Skispringer Stefan Kraft (AUT)
GEPA/Thomas Bachun
Tournee

Traum vom Titel platzt wieder früh

Auch im achten Jahr in Serie wird es für die österreichischen Skispringer nichts mit dem so ersehnten Triumph bei der Vierschanzentournee. Die rot-weiß-roten Adler um den glücklosen Weltmeister Stefan Kraft liegen zur Halbzeit bereits aussichtslos zurück. Während der Norweger Halvor Egner Granerud in einer eigenen Liga springt, mussten die ÖSV-Asse ihre Ambitionen auf den „Goldadler“ bereits vor dem Bergisel-Springen in Innsbruck am Mittwoch (13.30 Uhr, live in ORF1) begraben. „Es ist wieder vorbei“, konstatierte Kraft.

Der Rückstand von Daniel Tschofenig, als Siebenter nach den Bewerben in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen bester Österreicher in der Gesamtwertung, beträgt bereits 61,9 Punkte oder umgerechnet 34 Meter. Bei noch vier ausstehenden Sprüngen käme ein österreichischer Tournee-Sieg einem Wunder gleich, auch ein Stockerlplatz ist unwahrscheinlich. „Man muss es realistisch sehen. Die ersten drei Plätze sind schon sehr weit weg. Es geht jetzt darum, dass sie gute Einzelleistungen in den Wettkämpfen zeigen und wir als Team gut auftreten“, sagte ÖSV-Cheftrainer Andreas Widhölzl.

Beim Neujahrsspringen landeten fünf Österreicher in den Top Zwölf. „Sie sind gut drauf, und wir haben ein super Team“, so Widhölzl. Manuel Fettner meldete sich trotz laut eigener Aussage nicht perfekter Sprünge als Vierter zurück, genauso wie Jan Hörl auf Platz fünf. Tschofenig (7.) und Michael Hayböck (10.) hatten wie Kraft (18.) ebenfalls Windpech, waren aber trotzdem vorne dabei. Auch Clemens Leitner machte mit dem besten Weltcup-Ergebnis als Zwölfter auf sich aufmerksam. Nur die absolute Weltspitze um Granerud, Weltcup-Spitzenreiter Dawid Kubacki aus Polen und der Slowene Anze Lanisek, ist aktuell eine Nummer zu groß, das merkte auch Kraft an.

Trainer Andreas Widhölzl (AUT)
IMAGO/Ulrich Wagner
„Man muss realistisch sein, die ersten drei Plätze sind weit weg“, sagte ÖSV-Cheftrainer Andreas Widhölzl

„Die drei hüpfen in einer eigenen Liga“, sagte der Salzburger, als 18. auch wegen des starken Seitenwindes im Vergleich zur Konkurrenz erneut schwer geschlagen. „Es ist wieder vorbei, natürlich schade“, war Kraft, Österreichs bisher letzter Tournee-Sieger 2015, enttäuscht.

Vorschau auf Vierschanzentournee-Finale

Nachdem auch 2022/2023 der Tournee-Sieg für die ÖSV-Springer in weite Ferne gerückt ist, steht am Ruhetag vor allem mentale Regeneration am Programm. Stefan Kraft und Kollegen wollen ab Dienstag in Innsbruck und Bischofshofen durchstarten.

Erneut fehlte dem 29-Jährigen in Garmisch-Partenkirchen das Glück. Dass Seitenwind anders als Rückenwind bei den Windpunkten gar nicht berücksichtigt wird, kam Kraft auch nicht entgegen. „Bei einer anderen Berechnung wären möglicherweise 20 Punkte und nicht zwölf dazugerechnet worden“, so Widhölzl. „Das ist sicher zu überdenken.“

Keine Ausreden von Kraft

„Es gibt nichts zum Trösten, es kann passieren“, sagte Kraft am Montag der APA. „Es ist sauärgerlich, dass man nicht kurz wartet, wenn es um so viel geht. Aber das Glück kommt wieder zurück.“ Um wieder ganz vorne mitzuspringen, bräuchte er nun „einen guten Wettkampf“, um das letzte Selbstvertrauen zurückzugewinnen.

Kraft suchte schon am Sonntag keine Ausreden. „So wie die ersten drei hüpfen, so ehrlich muss ich sein, da hätte ich auch mit zwei richtig guten Sprüngen nicht mithalten können.“ Deshalb würden auch Tagessiege laut Kraft in Innsbruck und beim Dreikönigsspringen in Bischofshofen schwer werden. Widhölzl blieb optimistischer und blickte auf das vergangene Jahr, als Daniel Huber zum Abschluss triumphierte. „Da haben wir uns auch gesteigert und am Schluss die beste Leistung gebracht. Wir freuen uns auf den Bergisel und die Fans daheim, das ist immer eine Motivationsspritze“, betonte der Coach.

Am Montag steht für die ÖSV-Adler ein Ruhetag im Teamquartier in Leutasch auf dem Programm, ehe am Dienstag bei der Qualifikation erstmals seit drei Jahren wieder vor Fans auf dem Bergisel gesprungen wird. Insgesamt 22.500 Zuschauer haben im Stadion Platz, etwa 15.000 Tickets wurden bisher verkauft.

Die nationale Gruppe wird beim Bergisel-Springen noch nicht zum Einsatz kommen, sondern erst beim Dreikönigsspringen in Bischofshofen sowie beim Skifliegen am Kulm (27.-29. Jänner). „Mit Blick auf die WM 2024 am Kulm ist es eine coole Option für unsere Jungen, mal ins Fliegen zu kommen“, so Widhölzl.

Granerud feiert emotionalen Sieg

Bestens gelaunt kommt Granerud nach Österreich: Der Norweger springt derzeit allen davon und war nach seinem Auftakterfolg in Oberstdorf auch in Garmisch nicht zu schlagen. In der Gesamtwertung liegt der 26-Jährige bereits 26,8 Punkte oder umgerechnet 15 Meter vor seinem polnischen Verfolger Dawid Kubacki, es ist der größte Halbzeitvorsprung seit 18 Jahren. Zuletzt hatte Janne Ahonen 2004/05 einen größeren Vorsprung, der Finne sicherte sich am Ende auch überlegen den Tournee-Sieg.

Granerud legt am Neujahrstag nach

Halvor Egner Granerud hat das neue Jahr so begonnen, wie er das alte beendet hat. Der Norweger holte sich bei der 71. Vierschanzentournee nach dem Erfolg in Oberstdorf am Sonntag auch den Sieg im Neujahrsspringen von Garmisch-Partenkirchen. Granerud verwies Anze Lanisek (SLO) und Dawid Kubacki (POL) aus Polen auf die Plätze. Als Bester einer starken österreichischen Mannschaft landete Manuel Fettner auf Platz vier. Stefan Kraft musste zu Neujahr als 18. hingegen wieder eine Niederlage verdauen.

Nach dem Sieg in Garmisch fühle Granerud „Erleichterung, Freude, Dankbarkeit“, wie er sagte. „Ein Traum wurde wahr. Das ist einer meiner größten Siege. Diesen Erfolg mit meiner Familie und so vielen guten Teamkollegen zu feiern, das ist sehr emotional.“

In Garmisch-Partenkirchen stärkte Granerud mit dem dritten Weltcup-Sieg in diesem Winter sein Selbstvertrauen. „Fantastisch, die Leistung von Halvor ist ausgezeichnet“, schwärmte sein österreichischer Trainer Alexander Stöckl. „Dass er beim zweiten Sprung wieder eine Bombe gezündet hat, ist sehr stark.“ Danach jubelte Granerud in Anlehnung an Landsmann und Fußballsuperstar Erling Haaland in der Yogapose. „Er hat es genossen, in Garmisch bei vollem Stadion zu gewinnen. Das ist schon etwas Besonderes, am ersten Tag im neuen Jahr.“

Skispringer Halvor Egner Granerud (NOR)
IMAGO/ThomasReiner
Granerud macht den Haaland: Der Norweger feierte seinen Sieg in der Yogapose seines Landsmannes

Die weiteren Jäger im Gesamtranking, Piotr Zyla (Polen/+40,1) und Lanisek (Slowenien/+51,4), liegen noch weiter zurück, der „Goldadler“ ist schon jetzt zum Greifen nah. Allerdings wartet am Mittwoch das schwierige Bergisel-Springen in Innsbruck, an das Granerud keine guten Erinnerungen hat. Vor zwei Jahren war er als Halbzeitführender nach Tirol gereist, dort aber schlimm abgestürzt. „Das war sehr lehrreich, was da passiert ist“, versicherte sein Coach Stöckl. Er habe „einiges“ mitgenommen und fahre mit der richtigen Einstellung hin.

Granerud vor Bergisel gewarnt

Für Granerud sei es ob seiner Vorgeschichte ein Vorteil, mit einem großen Vorsprung nach Innsbruck zu fahren. „Weil der Bergisel eine Schanze ist, die ihm nicht wirklich liegt. Da hat er schon öfters Schwierigkeiten gehabt“, sagte Stöckl. Mit der Hilfe eines Psychologen habe Granerud nun ein „gutes Werkzeug“, wie er sich auf den Wettkampf vorbereite, ohne gestresst zu sein, wie Stöckl erklärte.

Das Erfolgsrezept von Granerud, der hinter Kubacki und Lanisek als Jäger zur Tournee gekommen war? „Es ist eine Kombination aus Material, Technik und mentaler Einstellung“, so Stöckl. Dem Tiroler fehlt wie Granerud noch ein Tournee-Sieg in der Trophäensammlung. Norwegen wartet gar schon seit 2006/07, als Anders Jacobsen triumphierte, auf den Prestigeerfolg. „Die Ausgangsposition ist besser denn je, aber das heißt überhaupt nichts“, betonte Stöckl: „Jeder in der Mannschaft hätte es verdient, dass wir endlich mal den Sieg der Vierschanzentournee nach Norwegen bringen.“

Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen

Endstand:
1. Halvor Egner Granerud NOR 140,0 / 142,0 303,7
2. Anze Lanisek SLO 140,5 / 137,0 297,3
3. Dawid Kubacki POL 136,0 / 138,5 294,4
4. Manuel Fettner AUT 136,0 / 138,0 279,6
5. Jan Hörl AUT 136,0 / 138,5 278,9
6. Piotr Zyla POL 135,5 / 134,5 277,0
7. Daniel Tschofenig AUT 131,0 / 136,0 275,4
8. Andreas Wellinger GER 137,0 / 133,0 273,1
9. Kamil Stoch POL 135,0 / 134,5 272,7
10. Michael Hayböck AUT 128,5 / 140,0 269,8
11. Karl Geiger GER 131,5 / 131,0 264,9
12. Clemens Leitner AUT 129,5 / 135,5 262,2
13. Lovro Kos SLO 129,0 / 135,5 261,0
14. Timi Zajc SLO 128,0 / 134,0 255,8
15. Philipp Raimund GER 125,5 / 135,0 254,9
16. Robert Johansson NOR 129,5 / 133,0 253,4
17. Stephan Leyhe GER 128,0 / 130,0 252,2
18. Stefan Kraft AUT 122,5 / 131,0 249,5
19. Ryoyu Kobayashi JPN 125,0 / 131,0 248,8
20. Johann Andre Forfang NOR 129,0 / 130,5 246,6
21. Gregor Deschwanden SUI 127,5 / 126,5 243,3
22. Pavel Wasek POL 130,0 / 126,0 242,0
23. Constantin Schmid GER 121,0 / 133,0 241,9
24. Pius Paschke GER 124,5 / 127,5 238,6
25. Philipp Aschenwald AUT 132,0 / 124,0 236,3
26. Vilho Palosaari FIN 125,0 / 125,5 230,6
27. Kristoffer Erikssen Sundal NOR 125,0 / 122,0 230,0
28. Felix Hoffmann GER 121,0 / 128,0 227,1
29. Domen Prevc SLO 124,0 / 125,0 226,0
30. Roman Koudelka CZE 124,0 / 117,0 220,5
Im 1. DG disqualifiziert: Marius Lindvik (NOR)