber keinen Penalty (27.). Last but not least scheiterte Kane mit einem Weitschuss erneut an Lloris (29.).

Topchance für Harry Kane

Beinahe wäre England die perfekte Antwort auf den Rückstand gelungen, doch Kapitän und Torjäger Harry Kane kann die Ausgleichschance nicht nutzen (22.).

Die Franzosen lauerten auf Konter, England hatte mehr vom Spiel. Den „Three Lions“ fehlte aber der letzte Nachdruck, die letzte Idee. Ein wenig ging auch das nötige Tempo ab, um die Franzosen, die mit sechs, sieben Mann am eigenen Strafraum standen, ernsthaft in Gefahr zu bringen. Eine gute Chance ergab sich daher in den ersten 45 Minuten nicht mehr. Auch die Franzosen wurden vor der Pause nur noch einmal gefährlich. Ein Schuss von Mbappe ging über das Tor (39.).

Kane versenkt Elfmeter zum 1:1

Die Teams kamen personell unverändert aus der Kabine. England war mit einer schwierigen Aufgabe konfrontiert, denn Frankreich hat seine letzten elf WM-Spiele, in denen sie in Führung gegangen waren, alle gewonnen. Die „Three Lions“ waren sofort wieder im Vorwärtsgang. Einen Schuss von Jude Bellingham konnte Lloris mit den Fingerspitzen über die Latte drehen (47.). Wenige Minuten danach arbeitete sich Bukayo Saka in den Strafraum und wurde von Tchouameni gelegt. Diesmal gab es keine Diskussion über einen Elfmeter. Kane trat an und jagte den perfekt geschossenen Penalty ins linke Eck (53.).

Englands Ausgleich per Elfmeter

Nach Foul an Bukayo Saka übernimmt Kapitän Harry Kane die Verantwortung und trifft souverän per Elfmeter zum Ausgleich (54.).

Die Engländer waren noch am Feiern, da hatte Frankreich gleich eine Chance. Rabiot scheiterte mit einem Weitschuss an Goalie Pickford (55.). Southgate deutete an der Seitenlinie, dass seine Spieler wieder den Kopf einschalten und konzentriert spielen sollten. England hatte Oberwasser und kam durch Saka erneut in den Strafraum. Der 21-jährige Arsenal-Spieler brachte aber nicht genug Druck auf den Ball (60.). Auch Kane konnte Lloris nicht in Bedrängnis bringen (62.).

Französische Führung, England verschießt Elfer

Es entwickelte sich eine hoch interessante und hoch spannende Partie. Jeder Fehler konnte zu einer Vorentscheidung führen. Nach einer Freistoßflanke von Jordan Henderson streifte der Kopfball von Harry Maguire die Außenstange (70.). Auf der Gegenseite scheiterte Giroud mit einem zu zentralen Volley (77.). Kurz darauf machte es der Torjäger besser. Nach Griezmann-Flanke stand Englands Verteidigung nicht nah genug bei Giroud. Der ließ sich nicht zweimal bitten und köpfelte aus kurzer Distanz zur neuerlichen Führung von Frankreich ein (78.).

Giroud macht das 2:1 (78. Minute)

Die nächste Möglichkeit lässt sich Olivier Giroud nicht nehmen. Frankreich führt wieder.

Southgate brachte mit Sterling und Mason Mount zwei neue Spieler. Letzterer stand gleich im Mittelpunkt, wurde er doch von Hernandez im Strafraum umgestoßen. Die Engländer protestierten wild, der VAR schaltete sich ein. Nach Videostudium gab es den Penalty. Erneut trat Kane an, doch diesmal schoss der Kapitän über das Tor (84.). Die englischen Fans konnten es nicht fassen, einmal mehr war es ein Elfmeter, der für sie den Anfang vom Ende bedeutete.

Die Engländer bekamen acht zusätzliche Minuten, um das Ausscheiden doch noch abzuwenden. Mit Marcus Rashford war auch ein zusätzlicher Stürmer ins Spiel gekommen. Zwei Flanken brachten die „Three Lions“ in den Strafraum, doch Lloris war auf dem Posten. Und dann kam nach einem Foul an Maguire an der Strafraumgreze die letzte Chance auf den Ausgleich. Der ehemalige Freistoßkünstler David Beckham starrte auf das Spielfeld und wünschte sich wohl ins Teamdress. Rashford nahm Anlauf, schoss aber knapp drüber (90.+11). Unmittelbar darauf erfolgte der Schlusspfiff.

Stimmen zum Spiel:

Didier Deschamps (Frankreich-Teamchef): „Es ist fabelhaft, es war ein großes Spiel. Wir haben gegen ein großartiges englisches Team gespielt, das sowohl technisch als auch physisch stark ist. Es ist brillant für die Spieler, wieder unter den letzten vier zu sein. Wir werden uns gewissenhaft auf unser nächstes Spiel vorbereiten. Marokko verdient Lob. Vielleicht hat man nicht erwartet, dass sie hier sind, aber sie haben erst ein Tor bekommen. Sie haben wirklich was drauf.“

Gareth Southgate (England-Teamchef): „Am Ende entscheiden die Tore. Es waren kleine Details. Ich bin stolz, wie wir uns im Verlauf des Turniers präsentiert haben. Gratulation an Frankreich. Sie wissen, dass sie Teil eines großen Spiels waren. Ich denke nicht, dass wir noch mehr hätten geben können. Wir waren hier, um das Turnier zu gewinnen – und wir haben ein Team, das es hätte schaffen können. Wir gewinnen und wir verlieren als Team. Harry war unglaublich für uns. Ohne die Tore, die er für uns gemacht hat, wären wir gar nicht hier.“

Olivier Giroud (Frankreich-Torschütze): „Es ist außergewöhnlich. Wir haben defensiv super gearbeitet. England hat tolle Spieler, und wir haben solide dagegengehalten. Es war ein großes Spiel. Wir wussten, was diese Generation von jungen englischen Talenten drauf hat. Wir hatten die richtige Mentalität. Am Ende waren wir die Glücklichen. Es geht so weit, wie es gehen kann. Ich bin sehr stolz auf dieses Team.“

Jordan Henderson (England-Mittelfeldspieler): „Nach dem 0:1 haben wir Charakter und Mentalität gezeigt und den Ausgleich geschafft. Wir haben alles gegeben, aber unglücklicherweise war es nicht unser Abend. Wir haben uns gut gefühlt, unsere Leistungen hier waren wirklich gut, der Fokus und der Hunger waren da. Wir hätten gewinnen können. Man muss Frankreich aber auch gratulieren, sie haben ein gutes Team.“

FIFA WM 2022, Viertelfinale

Samstag:

England – Frankreich 1:2 (0:1)

al-Chaur, Al Bayt Stadium, 68.895 Zuschauer, SR Sampaio (BRA)

Torfolge:
0:1 Tchouameni (17.)
1:1 Kane (54./Elfmeter)
1:2 Giroud (78.)

England: Pickford – Walker, Stones (98./Grealish), Maguire, Shaw – Henderson (79./Mount), Rice, Bellingham – Saka (79./Sterling), Kane, Foden (85./Rashford)

Frankreich: Lloris – Kounde, Varane, Upamecano, T. Hernandez – Tchouameni, Rabiot – O. Dembele (79./Coman), Griezmann, Mbappe – Giroud

Gelbe Karten: Maguire bzw. Griezmann, Dembele, Hernandez

Die Besten: Kane, Saka bzw. Griezmann, Rabiot