Hauptquartier der IOC
Reuters/Denis Balibouse
Sportpolitik

IOC-Empfehlung zu Russland in der Kritik

An der Empfehlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) für die Wiederzulassung russischer und belarussischer Sportlerinnen und Sportler als neutrale Athletinnen und Athleten zu internationalen Wettbewerben gab es scharfe Kritik. Der frühere ukrainische Boxweltmeister Wladimir Klitschko warf IOC-Präsident Thomas Bach vor, den „Farben und Interessen Russlands“ zu dienen. Der polnische Vizeaußenminister Piotr Wawrzyk sprach von einem „Tag der absoluten Schande“ für das IOC.

Die Empfehlung des IOC an die Weltverbände, die ausgeschlossenen Athletinnen und Athleten unter Bedingungen wie einer „neutralen Fahne“ wieder zuzulassen, bezeichnete Klitschko als „falsche Flagge". Der Olympiasieger von 1996 schrieb auf Twitter: „Diese Entscheidung verseucht den olympischen Geist und ist wie dieser Krieg: ein Unsinn.“ Seit dem russischen Angriffskrieg in seiner Heimat gehört Klitschko zu den größten Kritikern Bachs.

Polen, Nachbarland der Ukraine, bezeichnete die IOC-Empfehlung als Skandal. Diese sei ein „Verrat am wahren Geist des Sports“, schrieb Regierungschef Mateusz Morawiecki am Dienstagabend auf Twitter. „Wir werden alles tun, was wir können, um sicherzustellen, dass der Sport frei von russischem Einfluss bleibt.“ Die Entscheidung gebe Kreml-Chef Wladimir Putin ein Argument für seine Propaganda, dass der Westen trotz des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine nachgegeben habe.

Heftige Kritik an IOC-Präsident Bach

Der IOC-Präsident Thomas Bach wird aktuell heftig kritisiert. Am Dienstag gab das Internationale Olympische Kommitee seine Empfehlungen ab. Kritik kommt auch aus Russland.

„Schlag ins Gesicht“

Auch die deutsche Bundesinnenministerin Nancy Faeser verurteilte die IOC-Entscheidung mit scharfen Worten. In einer Mitteilung sprach die SPD-Politikerin angesichts des andauernden Angriffskrieges gegen die Ukraine von einem „Schlag ins Gesicht der ukrainischen Sportlerinnen und Sportler“. Faeser betonte: „Es gibt keinerlei Grund für eine Rückkehr Russlands in den Weltsport.“

Das IOC hatte die Rufe als unzulässige Einmischung der Politik in die Belange des Sports zuletzt immer wieder scharf zurückgewiesen. „Es ist nicht Sache der Regierungen zu entscheiden, welche Athleten an welchen internationalen Wettkämpfen teilnehmen dürfen“, hieß es in einem IOC-Statement. „Das wäre das Ende des Weltsports, wie wir ihn heute kennen“, betonte der olympische Dachverband.

Tagung im Hauptquartier der IOC
Reuters/Denis Balibouse
Die Exekutive des IOC tagt seit Dienstag in Lausanne, die Sitzung soll ingesamt drei Tage dauern

Ukraine droht mit Boykott

Widerstand gegen den Kurs des IOC gibt es auch aus der Ukraine und einer Reihe von westlichen Ländern. Die Ukraine verweist darauf, dass viele russische Spitzensportlerinnen und Spitzensportler auch Angehörige des russischen Militärs sind. In einer Schalte von IOC-Chef Bach mit Nationalen Olympischen Komitees am Vorabend der IOC-Beratungen erinnerte der ukrainische Sportminister Wadym Hutzajt daran, dass bereits 262 ukrainische Sportler und Trainer im Krieg gegen Russland getötet worden seien.

Die Ukraine droht auch mit dem Boykott internationaler Wettbewerbe bis hin zu Olympia, um Aufeinandertreffen mit Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus zu vermeiden. Bereits im Februar hatten die Sportminister aus 35 Ländern in einer gemeinsamen Erklärung den weiteren Ausschluss russischer und belarussischer Sportlerinnen und Sportler gefordert. Neben Österreich mit Sportminister Werner Kogler (Grüne) hatten auch andere Topsportnationen wie Deutschland, Großbritannien, die USA, Australien, Japan und Frankreich diese Haltung unterstützt.

Auch Zuspruch für IOC-Empfehlung

Aus anderen Teilen der Welt erhält das IOC hingegen Rückendeckung für eine Aufhebung des seit Beginn des Krieges geltenden Banns. Vor allem in Afrika, Asien, Südamerika und Ozeanien findet die Rückkehr von Russen und Belarussen viele Befürworter. Auch das Österreichische Olympische Comite (ÖOC) hatte sich zuletzt für eine Olympiateilnahme russischer bzw. belarussischer Athletinnen und Athleten ausgesprochen.

IOC will russische Sportler wieder zulassen

IOC-Präsident Thomas Bach hat klar Stellung in der Diskussion über eine mögliche Wiederzulassung von russischen und belarussischen Athletinnen und Athleten bezogen. Die Gesperrten sollen unter neutraler Flagge an den Start gehen dürfen.

„Der Grundgedanke der Olympischen Spiele und des internationalen Sports ist, politische Spaltungen und Aggressionen nicht zu vertiefen“, sagte Generalsekretär Peter Mennel Anfang Februar gegenüber dem „Standard“. „Die Athletinnen und Athleten sollen nicht leiden“, meinte Mennel weiter. Sympathiebekundungen für Russlands Krieg seien freilich nicht denkbar. „Wer den Krieg aktiv unterstützt, wird nicht teilnehmen dürfen.“

Russlands Sportminister Oleg Matyzin beklagte unterdessen die „inhumane“ IOC-Entscheidung. Generell wurde aus Moskau die begrenzte Zulassung kritisiert. „Die verkündeten Parameter und Kriterien der Rückkehr von Russen zu den internationalen Starts sind absolut unzumutbar“, teilte Russlands Nationales Olympisches Komitee (NOK) mit. Immerhin sei die Entscheidung des IOC ein „Eingeständnis des eigenen Fehlers“, russische Sportlerinnen und Sportler von den internationalen Wettbewerben völlig auszuschließen.

IOC-Präsident Thomas Bach
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IOC-Präsident Bach verteidigt die Empfehlung für die Wiederzulassung von Russen und Belarussen im Sport

Olympiazulassung noch offen

Eine Entscheidung über eine Teilnahmeerlaubnis für Russen und Belarussen für die Olympischen Spiele 2024 in Paris werde allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt getroffen, betonte IOC-Präsident Bach. Einen genauen Zeitplan dafür gibt es aber noch nicht. Vielmehr wolle man erst abwarten und überprüfen, wie die Kriterien für die vom IOC empfohlene Rückkehr von Sportlerinnen und Sportlern als neutrale Athletinnen und Athleten zu internationalen Sportwettkämpfen eingehalten werden.

„Es ist eine extrem komplizierte Situation, in der sich jeden Tag, jeden Monat etwas verändern kann“, sagte der deutsche IOC-Präsident am Dienstag. Nach Regel 44.1 der Olympischen Charta muss das IOC ein Jahr vor Eröffnung der Olympischen Spiele Einladungen an die Nationalen Olympischen Komitees versenden. Für die Sommerspiele 2024 in Paris wäre der 26. Juli 2023 der späteste Zeitpunkt.

„Wir stehen zu unseren olympischen Werten“

Sportlerinnen und Sportler aus beiden Ländern mit Verbindung zu Militär und Sicherheitsorganen sollen dem Beschluss der IOC-Spitze vom Dienstag zufolge aber ausgeschlossen bleiben. Nach dem Willen des olympischen Dachverbands dürfen weiterhin keine internationalen Wettbewerbe in Russland und Belarus stattfinden. Regierungsvertreter aus beiden Ländern dürfen nicht zu Wettkämpfen eingeladen werden.

Athletinnen und Athleten müssen auf Flagge, Hymne und Symbole ihrer Heimatnationen verzichten und sich an die Anti-Doping-Bestimmungen halten. Sie dürfen nur an Wettbewerben teilnehmen, wenn sie den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine nicht aktiv unterstützen. „Wir stehen zu unseren olympischen Werten“, sagte Bach.