ÖSV-Fahrerin Katharina Liensberger
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Ski alpin

Skiverband steckt im Schlamassel

Auch in Saison Nummer vier nach den Rücktritten von Anna Veith und Marcel Hirscher, dem langjährigen Aushängeschild, ist Österreichs Skiverband (ÖSV) im Weltcup ohne Glanz geblieben. Der Ruhm alter Zeiten ist verblasst, mehr als gutes Mittelmaß kann den österreichischen Skisportlerinnen und Skisportlern – mit Ausnahmen – nicht attestiert werden. Die Arrivierten haben ihren Zenit fast erreicht – von der Basis drängt niemand nach.

Darüber hinwegtäuschen könnte die ÖSV-Bilanz im Europacup der Damen – Dreifachsieg: Nadine Fest gewann die Gesamtwertung vor Michaela Heider und Christina Ager. Wo sind sie im Weltcup geblieben? Als Zukunftshoffnungen mögen sie mit 24 bzw. 27 Jahren (Heider, Ager) nicht mehr durchgehen. In der Riesentorlauf-Gesamtwertung wurde Elisabeth Kappaurer Zweite. Das beste Weltcup-Ergebnis der 28-Jährigen bei bisher 34 Starts war Platz elf in der Kombi von Crans Montana im Februar 2017.

Vincent Kriechmayr, Super-G-Weltcup-Gesamtsieger 2020/2021, in dieser Saison mit vier Abfahrtssiegen, Marco Schwarz als kommender Speed-Star mit Siegpotenzial in den technischen Bewerben und somit Aspirant auf einen Spitzenplatz im Gesamtweltcup hinter Überflieger Marco Odermatt oder Techniker Manuel Feller sind die einen. Cornelia Hütter und Nina Ortlieb im Speed-Bereich der Damen sind etwa die anderen ÖSV-Asse mit Potenzial. Als Nachwuchshoffnungen gehen auch sie nicht mehr durch.

Trainerkarussell dreht sich

Mit dem Ende der Weltcup-Saison haben die Spekulationen über Veränderungen im Trainerstab des ÖSV begonnen. Eine durchwachsene Saison muss aufgearbeitet werden.

Der Rücktritt von Matthias Mayer, die Verletzung von Max Franz, die Formkrise von Katharina Liensberger – all das mag bei Damen und Herren eine Rolle gespielt haben. Warum der Erfolg der einstigen Skination Nummer eins mit wenigen Namen steht und fällt, bleibt zu hinterfragen. Im Nationencup ging sich insgesamt Platz zwei hinter der Schweiz aus, obwohl die Damen (hinter Schweiz und Italien) und die Herren (hinter Schweiz und Norwegen) jeweils nur Dritter geworden sind.

ÖSV-Fahrer Vincent Kriechmayr
GEPA/Mathias Mandl
Mit vier Abfahrtssiegen war Vincent Kriechmayr die Lichtgestalt im ÖSV-Team in der vergangenen Saison

Nachhecheln im Nationencup

Zum dritten Mal in vier Jahren ging der Nationencup also an die Schweiz. Der Vorsprung von 2.589 Punkten auf Österreich scheint rekordverdächtig. In der vergangenen Saison hatte das ÖSV-Team quasi als Abschiedsgeschenk für Langzeitpräsident Peter Schröcksnadel noch einmal den Nationencup für sich entschieden, neben der Abfahrt das Steckenpferd des Tirolers. In der ersten Saison von Roswitha Stadlober in den großen Fußstapfen von Schröcksnadel ging es im alpinen Bereich in jeder Hinsicht bergab.

Gerade im Bereich der Frauen. „In den Speed-Disziplinen waren auch positive Rennen, aber in den technischen Disziplinen kann man wenig schönreden. Das muss man angehen“, sagte ORF-Expertin Alexandra Meissnitzer nach dem Weltcup-Finale in Soldeu. „Man muss sich überlegen, wie man vor allem Liensberger wieder aufbaut. Vielleicht mit mehr freiem Fahren. Es ist schade, weil sich die Damen unter ihrem Wert verkauft haben. Aber ich denke, man hat jetzt sieben Monate Zeit bis Sölden, dass wieder was geht.“

ÖSV-Cheftrainer Thomas Trinker
GEPA/Harald Steiner
Damen-Cheftrainer Thomas Trinker schaute auf eine durchwachsene Saison zurück

Sieben Saisonsiege waren die geringste ÖSV-Ausbeute seit 38 Jahren. Neben Kriechmayr gewannen Schwarz, Hütter und Ortlieb ein Rennen. Trist war die Bilanz der ÖSV-Technikerinnen mit nur einem dritten Platz in 21 Slaloms und Riesentorläufen. Der gelang Katharina Trupper im Killington-Slalom im November. Achtbar schlugen sich Damen und Herren beim Saisonhöhepunkt, der WM in Courchevel/Meribel, mit drei Silber- und vier Bronzemedaillen. Erstmals seit 1987 in Crans Montana war das ÖSV-Team allerdings ohne Gold nach Hause gekommen.

Misstrauen vs. Selbstvertrauen

Am Ende der Saison schauten viele verdattert aus der Wäsche. „Wir haben uns doch einiges mehr erwartet. Bei den Technikerinnen war von Beginn an der Wurm drinnen. Viel Misstrauen, kein Selbstvertrauen – da hat sich keine mehr erfangen. Da muss man schauen, wo man schrauben kann. Es ist wichtig, die Vertrauensbasis wiederherzustellen. Natürlich auch personell. Da ist sicher Handlungsbedarf“, sagte ÖSV-Sportdirektor Herbert Mandl.

Damen-Cheftrainer Thomas Trinker, der wie Mandl seine erste Saison in dieser Position bestritten hatte, sagte: „Die Saison war medium, sie war nicht ganz gut, aber auch nicht ganz schlecht. Wir hatten richtig harte Rennen und einige Highlights. In Summe sehe ich eine gute Mannschaft, und wir werden an Lösungen arbeiten, dass wir uns nächste Saison besser präsentieren.“

ÖSV-Sportdirektor Herbert Mandl
GEPA/Daniel Goetzhaber
Sportdirektor Herbert Mandl ortet Handlungsbedarf

Trainerrochade kündigt sich an

Tatsächlich dürften die Umbauarbeiten vorerst im Damen-Bereich schon begonnen haben – Kurskorrektur statt Kontinuität. Im zweiten Jahr in Folge kündigt sich eine Trainerrochade an. Speed-Chef Alexander Hödlmoser und Speed-Gruppentrainer Florian Scheiber wollen sich beruflich verändern, ihr Abgang dürfte fix sein. Technik-Chef Georg Harzl scheint angezählt. „Es wird dort sicher Änderungen geben. Wenn die ganze Mannschaft eigentlich eine Talwärtsfahrt erlebt, dann muss man handeln“, sagte Mandl.

Jetzt, nach dem Saisonende, werde es laut Mandl Gespräche geben. „Dann muss man für sich überlegen, wo es nicht so funktioniert hat. Wir brauchen uns da nichts vormachen, speziell bei den Technik-Damen haben wir überhaupt nicht reüssiert. Im Speed-Bereich hat die Mannschaft auch mehr Potenzial, als sie gezeigt hat“, so Mandl. Nicht alles werde sich ändern, manches wohl. Im Herren-Bereich ortete Mandl „ein gutes Miteinander“ in den Gruppen. Herren-Chefcoach Marko Pfeifer: „Ich habe einen sehr guten Trainerstab und setze auf Kontinuität.“ Wie es um Österreichs Nachwuchs steht, ist eine andere Geschichte.