Illustrationen von Ryan Reynolds und Rob McElhenney im Stadion des AFC Wrexham
IMAGO/Kieran McManus
Fußball

Wrexham oder der wahre FC Hollywood

Filmreif und Hollywood sind Begriffe, die sich Fußballbeobachter gerne für denkwürdige Spiele oder die internen Scharmützel bei Bayern München für ihre Zwecke ausborgen. Doch auf kein Team treffen diese Schlagworte aktuell so zu, wie auf den sportlichen Stolz der nordwalisischen Stadt Wrexham. Seit der Übernahme des Clubs durch Filmsuperhelden Ryan Reynolds und TV-Star Rob McElhenney ist der Club weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt. Mit dem Aufstieg in die vierte Spielstufe erfüllte das Hollywood-Duo auch ihr erstes Versprechen an die Wrexham-Fans.

Der 22. April 2023 hat künftig einen speziellen Vermerk in der Chronik des 1864 gegründeten Clubs. Mit einem 3:1-Heimsieg über Boreham Wood brachte der Wrexham Association Football Club oder Clwb Pel-droed Wrecsam, wie er auf walisisch heißt, am vorletzten Spieltag den ersten Platz in der National League und damit den direkten Aufstieg in die League Two – die vierte Spielstufe auf der Insel – ins Trockene. Mit 110 Punkten ist Wrexham vom Zweitplatzierten Notts County (106) nicht mehr von der Spitze zu verdrängen.

Die prominenten Besitzer aus Nordamerika waren bei der Aufstiegsfeier mittendrin, statt nur dabei. Mit Tränen in den Augen lagen sich Reynolds und McElhenney auf der Tribüne des alterwürdigen Racecourse Grounds in den Armen, nachdem die Rückkehr von Wrexham in die unterste Stufe des Profibetriebs in England und Wales nach 15 Jahren Abwesenheit geglückt war. Vergangene Saison waren die Waliser als Tabellenzweiter noch im Semifinale des Play-offs um den weiteren Aufstiegsplatz knapp mit 4:5 nach Verlängerung an Grimsby Town gescheitert.

Hollywoodreifer Aufstieg in Wales

In Wales feiern die Fans des AFC Wrexham den hollywoodreifen Aufstieg ihres Clubs. Seit Kurzem im Besitz zweier Schauspielstars, kehrt der Verein aus der fünften Liga nach 15 Jahren wieder in den Profifußball zurück.

„Ich bin nicht ganz sicher, ob ich das schon verarbeitet habe, was heute Abend passiert ist. Ich bin immer noch ein bisschen sprachlos“, sagte Reynolds nach dem Schlusspfiff. Der Kanadier, der vor allem als Antisuperheld „Deadpool“ zu Weltruhm gelangt war, sah den Erfolg als Bestätigung der im Vorfeld oft als PR-Gag kritisierten Übernahme: „Die Leute haben immer wieder gefragt: Warum Wrexham? Was jetzt gerade passiert, ist genau der Grund“. Mitbesitzer McElhenney war von den Emotionen im Stadion ebenfalls überwältigt. Mit den Fans der „Red Dragons“ den Aufstieg feiern zu dürfen, bezeichnete der Amerikaner als „die größte Ehre meines Lebens“.

Faszinierende Aufstiegsmöglichkeit

McElhenney, vor allem als Schöpfer, Produzent und Hauptdarsteller der Sitcom „It’s always sunny in Philadelphia“ bekannt, war die treibende Kraft dahinter, dass sich zwei Schauspieler aus Übersee den ältesten Sportverein in Wales und drittältesten Fußballclub der Welt aneigneten, um ihn zurück ins Rampenlicht zu führen. Sein englischer Kollege Humphrey Ker, Autor der ebenfalls von McElhenney erdachten Serie „Mythic Quest“, brachte den 46-Jährigen auf den Geschmack des europäischen Fußballs. „Das System, dass man zwischen den Ligen auf- und absteigen kann, ist unglaublich“, beschrieb McElhenney, großer Fan der Footballer der Philadelphia Eagles, seine Faszination.

In Wrexham fand McElhenney den idealen Club mit einer großen Tradition und auch der nötigen Fanbasis. Weil aber das Führen eines Fußballclubs aus den Tiefen des Amateurkicks in neue Sphären einiges an Geld kostet, holte sich der Amerikaner Hollywood-Star Reynolds an Bord. „Ich hatte TV-Geld, habe aber dann schnell realisiert, dass man mehr als nur das benötigt. Man braucht Filmstargeld, besser noch Superheldengeld“, so McElhenney. Im November 2020 gaben die Mitglieder des Wrexham Supporters Trust, der seit 2008 den Verein führte, ihre Zustimmung zur Übernahme.

Rob McElhenney und Ryan Reynolds
APA/AFP/Oli Scarff
McElhenney (l.) und Reynolds brachten mit ihrem Engagement Hollywood-Flair in den Norden von Wales

Investitionen mehr als nur PR

Mit einem Schlag war der Club aus Nordwales weltberühmt. Die im Zuge der Übernahme ins Leben gerufene Doku „Welcome to Wrexham“ half gehörig mit. Auch sportlich ging es dank der Investitionen der RR McReynolds Company rasant bergauf. Nachdem man im Frühjahr 2021 das Aufstiegs-Play-off noch knapp verpasst hatte, holten die neuen Besitzer mit Phil Parkinson einen Trainer, der davor schon in der zweiten Spielstufe gecoacht und 2013 den Viertligisten Bradford City ins Liga-Cup-Finale geführt hatte. Ein Jahr später war Wrexham bereits Zweiter, ehe heuer der große Wurf gelang.

Die Angst, dass die hohen Erwartungen der Fans in Wrexham nicht erfüllt werden können, schwang dabei bei McElhenney und Reynolds immer mit. „Es gibt auch eine Version, wo wir die Bösen sind. Es geht schief, und wir müssen verkaufen“, ist eine der ersten Diskussionen, die die beiden Schauspieler auf dem Rasen des Racecourse Grounds, wo 1955 und 1975 auch Österreich zwei Länderspiele gegen Wales bestritt und auch ÖFB-Torhüter Daniel Bachmann in der Saison 2014/15 für Wrexham im Einsatz war, in ihrer Doku führen.

Wrexham Fans am Spielfeld
APA/AFP/Oli Scarff
Im dritten Jahr der Eigentümerschaft durften die Fans in Wrexham den Aufstieg in die vierte Spielstufe feiern

Um die PR-Stunt-Vorwürfe zu kontern, war die persönliche Präsenz an Ort und Stelle Reynolds und McElhenney auch von Beginn an wichtig. Reynolds postete immer wieder Videos von sich und vor allem jungen Fans. Dadurch wurde das Duo nicht nur zu Investoren, sondern zu echten Fans. Bei fast allen wichtigen Spielen waren einer oder meist sogar beide Stars im Stadion. Schon beim vorentscheidenden 3:2-Erfolg über Notts County vor wenigen Wochen, als Ben Foster – einst Goalie bei Manchester United – in der Nachspielzeit einen Elfmeter hielt, war das Besitzerduo live mit von der Partie. „Es war das Dramatischste, was ich je erlebt habe“, sagte Reynolds.

Turboboost für eine Region

Der auch durch die eigene Doku ausgelöste Hype um den davor höchstens Insidern des britischen Fußballs bekannten Club färbte in Windeseile auch auf die Stadt ab. Einige Einwohnerinnen und Einwohner Wrexhams, wie etwa Pubbesitzer Mark Jones, der mit seiner Band Declan Swans und der an McElhenneys Erfolgsserie angelehnten neuen Vereinshymne „It’s always sunny in Wrexham“ zum Fixpunkt der Doku wurde, gelangten zu internationaler Berühmtheit.

Ryan Reynolds im Stadion des AFC Wrexham
IMAGO/Simon Stacpoole
„Deadpool“-Superheld Ryan Reynolds gab bisher einen Teambesitzer zum Angreifen

Für Touristen speziell aus Nordamerika gehört Wrexham – bisher der sprichwörtliche weiße Fleck auf der Landkarte – auf einmal zum Fixpunkt ihrer Reise in das Vereinigte Königreich. Davon profitiert auch der restliche Tourismus im Westen der britischen Insel. „Wir hätten uns diese Werbung (durch die Besitzer, Anm.) nicht kaufen können. Wir müssen gar nicht viel tun, Rob und Ryan machen es für uns“, meinte etwa Jim Jones, Vorstand des nordwalisischen Tourismusverbandes.

Auch der Club steht in Sachen Bekanntheit schon fast auf einer Stufe mit der Konkurrenz aus den Profiligen. Als erstes Non-League-Team, sprich Amateurclub, wurde Wrexham 2021 in die „Rest of World“ des Videospiels „FIFA 22“ aufgenommen. Und auch der – noch – ferne Traum von Spielen in der Premier League erfüllt sich für die „Roten Drachen“ dank ihrer prominenten Besitzer schon in naher Zukunft: Im Sommer gastiert Wrexham für ein Testspiel in San Diego in Kalifornien. Gegner ist der englische Rekordmeister Manchester United.