Ricarda Haaser (AUT) mit Bronzemedaille
APA/EXPA/Johann Groder
Ski-WM

Freude und Ärger im Lager der ÖSV-Damen

Mit Rang drei in der Kombination hat Ricarda Haaser für einen gelungenen Auftakt der ÖSV-Damen bei der alpinen Ski-WM 2023 in Meribel gesorgt. So groß die Freude der Tirolerin über das überraschende Podest, so groß war der Ärger bei ihren Teamkolleginnen, deren Medaillenhoffnungen sich nach starkem Super-G im Slalom letztlich nicht erfüllen sollten.

Ramona Siebenhofer landete wie öfter bei Titelkämpfen als Vierte knapp hinter dem Podest und ließ ihren Tränen freien Lauf, Franziska Gritsch – nach dem Super-G vor Haaser Siebente, gelang in ihrer Paradediszplin mit sechstbester Laufzeit nicht der erhoffte Sprung auf das Stockerl, während Titelverteidigerin und Favoritin Mikaela Shiffrin im Slalom drei Tore vor dem Ziel sogar ausschied und Haaser damit zum Podestplatz hinter der neuen Weltmeisterin Federica Brignone (ITA) und Wendy Holdener (SUI) verhalf.

In 149 Weltcup-Rennen seit ihrem Debüt in Levi 2013 war Haaser nie unter den besten drei, zehnmal in den Top Ten. Auf den absoluten Durchbruch wartete die 29-Jährige vergeblich. Ausgerechnet bei der WM sollte er gelingen. Zugleich war die Medaille Balsam auf die Wunden der ÖSV-Damen, die wegen ihrer sieglosen Weltcup-Saison in der Kritik standen und ohne allzu große Erwartungen nach Frankreich gereist waren.

Siegerehrung mit strahlenden Gesichtern

Ricarda Haaser (r.) bei der Siegerehrung mit Wendy Holdener (l.) und Weltmeisterin Federica Brignone

„Checke das noch gar nicht“

Edelmetall im ersten Rennen machte Lust mehr. „Der Hügel könnte uns liegen. Ich glaube, da kommt noch viel“, sagte Haaser. Ihren Erfolg in der Kombi nahm sie gewohnt gelassen. „Ich checke das noch gar nicht, was da gerade passiert ist“, sagte sie. „Erstes Podium, erste Medaille. Es war sicher gutes Skifahren und ich bin glücklich darüber, wie es ausgegangen ist. Aber was ich damit emotional jetzt anfangen soll, weiß ich nicht. Aber ich bin richtig glücklich gerade.“

Einem Erfolg wie diesem war sie in den vergangenen Jahren vergeblich hinterhergefahren. Und so gab sie die Medaille auch nicht als Ziel aus, obwohl sie innerlich fest daran glaubte. „Wenn andere patzen und ich meine Chance nütze, wusste ich, dass sie möglich ist“, sagte Haaser, Schwester von Raphael Haaser, der am Dienstag (11.00 bzw. 14.30 Uhr, live in ORF1) in der Kombination überraschen und damit nachziehen könnte.

Ricarda Haaser (AUT) im Slalom
GEPA/Mathias Mandl
Mit drittbester Laufzeit im Slalom machte Haaser das Unmögliche nach Platz acht im Super-G noch möglich

Mit der nötigen Lockerheit

Für seine Schwester war Bronze eine Genugtuung. Stolz schwang ohne große Emotionen mit. „Ich habe mir schon öfter die Frage gestellt, ob ich das alles noch will oder ob es sich auszahlt. Und ob ich jemals auf das Podium kommen würde", sagte Haaser. In dieser Saison war mein Speed gut, beim Ergebnis schaute aber wieder nichts heraus. Dann machte ich mir Mut und konzentrierte mich nur auf mich selbst, es hat funktioniert.“

Mit einem Grinsen notierte sie die drittbeste Laufzeit im Slalom, mit der sie neben Gritsch die Schweizer Spezialistin Michelle Gisin hinter sich ließ. „Dass ich so gut Slalom fahre, hätten viele wohl nicht gedacht“, so Haaser. „Aber ich komme vom Slalom, und so schnell verlernt man das nicht.“ Das Stangentraining zuletzt habe sie beflügelt. „Ich fühlte mich wohl, die Füße waren spritzig, ich war beweglich und hatte alles Kontrolle. Genau das wollte ich in der Kombi abrufen.“

Endlich fuhr die Lockerheit mit, die ihr sonst gefehlt hatte. Ihre Trainingsleistungen konnte sie davor nie umsetzen. „Ich wollte es im Rennen immer noch besser machen und machte es schlechter. Ich wusste aber: Ich kann ja nicht immer leer ausgehen, muss auf den Erfolg nur warten. Ich habe schon stark daran geglaubt, dass ich das schaffen kann. Und jetzt endlich ist es mir gelungen“, sagte Haaser.

Tränen bei Siebenhofer

Mit Haaser freuten sich die Teamkolleginnen, obwohl bei ihnen der Ärger über die vergebene Medaille fast überwog. Besonders bei Siebenhofer – mit bisher drei fünften und einem vierten WM-Platz im Gepäck war sie nach Frankreich gekommen, ein weiterer vierter Platz kam hinzu. Für Gritsch war Platz fünf das bisher beste WM-Ergebnis im sechsten Versuch. In Aare vor vier Jahren war sie in der Kombination Achte geworden.

Ramona Siebenhofer (AUT)
GEPA/Daniel Goetzhaber
Siebenhofer fuhr an ihrer ersten WM-Medaille erneut knapp vorbei

„Langsam bin ich gefasster“, sagte Siebenhofer. "Mehr ist immer drinnen, es hat wieder einmal nicht zur Medaille gereicht. In der Kombi könne viel passieren, sie könne sich keinen Vorwurf machen. „Ich habe zweimal alles hineingelegt und zweimal eine ansprechende Leistung gezeigt. Ist halt wieder nur der vierte Platz geworden, das tut wirklich weh“, so Siebenhofer.

Mut schöpfte sie mit Platz fünf nach dem Super-G, der ihr Kraft für den Spezialbewerb am Mittwoch (11.30 Uhr, live in ORF1) gab. Siebenhofer nimmt erneut Anlauf zur ersten WM-Medaille. „Das hilft sicher. Auf dieser Leistung muss ich aufbauen. Ich hau jetzt sicher nicht den Hut drauf, sondern kämpfe weiter und nehme das Positive aus der Kombi mit. Es hilft eh nichts.“

„WM kein Wunschkonzert“

Ähnliches galt für Gritsch, die nach dem Super-G die Medaille im Slalom, so der Eindruck, nur hätte abholen müssen. Nach verbremster Fahrt blieb die Tirolerin weit dahinter. „Mit dem Slalom bin ich nicht zufrieden. Ich hab schon oben weg nicht gut ins Rennen und keinen Rhythmus gefunden. Es war extrem schwer, den Ski freizugeben. Es ist mir nicht gelungen“, so Gritsch.

Nach Ausreden suchte die 25-Jährige erst gar nicht. „Die WM ist kein Wunschkonzert. Da müssen wir alle unsere sieben Sachen beieinander haben. Aber ich weiß, dass ich in guter Verfassung bin, den Rest gilt es abzuhaken. Je schneller, umso besser“, so Gritsch, um Haaser zugleich zu gratulieren: „Ich freue mich für Ricarda. Sie hat schwere Jahre hinter sich. Die Medaille hat sie sich verdient.“