Ski alpin

Kilde schlägt auf Streif furios zurück

Die Sieger in Weltcup-Abfahrten in diesem Winter heißen weiter entweder Aleksander Aamodt Kilde oder Vincent Kriechmayr. Einen Tag nachdem der Oberösterreicher erstmals in Kitzbühel gewonnen hatte, schlug am Samstag sein norwegischer Konkurrent Kilde furios zurück. Trotz gebrochener Hand und Schneefalls gelang dem 30-Jährigen eine nahezu perfekte Fahrt und vor Johan Clarey aus Frankreich und US-Boy Travis Ganong sein zweiter Abfahrtstriumph auf der Streif nach 2022. Kriechmayr wurde als bester Österreicher unmittelbar vor Otmar Striedinger und Daniel Hemetsberger Fünfter.

Einen Tag nachdem er im Zielhang mit einer Akrobatikeinlage gerade noch an einem Sturz vorbeigeschrammt war, raste Kilde auf den Tag genau nach seinem Streif-Sieg im Vorjahr zu seinem insgesamt 20. Weltcup-Sieg und seinem elften in einer Abfahrt. Der 42-jährige Clarey musste sich mit 0,67 Sekunden Rückstand so wie 2021 und 2022 mit Platz zwei begnügen. Ganong wurde mit 0,95 Sek. Rückstand auf die Bestzeit von 1:56,90 Minuten Dritter. Die Hahnenkamm-Rennen 2023 werden am Sonntag mit dem Slalom auf dem Ganslernhant (10.30 bzw. 13.30 Uhr, live in ORF1, Übertragung ab 10.00 Uhr) abgeschlossen.

Die Österreicher konnten vor den Augen Zehntausender Fans – zu denen auch wieder Hollywood-Star und Ex-Gouverneur Arnold Schwarzenegger gehörte – bei der klassischen Hahnenkamm-Abfahrt nicht um den Sieg mitmischen. Kriechmayr fehlten im Schneetreiben 1,30 Sek. auf Kilde, das Podest war 35 Hundertstel entfernt. Striedinger und Hemetsberger reihten sich unmittelbar hinter dem Weltmeister mit 1,50 bzw. 1,52 Sek. Rückstand auf den Plätzen sechs und acht ein. Detail am Rande: Striedinger teilte sich seinen Platz mit dem Kanadier Cameron Alexander. Stefan Babinsky (32.) und Andreas Ploier (40.) blieben ohne Weltcup-Punkte.

Kriechmayr diesmal geschlagen

Einen Tag nach seinem Premierensieg bei einer Streif-Abfahrt verpasste der Oberösterreicher diesmal am Ende das Podest.

Im Kampf um die kleine Kristallkugel für die Abfahrt näherte sich Kilde dem neuerlichen Gewinn ein riesiges Stück an. Der Norweger baute seinen am Freitag geschrumpften Vorsprung auf Kriechmayr mit seinem fünften Abfahrtssieg in dieser Saison wieder auf 156 Punkte aus. Nach der Weltmeisterschaft in Courchevel-Meribel stehen im März nur noch die beiden Rennen in Aspen sowie die abschließende Abfahrt in Soldeu in Andorra auf dem Programm. Im Gesamtweltcup verkürzte Kilde den Rückstand auf den Schweizer Marco Odermatt, der die zweite Kitz-Abfahrt nach Knieproblemen aus Vorsicht ausgelassen hatte, auf 225 Punkte.

1. Aleksander A. Kilde (NOR)
2. Johan Clarey (FRA)
3. Travis Ganong (USA)

Österreicher mit „blöden Hacklern“

Kriechmayr musste die verlorene Zeit nicht lange suchen. Ein Fehler sei schon bei der Schlüsselstelle nach der Mausefalle passiert. „Das U-Hakerl habe ich nicht ganz so erwischt wie gestern“, sagte der Doppelweltmeister von 2021 im ORF-Interview. Dazu sei auch die Unterbrechung nach dem – glimpflich verlaufenen – Sturz des mit Nummer fünf gestarteten US-Amerikaners Jared Goldberg in der Traverse vor dem Zielschuss „nicht ganz so optimal“ gewesen, da speziell im Gleitstück viel Schnee in die Spur gefallen war: „Aber das ist leider so, gehört dazu, und es wird nicht nur das gewesen sein“, so Kriechmayr. Zusatz: „Aleks (Kilde, Anm.) ist auch gewaltig gefahren.“

Auch Striedinger war trotz einer Resultatsverbesserung im Vergleich zum Freitag, als er 14. wurde, mit seiner Fahrt nicht zufrieden, aber doch überrascht. „Ich habe blöde Hackler gemacht. Ich habe mir eigentlich nicht gedacht, dass es für so weit vorne reicht“, sagte der Kärntner, der allerdings nicht „zu 100 Prozent fit“ an den Start gegangen war: „Von dem her war es ein passables Rennen. Ich klinge so, als wäre ich gestern auf der Weißwurst-Party gewesen, aber das war natürlich nicht der Fall. Ich habe mich runtergekämpft, alles gegeben, für ganz vorne hat es nicht gereicht.“

Kilde „konnte Vollgas geben“

Ganz vorne strahlte Kilde nach seinem Husarenritt wie ein frisch polierter Groschen. „Gestern war schwierig, die Trainings davor waren auch nicht optimal, aber heute hatte ich ein gutes Gefühl und keine Schmerzen, konnte Vollgas geben“, sagte der norwegische Abfahrtsdominator der Saison mit Hinweis auf seine gebrochene rechte Hand. Trotz seiner Blessur und schlechter Sicht habe er in keiner Passage zurückgesteckt: „In Kitz kann man nie locker sein, aber ich konnte gut Ski fahren und bin unten mehr mit Kopf als Kraft gefahren. Ich habe alles gemacht, was ich tun konnte, ich bin zufrieden. Die goldene Gams ist richtig geil.“

Kilde verwehrte damit auch Altmeister Clarey ein Happy End bei seinem letzten Auftritt auf der Streif. „Ich bin ein klein wenig enttäuscht, aber Aleks ist einfach zu stark“, sagte der 42-Jährige. Nach seiner Fahrt hätte es ihn „sehr glücklich“ gemacht, „dass ich noch mal das grüne Licht gesehen habe“. Einen neuerlichen Versuch, in Kitzbühel doch noch zu triumphieren, schloss Clarey trotz seiner starken Ergebnisse in der jüngeren Vergangenheit aus: „Es war mein letztes Mal Kitzbühel, ich will in guter Verfassung aufhören, bis zum Ende der Saison mache ich aber noch weiter.“

Feuz verabschiedet sich

Die letzte Abfahrt vor der Weltmeisterschaft war hingegen das letzte Rennen eines ganz Großen der Zunft. Beat Feuz beendete mit der zweiten Abfahrt auf der Streif, wo er in den vergangenen beiden Jahren dreimal gewinnen konnte, wie angekündigt seine Karriere. Der 35-Jährige hatte zu diesem Anlass zwar auf eine Verkleidung und eine Jux-Abfahrt verzichtet, begab sich aber zu Ehren seines letzten Rennens mit Startnummer 217 – der Anzahl seiner Weltcup-Starts – auf seinen letzten Ritt.

Feuz sagt Lebewohl

Der Schweizer Abfahrtsstar verabschiedete sich mit einer speziellen Nummer in die Skipension.

Auch wenn es sich mit 2,01 Sek. Rückstand auf Sieger Kilde für einen Spitzenplatz zum Abschluss nicht ausging, wurde der 35-Jährige von Schwarzenegger und Co. wie ein Sieger gefeiert. Im Ziel wurde der nunmehrige Skipensionist zudem von seiner Lebensgefährtin, der ehemaligen österreichischen Skiläuferin Kathrin Triendl, und den gemeinsamen Kindern empfangen. „Es geht mir sehr gut, es war ja auch ein Ende mit Ankündigung. Ich habe Wengen und Kitzbühel noch einmal mit allen, vor allem den Fans, genießen können. Es war wunderbar, es hat mich alles gefreut, aber jetzt ist auch gut“, sagte Feuz im ORF-Interview.

Der letzte Ritt sei aufgrund der Verhältnisse „ein wenig aufregend“ gewesen, „aber ich bin gesund im Ziel. Ich wäre ja ein Depp gewesen, wenn ich da noch gestürzt wäre“, sagte Feuz, der die Bühne als einer der erfolgreichsten Abfahrer aller Zeiten verlässt. Von seinen insgesamt 16 Siegen im Weltcup erzielte der Schweizer 13 in der Abfahrt. Dazu kommen WM-Gold 2017 und der Olympiasieg im Vorjahr in Peking. Von 2018 bis 2021 sicherte sich der 35-Jährige, der in seiner Karriere u. a. dreimal in Wengen und dreimal in Kitzbühel triumphiert hatte, viermal in Folge den Abfahrtsweltcup.

Saisonende für Schütter

Die Entscheidung von Feuz, sich künftig nicht mehr dem Risiko auf den Abfahrtspisten auszusetzen, war angesichts von neuerlich mehreren Stürzen auf der diesmal durch den Schneefall doppelt tückischen Streif nachzuvollziehen. Denn nicht nur Goldberg wurde in der Travers spektakulär abgeworfen, auch beim Sturz des Franzosen Cyprien Richard nach der Hausbergkante stockte den Fans der Atem. Doch sowohl der Amerikaner als auch der Franzose hatten Glück im Unglück und konnten selbst ins Ziel fahren.

Pech hatte hingegen Julian Schütter, der in der umgangsprachlich „U-Hakerl“ genannten scharfen Rechtskurve vor dem Steilhang zu Sturz kam. Der Steirer erlitt dabei einen Riss des vorderen Kreuzbandes sowie eine Meniskusverletzung im linken Knie. Das ergab eine MRT-Untersuchung in Kitzbühel. Die Saison ist für Schütter damit vorbei. „Schade, dass meine Saison so zu Ende geht, ich war mir aber des Risikos immer bewusst. Jetzt hoffe ich, dass die Operation gut verläuft und ich dann rasch mit der Rehabilitation beginnen kann“, sagte der 24-Jährige, der noch selbst ins Ziel hinunterfuhr, im Spital aber die erschütternde Diagnose bekam.