Olympisches Logo vor ICO-Hauptquartier
APA/AFP/Fabrice Coffrini
Sportpolitik

Internationaler Sport vor Zerreißprobe

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat am Dienstag am ersten Tag der dreitägigen Sitzung der IOC-Spitze in Lausanne die Wiederzulassung russischer und belarussischer Sportlerinnen und Sportler als neutrale Athletinnen und Athleten zu internationalen Wettbewerben empfohlen. Sportlerinnen und Sportler aus beiden Ländern mit Verbindung zu Militär und Sicherheitsorganen sollen dem Beschluss der IOC-Spitze zufolge aber ausgeschlossen bleiben. Eine Entscheidung über eine Teilnahmeerlaubnis für Russen und Belarussen für die Olympischen Spiele 2024 in Paris werde aber erst zu einem späteren Zeitpunkt getroffen, betonte IOC-Präsident Thomas Bach.

Nach dem Willen des olympischen Dachverbands dürfen weiterhin keine internationalen Wettbewerbe in Russland und Belarus stattfinden. Regierungsvertreter aus beiden Ländern dürfen nicht zu Wettkämpfen eingeladen werden. Athletinnen und Athleten müssen auf Flagge, Hymne und Symbole ihrer Heimatnationen verzichten und sich an die Anti-Doping-Bestimmungen halten. Sie dürfen nur an Wettbewerben teilnehmen, wenn sie den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine nicht aktiv unterstützen. „Wir stehen zu unseren olympischen Werten“, sagte Bach.

Der olympische Dachverband um Präsident Bach hatte für eine Rückkehr von Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus in internationale Wettkämpfe plädiert, weil diese sonst dauerhaft diskriminiert würden. Politik dürfe keinen Einfluss auf den Sport nehmen, betonte Bach zuletzt immer wieder. Der IOC-Chef appellierte an die Politik, bei der Entscheidung über eine Rückkehr russischer und belarussischer Athletinnen und Athleten zu internationalen Wettkämpfen die Autonomie des Sports anzuerkennen. „Die Werte des Sports können wir nur entfalten, wenn die Politik diese Werte respektiert“, so Bach in einer Rede zu „Olympia im Spannungsfeld von Sport und Politik“ vergangene Woche.

IOC will russische Sportler wieder zulassen

IOC-Präsident Thomas Bach hat klar Stellung in der Diskussion über eine mögliche Wiederzulassung von russischen und weißrussischen Athletinnen und Athleten bezogen. Die Gesperrten sollen unter neutraler Flagge an den Start gehen dürfen.

Wenn die Politik aus politischen Gründen Entscheidungen treffe, wer an sportlichen Wettkämpfen teilnehmen könne oder nicht, dann würden der Sport und die Athletinnen und Athleten „nur zu einem bloßen Instrument der Politik. Dann ist es unmöglich für den Sport, seine verbindenden Werte zu vermitteln“, betonte der 69-jährige Fechtolympiasieger von 1976. In Reden der Politiker werde diese Autonomie hochgepriesen. Diesen Worten und Erklärungen würden aber nicht immer Taten folgen.

Ukraine droht mit Boykott

Widerstand gegen den Kurs des IOC gibt es vor allem aus der Ukraine und einer Reihe von westlichen Ländern. Die Ukraine verweist darauf, dass viele russische Spitzensportlerinnen und Spitzensportler auch Angehörige des russischen Militärs sind. In einer Schalte von IOC-Chef Bach mit Nationalen Olympischen Komitees am Vorabend der IOC-Beratungen erinnerte der ukrainische Sportminister Wadym Gutzajt daran, dass bereits 262 ukrainische Sportler und Trainer im Krieg mit Russland getötet worden seien.

Die Ukraine fordert die totale Isolation aller Russinnen und Russen im Sport und droht sogar mit einem Boykott der Olympischen Spiele 2024 in Paris. „Es ist für uns ein Dilemma und eine vollkommen neue Situation. Denn bisher hat keine Regierung und kein Athlet aus Konfliktländern eine totale Isolierung gefordert – oder mit Boykott gedroht“, erklärte Bach. „Wenn wir einen Ausschluss nach politischen Gesichtspunkten vornehmen, stehen wir vor einem Verfall des internationalen Sportsystems.“

Dann würde es keine wirklichen Weltmeisterschaften und universellen Spiele mehr geben, so der Deutsche und warnte: „Wir werden Spiele verschiedener politischer Blöcke erleben, die mit diesem verbindenden Charakter von Sport über alle Grenzen hinweg nichts mehr zu tun haben.“ Darauf würden Nationale Olympische Komitees aus Afrika, Asien, Amerika, Ozeanien und auch aus Teilen Europas hinweisen.

IOC-Konferenz
Reuters/Denis Balibouse
Die Exekutive des IOC tagt in Lausanne, es geht um die Frage der Wiederzulassung russischer und belarussischer Sportler

Entscheidung über Olympiazulassung noch offen

Das IOC hat hingegen noch keinen Zeitplan für eine Entscheidung über eine Olympiazulassung von russischen und belarussischen Athletinnen und Athleten. „Wir werden diese Entscheidung zu einem geeigneten Zeitpunkt treffen“, erklärte Bach. Vielmehr wolle man erst abwarten und überprüfen, wie die Kriterien für die vom IOC empfohlene Rückkehr von Sportlern und Sportlerinnen als neutrale Athleten zu internationalen Sportwettkämpfen eingehalten werden. „Es ist eine extrem komplizierte Situation, in der sich jeden Tag, jeden Monat etwas verändern kann“, sagte der Deutsche am Dienstag.

Nach Regel 44.1 der Olympischen Charta muss das IOC ein Jahr vor Eröffnung der Olympischen Spiele Einladungen an die Nationalen Olympischen Komitees versenden. Für die Sommerspiele 2024 in Paris wäre der 26. Juli 2023 der späteste Zeitpunkt.

Kogler gegen Wiederzulassung von Russen

Österreichs Sportminister Werner Kogler hatte sich bereits im Februar strikt gegen eine Teilnahme Russlands an den Sommerspielen 2024 in Paris ausgesprochen: „Es ist für ukrainische Athletinnen und Athleten schlichtweg unzumutbar, im Kampf um Medaillen gegen russische und belarussische Sportlerinnen und Sportler anzutreten.“ Das Österreichische Olympische Comite (ÖOC) folgt hingegen der IOC-Linie, was für Vizekanzler Kogler nicht nachvollziehbar ist.