Der Norweger Halvor Egner Granerud jubelt
APA/AFP/Christof Stache
Tournee

Granerud erlöst Norwegen mit Titel

Nach dem ersten norwegischen Triumph bei der Vierschanzentournee seit 16 Jahren hat Skisprung-Star Halvor Egner Granerud überglücklich den „Goldadler“ in den Bischofshofener Nachthimmel gestreckt. Mit einer Machtdemonstration gewann der 26-Jährige am Freitag auch das Dreikönigsspringen, es war sein dritter Sieg nach Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen. Nur in Innsbruck wurde er Zweiter. Damit erlöste Granerud das norwegische Team mit dem ersten Tournee-Sieg seit Anders Jacobsen 2006/07.

„Wahnsinn. Das ist der größte Moment meiner Karriere. Ich fühle mich so geehrt und dankbar, dass ich meinen Kindheitstraum erleben durfte“, sagte Granerud. Am Abend stand noch eine größere Feier an. „Wir werden ein bisschen mit den Japanern feiern, weil wir im gleichen Hotel wohnen. Ich werde die Rechnung bezahlen und hoffe, dass ich bis zu den Meisterschaften am Sonntag wieder nüchtern bin.“

Der Tiroler Alexander Stöckl, seit mehr als elf Jahren Cheftrainer der Norweger, war ebenfalls erleichtert. „Wir feiern ordentlich. Halvor hat wirklich Unglaubliches geleistet“, sagte Stöckl. Jeder im Team könne ein Stück von diesem Erfolg mitnehmen, das sei für ihn das Schönste.

Granerud vollendet ersten Triumph

Halvor Egner Granerud hat am Dreikönigstag erstmals die Vierschanzentournee für sich entschieden und damit als erster Norweger seit 2007 den Gesamtsieg geholt. Der 26-Jährige gewann das Finale in Bischofshofen vor Anze Lanisek (SLO) sowie Dawid Kubacki (POL) und feierte seinen dritten Tagessieg beim vierten Springen. Michael Hayböck wurde als bester Österreicher Vierter – die ÖSV-Adler blieben damit wieder ohne Podestplatz.

Mit seiner ruhigen, gelassenen Art ist Granerud erstmals zum Sieg bei der Vierschanzentournee geflogen. Nichts brachte den Norweger heuer aus der Fassung, nach zwei Siegen zum Tournee-Auftakt, einem zweiten Platz auf dem berüchtigten Bergisel und einem weiteren Erfolg in Bischofshofen durfte der 26-Jährige endlich jubeln. In der Vergangenheit war Granerud allerdings nicht immer so zurückhaltend und besonnen wie dieser Tage bei der 71. Vierschanzentournee.

Vom „Nacktspringer“ zum Tournee-Sieger

Erstmals für Schlagzeilen sorgte Granerud als Jugendlicher. Damals, vor etwa zehn Jahren, sprang er splitternackt von einer 60-m-Schanze in Oslo, ließ sich dabei filmen und wurde in der Heimat als „Nakenhopperen“, der nackte Skispringer, bekannt. Die Idee soll bei einem Grillfest mit Freunden entstanden sein. Ähnliche Stunts sind in Zukunft aber auszuschließen. Vor zwei Jahren fehlte Granerud unterdessen die nötige Gelassenheit zum Tournee-Sieg. Als Favorit stürzte er in Innsbruck ab, stichelte daraufhin gegen seine polnischen Konkurrenten und war merklich abgelenkt.

Ganz anders präsentierte sich Granerud um den Jahreswechsel 2023. Das Erfolgsgeheimnis des Norwegers? „Eine Kombination aus Material, Technik und mentaler Einstellung“, sagt sein österreichischer Cheftrainer Stöckl. Er habe mit einem Psychologen gesprochen, um bestmöglich einen Wettkampf ohne Stress durchzuführen. „Ich schlafe derzeit sehr gut“, hatte Granerud vor der Entscheidung in Bischofshofen betont. Vor Weihnachten änderte er noch Kleinigkeiten im technischen Bereich, auch das vom Team bereitgestellte Material sowie das ganze Set-up funktioniere laut Stöckl super.

Der Norweger Halvor Egner Granerud jubelt
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Am Ziel seiner Träume: Granerud holte als erster Norweger seit 2007 den Gesamtsieg bei der Tournee

Auf den Schanzen sticht Granerud mit einem einzigartigen Flugstil heraus, der Norweger landet in Flugrichtung rechts fast immer beinahe in der Bande. „Er sitzt ein bissl einseitig in der Position und rotiert auf die andere Seite. Er hat eine schiefe Hüfte, alles ist ein bissl gedreht“, erklärt Stöckl. „Ganz wegbringen werden wir es nicht. Aber wenn es auf dem geringen Niveau bleibt, sind wir froh.“ Seitenwind von links sorgte am Mittwoch auf dem Bergisel für zusätzliche Brisanz.

Granerud, dessen Spitznamen „McScalli“, „Skallz“ und „Grandex“ eher an einen DJ erinnern, lieferte beim traditionellen Schanzenspektakel zum Jahreswechsel jedenfalls eine Show ab. Auch Weltmeister Stefan Kraft zollt ihm Respekt. „Man sieht, dass er die ersten 30 Meter eigentlich nicht anders springt. Dann hat er viel Druck am Ski und springt geradeaus. Ab 40, 50 Metern ist er eine Klasse für sich“, sagte der Salzburger zur APA. Nach dem Gesamtweltcup-Sieg 2020/21 erweiterte Granerud seine Trophäensammlung und beendete eine schier ewige norwegische Durststrecke.

„Tournee eines der größten Dinge“

Eine spezielle Belohnung für den ersten Tournee-Sieg seit 16 Jahren gibt es in der Heimat aber nicht. „In Norwegen kriegst du gar nix, wenn du was gewinnst. Da kriegst du einen Schulterklopfer“, erzählt Stöckl. Aber: „Die Ehre ist eh mehr wert als alles, was du bekommst. Die Tournee zu gewinnen ist eines der größten Dinge, die es gibt.“ Granerud durfte sich für den Tournee-Sieg aber über ein Preisgeld von 100.000 Schweizer Franken (101.636 Euro) freuen.

71. Vierschanzentournee

Gesamtwertung 2022/23

Endstand nach vier Bewerben:
1. Halvor Egner Granerud NOR 1.191,2
2. Dawid Kubacki POL 1.158,2
3. Anze Lanisek SLO 1.129,0
4. Piotr Zyla POL 1.090,0
5. Kamil Stoch POL 1.087,9
6. Stefan Kraft AUT 1.077,5
7. Michael Hayböck AUT 1.068,6
8. Daniel Tschofenig AUT 1.061,1
9. Jan Hörl AUT 1.056,3
10. Manuel Fettner AUT 1.050,9
11. Andreas Wellinger GER 1.043,8
12. Lovro Kos SLO 1.032,5
13. Philipp Raimund GER 1.020,6
14. Timi Zajc SLO 1.019,7
15. Johann Andre Forfang NOR 1.017,9
20. Philipp Aschenwald AUT 838,0
31. Clemens Leitner AUT 626,7