Jubel von Frankreichs Theo Hernandez und Mitspielern
IMAGO/Pressinphoto/Bagu Blanco
FIFA WM 2022

Frankreich steht erneut im Finale

Frankreich hat am Mittwoch den Finaleinzug bei der WM in Katar geschafft und damit die Chance auf die erfolgreiche Titelverteidigung gewahrt. Der Weltmeister von 2018 stoppte im Halbfinale den Erfolgslauf von Marokko und gewann im Al Bayt Stadium von al-Chaur gegen das Überraschungsteam mit 2:0 (1:0). Im Endspiel am Sonntag trifft die „Equipe Tricolore“ nun auf das von Lionel Messi angeführte Argentinien (16.00 Uhr, live in ORF1).

Frankreich erwischte gegen die marokkanischen Defensivkünstler, die davor nur einen Gegentreffer hinnehmen mussten, einen Traumstart. Theo Hernandez sorgte in der fünften Minuten für die Führung. Nach der Pause gelang dem unmittelbar davor eingewechselten Randal Kolo Muani mit seinem ersten Länderspieltreffer die Entscheidung (79.). Frankreich hat damit die Chance, als erstes Nationalteam seit Brasilien im Jahr 1962 den Titel erfolgreich zu verteidigen.

Für Marokko ging hingegen eine denkwürdige Weltmeisterschaft zu Ende. Nach Siegen über Belgien (Gruppenphase), Spanien (Achtelfinale) und Portugal (Viertelfinale) waren die Nordafrikaner auch im Semifinale ein würdiger Gegner. Die „Löwen vom Atlas“ forderten den großen Favoriten voll und waren immer wieder am Ausgleich dran, wurden aber nicht belohnt. Sie müssen sich nun mit dem Spiel um Platz drei am Samstag (16.00 Uhr) gegen Kroatien begnügen.

Die Entscheidung durch Kolo Muani

Nur Sekunden nach seiner Einwechslung trifft Randal Kolo Muani zum 2:0 und sorgte damit in der 79. Minute für die Entscheidung.

Emotionen und Euphorie vor Partie

Frankreich-Coach Didier Deschamps war aufgrund von Erkrankungen zu Umstellungen gezwungen. Während Adrien Rabiot nicht einmal im Kader stand, saß Dayot Upamecano zumindest auf der Bank. In der Innenverteidigung agierte Ibrahima Konate, im Mittelfeld lief Youssouf Fofana auf. Marokko rührte für die Partie im Vergleich zum Viertelfinale zumindest taktisch noch mehr Beton an. Trainer Walid Regragui wählte gegen Frankreichs Offensivzauberer eine Fünferkette. Personell kehrte Noussair Mazraoui in die Startelf zurück.

Bei Frankreichs Nationalhymne waren im Stadion vereinzelt Pfiffe zu hören. Staatspräsident Emmanuel Macron kümmerte das wenig, er applaudierte sichtlich aufgeregt der „Equipe Tricolore“. Nicht weniger euphorisiert waren die marokkanischen Spieler und Fans bei ihrer Hymne. Teamchef Regragui schrie „an-Naschid asch-Scharif“ förmlich aus sich heraus. Und dann pfiff der mexikanische Schiedsrichter Cesar Ramos das erste WM-Halbfinale eines afrikanischen Teams an.

Frankreich legt Traumstart hin

Und für Marokko begann die Partie denkbar ungünstig, Frankreich ging bereits in der fünften Minuten in Führung. Verteidiger Raphael Varane öffnete mit einem perfekten Pass die gegnerische Abwehr. Über Antoine Griezmann kam der Ball zu Kylian Mbappe. Der Abschluss des Torjägers landete bei Hernandez, der aus kurzer Distanz akrobatisch seinen zweiten Treffer im Nationalteam erzielte. Für Marokko war das ein Schock, bereits nach wenigen Minuten musste das Team zu Plan B wechseln, denn nur verteidigen war nicht mehr angesagt.

Hernandez mit dem frühen 1:0

Nicht die Offensivkapazunder, sondern Linksverteidiger Theo Herandez sorgte bereits in der fünften Minuten für die französische Führung.

Die Nordafrikaner wurden erstmals in der zehnten Minuten gefährlich. Bei einem gut angetragenen Schuss von Azzedine Ounahi tauchte Hugo Lloris ab und konnte die Situation entschärfen. Während Frankreich unter den gellenden Pfiffen der Fans das Geschehen weiter kontrollierte, blieb Marokko defensiv anfällig für Fehler. Nach einem weiten Abschlag kam Olivier Giroud ziemlich ungestört zum Torabschluss, knallte den Ball aber an die linke Stange (17.).

Marokkanischer Fallrückzieher an die Stange

Kurz darauf musste Marokko schon das erste Mal wechseln. Bei Kapitän Romain Saiss, der gegen Portugal verletzt ausgeschieden war, machte der Oberschenkel nicht mit. Für ihn kam Selim Amallah, gleichzeitig wurde auf eine Viererkette umgestellt (21.). Marokko blieb offensiv bemüht, ohne dabei richtige Durchschlagskraft zu entwickeln.

Gefährlicher wurden die Franzosen, die eine Doppelchance hatten. Zunächst brachte Mbappe nicht genug Druck auf den Ball, danach schoss Giroud aus guter Postion vorbei (36.). Vor der Pause wurde es mehrmals für Frankreich brenzlig. Ausgangspunkt waren dabei jeweils von Hakim Ziyech sehr gut ausgeführte Standards. Goalie Lloris konnte sich auszeichnen, vor allem bei der Situation in der 44. Minute. Giroud klärte einen Eckball direkt zu Jawad El Yamiq, der per Fallrückzieher sein Glück versuchte. Lloris lenkte den Ball an die Stange.

Fallrückzieher an die Stange

Kurz vor der Pause hatten die Franzosen Glück. Goalie Hugo Lloris konnte den Fallrückzieher von Jawad El Yamiq mit Hilfe der Stange klären (44.).

Französische Defensive gefordert

Bei Marokko blieb Bayern-Legionär Mazraoui in der Kabine, für ihn kam Yahya Attiatallah. Die „Löwen vom Atlas“ dürften zur Pause einiges besprochen haben, waren sie doch in der Offensive bissiger als zuvor – vor allem über die Flügel. Frankreichs Defensive war im eigenen Strafraum ordentlich gefordert, wurde aber nicht hektisch und klärte die Situationen. Der Weltmeister konnte sich aber nur noch selten befreien und war in der eigenen Hälfte festgenagelt. Die sporadischen Befreiungsversuche wurden von Marokko teils rustikal unterbunden.

Deschamps reagierte und nahm Giroud, der ja nicht unbedingt der Prototyp des Konterspielers ist, vom Feld. Für den vierfachen Torschützen bei dieser WM spielte Marcus Thuram. Auch Marokko wechselte, Abderrazak Hamdallah und Zakaria Aboukhlal kamen in die Partie. Frankreich konnte das Spiel wieder ein wenig in die gegnerische Hälfte verlagern. Vor allem Thuram, der älteste Sohn des 1998er-Weltmeisters Lilian Thurman, belebte das Offensivspiel.

Marokkos Sofiane Boufal und Frankreichs Olivier Giroud
Reuters/Lee Smith
Im Halbfinale zwischen Marokko und Frankreich wurde um jeden Zentimeter gekämpft

Marokko kämpft, Frankreich macht alles klar

Marokko kämpfte weiter verbissen um seinen Finaltraum, die Zeit war allerdings nicht der Verbündete der Nordafrikaner. Es ging bereits in die letzte Viertelstunde. Frankreich war darauf bedacht, nicht kopflos zu stürmen und ja nicht die Defensive unkontrolliert zu entblößen. Als negatives Beispiel diente „Les Bleus“ sicher Brasilien, dass gegen Kroatien im Viertelfinale mit einer 1:0-Führung in der Verlängerung in einen Konter gelaufen war, den Ausgleich kassiert und in weiterer Folge im Elferschießen das Nachsehen hatte.

Das brasilianische Schicksal blieb Frankreich aber erspart, viel mehr machte der Weltmeister den Deckel auf die Partie. Mbappe dribbelte im Strafraum. Sein abgefälschter Schuss landete unmittelbar vor den Füßen des kurz zuvor eingewechselten Kolo Muani. Der Frankfurt-Legionär erzielte mit der ersten Ballberührung das vorentscheidende 2:0 (79.).

Der zweite Treffer kam einem K.-o.-Schlag gleich, bei Marokko machte sich minutenlang Resignation breit. Erst in der Nachspielzeit gab es die Chance auf den Ehrentreffer, doch Jules Kounde rettete beim Schuss von Ounahi vor der Linie (94.). Und dann war es vorbei, die Marokkaner fielen erschöpft auf den Rasen, die Franzosen feierten und gratulierten gleichzeitig ihrem Gegner.

Stimmen zum Spiel:

Didier Deschamps (Frankreich-Trainer): „Wir sind jetzt einen Monat zusammen. Es ist nie einfach. Aber bis jetzt ist es eine wahre Freude (…). Das war wieder ein gewaltiges Match – und eines kommt noch. Wir streben den Titel an.“

Theo Hernandez (Frankreich-Torschütze): „Das ist unglaublich, das Finale der WM zu spielen. Frankreich gegen Argentinien ist ein großes Match. Wir haben hart dafür gearbeitet.“

Walid Regragui (Marokko-Trainer): „Wir haben es versucht und versucht und versucht und dann leider das zweite Tor kassiert. Aber ich kann meiner Mannschaft nur ‚Bravo‘ sagen für das, was sie vorher gespielt hat.“

FIFA WM 2022, Halbfinale

Mittwoch:

Frankreich – Marokko 2:0 (1:0)

al-Chaur, Al Bayt Stadion, 68.294 Zuschauer, SR Cesar Ramos (MEX)

Torfolge:
1:0 T. Hernandez (5.)
2:0 Kolo Muani (79.)

Frankreich: Lloris – Kounde, Varane, Konate, T. Hernandez – Griezmann, Tchouameni, Fofana – Dembele (78./Kolo Muani), Giroud (65./Thuram), Mbappe

Marokko: Bounou – Hakimi, Dari, Saiss (21./Amallah/78./Ezzalzouli), El Yamiq, Mazraoui (46./Attiatallah) – Amrabat, Ounahi, Ziyech, Boufal (66./Aboukhlal) – En-Nesyri (66./Hamdallah)

Gelbe Karte: Boufal

Die Besten: Mbappe, Griezmann, Konate bzw. Hakimi, Amrabat, Ziyech