Michael Gregoritsch, jubelnd
GEPA/Manuel Binder
EM-Qualifikation

Gregoritsch erlebt Achterbahn der Gefühle

„Das war einer der besten Momente meiner Karriere.“ Als Michael Gregoritsch in der 88. Minute den 2:1-Siegestreffer gegen Estland erzielte, ist dem ÖFB-Stürmer am Montag „sehr viel vom Herzen gefallen“. Der Steirer durchlebte in Linz eine Achterbahn der Gefühle und avancierte nach seinem verschossenen Elfmeter vom Pechvogel doch noch zum Helden. Die Dramaturgie wird aber kosten, wie der 28-Jährige lächelnd anmerkte: „Ich muss die Mannschaft beim nächsten Lehrgang in jedem Fall auf ein Essen einladen.“

„Das wird teuer“, sagte Kapitän David Alaba in der Kabine, wie ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick im ORF-Interview mit einem Lächeln wissen ließ. Gegen den Außenseiter aus Estland hätte Österreich vor allem durch Gregoritsch früh alle Weichen auf Sieg stellen können. So wurde es eine Zitterpartie – samt Happy End für den Angreifer. Unmittelbar nach dem Spiel sagte dieser nach seinem neunten ÖFB-Tor: „Das reicht mir heuer auf der Achterbahnfahrt der Gefühle. Ich muss mich beim Team entschuldigen, dass ich es ihm so schwergemacht habe.“

Gregoritsch, der später gelöst wirkte, war erst noch gezeichnet, die unfreiwillige Aufholjagd hatte den Freiburg-Stürmer nicht nur körperlich erschöpft. „Jetzt geht es mir emotional deutlich besser, kurz nach dem Spiel war ich sehr ausgelaugt. Aber ich bin einfach überglücklich. Wir alle haben uns diesen Sieg erarbeitet“, erklärte der Angreifer, dessen erlösender Siegestreffer für sicht-, hör- und spürbare Erleichterung in der ausverkauften Arena in Linz gesorgt hatte.

ÖFB-Team erfüllt EM-Plansoll

Nach zwei Siegen steht Österreich in der EM-Qualifikation an der Spitze der Gruppe F. Der hart erkämpfte Sieg gegen Estland gibt Zuversicht für die Juni-Partien gegen Belgien und Schweden. Teamchef Ralf Rangnick war von der Energie und dem Zusammenhalt des Teams angetan.

„Vergraben kann ich mich nicht“

Überhaupt wird Gregoritsch diese beiden Spiele in Linz nicht so schnell vergessen. Auch schon beim 4:1 am Freitag gegen Aserbaidschan ließ er beim Stand von 0:0 eine Topchance aus. „Vergraben kann ich mich nicht, aber heute hätte ich es am liebsten gemacht", so der Linksfuß, der nach acht Treffern erstmals einen Elfmeter in einem Pflichtspiel nicht ins Tor bugsierte. Dieses Mal ging der Ball an die Latte, und fast ungläubig blickte Gregoritsch dem Leder, das sich wieder senkte, nach.

Michael Gregoritsch, enttäuscht
GEPA/Manfred Binder
Gregoritsch hätte sich nach seinem verschossenen Elfmeter nur allzu gerne im Linzer Rasen vergraben

Nachdem Alaba und Marcel Sabitzer nicht auf dem Platz standen und Marko Arnautovic überhaupt verletzt fehlte, trat Gregoritsch an. Das war auch mit Rangnick so besprochen. „Das war keine Sekunde ein Thema“, bestätigte der Deutschland-Legionär, der im Nachbarland schon acht Saisontreffer erzielte. „Aber wenn du ihn verschießt und dann gehst du auch noch daheim 0:1 gegen Estland in Rückstand, dann wird es extrem schwer, denn sie verteidigen das einfach sehr gut.“

Wiedergutmachung als Antrieb

Aber Gregoritsch arbeitete von der ersten bis zur letzten Minute. „Vielleicht habe ich mich früher auch schon mal in verschiedenen Spielen aufgegeben, heute war das keine Sekunde ein Thema.“ Bereits nach wenigen Sekunden hatte er einen Ball gegen Torhüter Karl Hein erobert, was ihm Applaus von den Rängen einbrachte. Diese vielen langen Wege ging der Angreifer fast 90 Minuten lang, auch weil ihn Rangnick nicht vom Feld nahm. Gregoritsch, der anstelle von Arnautovic nun zweimal in Folge in der Startelf stand, kam in seinen 44 Länderspielen davor erst einmal über die volle Distanz zum Einsatz.

Michael Gregoritsch mit Ball
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Gregoritsch ließ nichts unversucht, seinen verschossenen Elfmeter wieder auszubügeln

„Ich bin sehr glücklich, dass mich der Trainer so lange auf dem Platz gelassen hat, das ist ja auch nicht selbstverständlich“, merkte der Pechvogel an, der dann eben selbst noch seine Leidensgeschichte beendete. Dabei paarten sich Talent (Ballannahme) und Glück (Schuss wurde doppelt abgefälscht). „Christoph Baumgartner bringt den Ball von der Seite, ich rufe zu Kevin (Danso, Anm.), damit er durchlässt, habe Platz und schieße ihn rein. Da ist mir viel vom Herzen gefallen“, skizzierte Gregoritsch. Das konnte man seinem Jubel durchaus ablesen.

„Nationalteam bedeutet mir fußballerisch alles“

„Es bedeutet mir fußballerisch alles, im Nationalteam zu sein. Das ist für mich etwas ganz Besonderes. Ich hatte während des Spiels schon den einen oder anderen Gedanken, dass es für mich persönlich sehr schwer werden könnte. Das hat mich angetrieben. Ich bin jetzt einfach überglücklich“, betonte Gregoritsch nach diesem Karrierehighlight, das er auf eine Stufe mit dem EM-Tor gegen Nordmazedonien stellte.

Michael Gregoritsch, jubelnd
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Das Tor zum 2:1 war für Gregoritsch „einer der besten Momente meiner Karriere“

Auch seine Kollegen freuten sich für ihn. „Ich habe ihm gesagt, dass er heute noch eines machen wird. Weil er auch wieder gearbeitet hat wie ein Schwein. Dann fallen dir die Bälle auch einmal vor den Fuß, und er schießt ihn rein“, jubelte Baumgartner. „Er zeigt es speziell heuer und straft viele Lügen, die ihn oft abgeschrieben haben. Ich kenne keinen, der so oft abgeschrieben wurde und so oft zurückgekommen ist.“

EM-Qualifikation, Gruppe F, zweiter Spieltag

Montag:

Österreich – Estland 2:1 (0:1)

Linz, Raiffeisen Arena, 16.500 Zuschauer (ausverkauft), SR Jorgji (ALB)

Torfolge:
0:1 Sappinen (26.)
1:1 Kainz (68.)
2:1 Gregoritsch (88.)

Österreich: Lindner – Posch (82./Onisiwo), Daniliuc (46./Alaba), Danso, Mwene – Laimer, Seiwald, D. Ljubicic (46./Adamu) – Baumgartner (92./Schmid), Gregoritsch, Wimmer (61./Kainz)

Estland: Hein – Paskotsi, Tamm, Mets – Sinyavskiy, K. Vassiljev, Käit, Miller (78./Shein), Pikk (91./Tunjov) – Zenjov (91./Reinkort), Sappinen (84./Ojamaa)

Anmerkung: Gregoritsch schoss einen Elfmeter an die Latte (17.)

Gelbe Karten: keine bzw. Paskotsi, Käit, Sinyavskiy