ÖFB-Interimspräsident Johann Gartner
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Fußball

Gartner übernimmt vorerst als ÖFB-Boss

Nach dem Rückzug von Gerhard Milletich wird Österreichs Fußballbund (ÖFB) ab sofort interimistisch von Johann Gartner angeführt. Der Präsident des Niederösterreichischen Verbandes (NÖFV) wurde am Freitag im Rahmen einer Präsidiumssitzung in Graz mit dieser Funktion betraut. Der 71-Jährige steigt damit vom ÖFB-Vizepräsidenten zum „Chef auf Zeit“ auf. Ein neuer Präsident soll dann in einer Außerordentlichen Hauptversammlung im Mai oder Juni gewählt werden.

Gartner folgt auf Milletich, der nach einem Zerwürfnis im Präsidium am Dienstag nach nicht einmal 16 Monaten im Amt seinen Rücktritt als ÖFB-Chef erklärt hatte. Gartner war als Chef des Niederösterreichischen Landesverbandes einer von vier ÖFB-Vizepräsidenten, die als Interimschef infrage gekommen waren. Eine Aussage des Langzeitfunktionärs zu seinem neuen Posten gab es vorerst nicht. Gartners Kür wurde kurz nach 15.00 Uhr bekannt.

Zwei Punkte dürften für den geschäftsführenden Chef des Präsidiums vorgegeben und in Stein gemeißelt sein: Er darf den Grundsatzbeschluss für das neue Trainingszentrum und die neue Geschäftsstelle des ÖFB in Wien-Aspern, den Gartner in seiner Funktion als NÖFV-Chef nicht mitgetragen hatte, nicht rückgängig machen. Außerdem muss er zum Zweck der Neuwahl des Präsidenten ehestmöglich eine Außerordentliche Bundeshauptversammlung einberufen.

Gartner interimistisch ÖFB-Präsident

Johann Gartner übernimmt interimistisch das Amt des ÖFB-Präsidenten. Nach dem Rücktritt von Gerhard Milletich hat sich der Vorstand am Freitag auf den niederösterreichischen Landespräsidenten geeinigt.

Der 71-jährige Gartner ist dem Fußball schon lange verbunden, hat dabei als Funktionär im niederösterreichischen Verband viel Erfahrung gesammelt. Von 1990 bis 2012 war er im NÖFV-Vorstand tätig, ab 2002 auch als dessen Präsident. Nach einer mehrjährigen Pause trat er das Chefamt bei einem der neun ÖFB-Landesorganisationen im April 2016 neuerlich an und hat es bis heute nicht aufgegeben.

ÖFB soll in „ruhige Gewässer“

„Eine meiner wesentlichen Aufgaben sehe ich darin, alle Präsidiumsmitglieder zu besuchen und in Vieraugengesprächen wesentliche Punkte anzusprechen. Ich will gewisse Handlungsweisen besser verstehen“, erklärte Gartner nach der gut zweistündigen Sitzung, in der er „Aufbruchsstimmung“ gespürt habe. „Ich will das Schiff in ruhige Gewässer führen. Ich sehe mich in meiner Rolle viel mehr als Mediator.“ Er stehe nur interimistisch zur Verfügung, es gelte nun auch, einen Wahlausschuss zu finden. „Es soll im März eine außerordentliche Sitzung geben, um den weiteren Plan zu besprechen und zu fixieren.“

Gartner, der betonte, einstimmig – bei eigener Enthaltung – gewählt worden zu sein, folgt auf Gerhard Milletich. Der hatte nach einem Zerwürfnis im Präsidium am Dienstag nach nicht einmal 16 Monaten im Amt seinen Rücktritt als ÖFB-Chef erklärt. Gartner war als Chef des niederösterreichischen Landesverbandes neben Bundesliga-Aufsichtsratschef Philip Thonhofer sowie Gerhard Götschhofer (Landesverband Oberösterreich) und Josef Geisler (Tirol) einer von vier ÖFB-Vizepräsidenten, die als Interimschef infrage gekommen waren. „Ich war von den Vizepräsidenten bereit, diese Funktion zu übernehmen“, erklärte Gartner.

EX-ÖFB-Präsident Gerhard Milletich und der jetzige ÖFB-Interimspräsident Johann Gartner beim Freundschaftsspiel am 29. März 2022 im Happel-Stadion gegen Schottland
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Gartner (r.) übernimmt nun von Milletich vorübergehend die erste Reihe beim ÖFB

„Es herrscht Betroffenheit ob der Situation“, gab Gartner an. Eine Situation, die nicht zuletzt durch „Diskussions- und Kommunikationsdefizite“ entstanden sei. „Das ist dann aufgebrochen.“ Der Freitag hätte so manches gelockert. „Durch fehlende Nachbesprechungen hat sich vieles aufgestaut. Mit Fortdauer des Nachmittags konnten wir Gewisses aufarbeiten und lösen. Die Gespräche sind dann sehr konstruktiv verlaufen. Wir haben alle wesentlichen Punkte angesprochen“, sagte Gartner.

Viele Risse im Vorstand

Einen interimistischen Präsidenten hatte der ÖFB zuletzt von November 2008 bis Februar 2009. Damals hatte nach dem Rücktritt von Friedrich Stickler vorübergehend Wiens Verbandschef Kurt Ehrenberger übernommen, ehe Leo Windner zum neuen ÖFB-Boss gewählt wurde. Milletich war bei der Kür seines Nachfolgers in Graz selbst nicht mehr anwesend. Von den Landesverbandschefs fehlte vor Ort der erkrankte Vorarlberger Horst Lumper, von den drei ebenfalls stimmberechtigten Bundesliga-Vertretern Vorstandschef Christian Ebenbauer.

Ohne Stimmrecht wohnten neben ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel, der Genderbeauftragten Isabel Hochstöger und Bundesliga-Vorstandsmitglied David Reisenauer auch Bernhard Neuhold, der Geschäftsführer der ÖFB Wirtschaftsbetriebe GmbH, und ÖFB-Geschäftsführer Thomas Hollerer der Sitzung bei. Das zerrüttete Verhältnis zwischen Neuhold und Hollerer war in den vergangenen Tagen Gegenstand von Medienspekulationen. Für den neuen Interimspräsidenten dürfte diesbezüglich Handlungsbedarf bestehen.

Der ÖFB war in der kurzen Ära Milletich nie zur Ruhe gekommen. Der Burgenländer hatte seit Beginn seiner Amtszeit im Oktober 2021 mit Gegenwind im Präsidium zu kämpfen – allen voran aus Salzburg, Oberösterreich und Tirol. Zuletzt ging ein regelrechter Riss durch das Gremium. Es gibt nur eine wichtige Sache: „Zusammenhalten, Zusammenarbeit, sich austauschen“, erklärte Salzburgs Landesverbandschef Herbert Hübel vor Sitzungsbeginn in Graz. „Der ÖFB muss geeint werden. Auch eine Verjüngung wäre nicht schlecht.“

Sager mit Aufregungspotenzial

Auch der nunmehrige ÖFB-Präsident Gartner lieferte immer wieder durch Interviewaussagen, die viel Staub aufwirbelten, Schlagzeilen. Das war etwa im Oktober 2017 der Fall, als Gartner in einem am Tag des WM-Qualispiels gegen Moldau in Chisinau (1:0) erschienenen Interview mit der „Kronen Zeitung“ preisgab, dass es innerhalb des ÖFB-Nationalteams Gruppenbildung gegeben und sich Starspieler David Alaba nicht an Vorgaben von Teamchef Marcel Koller gehalten habe.

Dem nicht genug, meinte Gartner kurz darauf in den „NÖN“ auf die Kritik von Spielern wie Julian Baumgartlinger, Marc Janko und Marko Arnautovic an der Entlassung von Koller angesprochen: „Da haben einige deutlich übers Ziel hinausgeschossen. Manchen fehlt’s da vielleicht an Intelligenz.“ Eine Entschuldigung folgte.

Für Aufsehen sorgte damals auch der Sager, dass man sich bei der Entscheidung für das Ende der Ära von ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner „bewusst für den Weg weg von der Wissenschaft und zurück zum Fußball“ entschieden hatte. Den Oberösterreicher Ruttensteiner bezeichnete Gartner zudem auch öffentlich als „Oberlehrer“. Was die Kommunikation nach außen betrifft, hätte also manches besser laufen können.

Förderer der Frauen

Sehr wohl gut gelaufen ist Gartners Tätigkeit bei der Förderung der Frauen. In Niederösterreich stand er dabei an vorderster Front, außerdem ist der Funktionär seit Jahren als Vorsitzender des Mädchen- und Frauen-Bereichs im ÖFB tätig. Dadurch war Gartner etwa auch bei der EM 2022 in England, in der für die ÖFB-Auswahl von Irene Fuhrmann erst im Viertelfinale gegen Deutschland Endstation war, als Delegationsleiter – meist ausgestattet mit einer Kappe – im Teamquartier mit dabei.

Einen Namen hat sich Gartner nicht nur im sportlichen Bereich gemacht. Auf politischer Ebene war der ÖVP-Politiker bis zum Jahr 2020 insgesamt 20 Jahre lang als Bürgermeister seiner im Bezirk Hollabrunn gelegenen Heimatmarktgemeinde Ziersdorf tätig. Beim heimischen SV Ziersdorf ist der gelernte Elektrotechniker und zweifache Vater seit 2015 Vereinspräsident.