Felix Gall
EXPA/Reinhard Eisenbauer
Radsport

Newcomer spricht über Karriere und Doping

Mit Felix Gall hat der österreichische Radsport einen neuen Hoffnungsträger. Der 25-Jährige fährt auf Tuchfühlung mit der Weltspitze und ist drauf und dran, den entscheidenden Tritt nach ganz oben zu schaffen. Als Etappenzweiter bei der Tour of the Alps stand er als Profi erstmals auf dem Podest und kämpfte sich trotz schweren Sturzes in der Gesamtwertung letztlich auf Platz neun. Als Lohn dafür gab es von seinem französischen Arbeitgeber AG2R Citroen das Ticket zum Tour-de-France-Debüt.

Galls Aufstieg ist kein Zufall, wohl eine Frage von Talent, Training und Ehrgeiz. Mit 14 Jahren bestritt er gleich mit der Dolomitenrundfahrt sein erstes Radrennen, 2015 holte er in Richmond (USA) als erster und bisher einziger Österreicher den Junioren-WM-Titel im Straßenrennen.

Im ORF.at-Interview spricht der Osttiroler über seine Ziele bei der Tour de France, Doping im Radsport und Kontrollen während der Pandemie. Weiters äußert er sich zur Erholung des heimischen Radsports nach dem Dopingfall Bernhard Kohl, zu seinen Karrierezielen und weist den heimischen Nachwuchsfahrern den Weg zum Profisport.

Felix Gall (AUT) mit der Goldmedaille der Junioren-WM 2015 in Richmond
IMAGO/ZUMA Press
Der Junioren-WM-Titel 2015 öffnete Gall die Tür zum Profiradsport

ORF.at: Herr Gall, wie hat der Junioren-WM-Titel 2015 Ihre Karriere beeinflusst?

Felix Gall: Langfristig weiß ich nicht. Aber es hat mir geholfen, gleich im Profizirkus Fuß zu fassen. Danach war ich im Nachwuchsteam von DSM. Dass ich aus Österreich rausgekommen bin, hat sicher geholfen. Nicht, dass man in Österreich nicht Profi werden kann. Aber wenn man die Möglichkeit bekommt, in einem Development Team einer World-Tour-Equipe zu fahren, ist das genial. Dort sind die gleichen Strukturen wie bei Profis, und man fährt einfach die besten Nachwuchs- und U23-Rennen.

Was wollen Sie am Ende der Karriere erreicht haben?

Gall: Dass ich sagen kann, ich habe alles, was ging, aus mir rausgeholt. Eine Etappe bei der Tour de France zu gewinnen, davon träume ich schon. Ich will danach jedenfalls auch sagen können, dass ich viel Spaß daran hatte bei dem, was ich getan habe. Es war eine schöne Zeit, und ich habe meine Grenzen ausgelotet.

Sind Sie mit Ihrer Entwicklung zufrieden?

Gall: Sagen wir so: Ich sehe, dass ich derzeit noch nicht mit den Allerbesten mitfahren kann, aber es fehlt nicht mehr viel. Bis zur absoluten Spitze ist es nicht mehr so weit. Es fehlt also nicht mehr viel für ganz nach vorne. Das stimmt mich zuversichtlich.

Was ist mit Fahrern wie Evenepoel, Pogacar, Roglic? Sind die überhaupt zu schlagen? Was machen sie anders?

Gall: Das sind absolute Überflieger, auch ein van Aert. Wenn die am Start stehen, gewinnen sie. Ich weiß auch nicht, was sie anders machen. Aber selbst auf Toplevel ist sicher noch die Kombination aus Training und Genetik ausschlaggebend. Sie fahren zudem in den besten Teams und haben die allerbeste Unterstützung. Auch was Ernährung und Trainingswissenschaft betrifft. Nicht zu vergessen die budgetären Unterschiede. Wir bei AG2R Citroen haben 25 Millionen Euro Budget, Jumbo-Visma das Doppelte.

Wie sehen Sie das Thema Doping im Radsport im Vergleich zu früher?

Gall: Beim Abendessen reden wir schon ab und zu darüber. Gerade, wenn jemand einen großen Sprung gemacht hat. Aber jeder hat seine individuelle Entwicklungskurve, man kann niemanden vergleichen. Die Leistung, die ein Profi erbringt, kann man sich als normaler Mensch gar nicht vorstellen. Für viele Hobbyfahrer schwer greifbar. Allerdings darf man nicht vergessen, dass wir seit vielen Jahren nichts anderes machen als Rad fahren. Da ist kein Platz für anderes.

Es wirkte so, als hätte es während der Pandemie weniger Anti-Doping-Maßnahmen gegeben.

Gall: Ja, das stimmt. Während der Coronazeit hat es weit weniger Kontrollen gegeben. Das kann man auch nachlesen. Gerade im Frühjahr 2020 war nicht viel los. Das ist jetzt aber wieder alles normal. Im Vorjahr hatte ich insgesamt elf Tests zu Hause und bei Rennen.

Hat sich die Wahrnehmung des Profiradsports in Österreich vom Dopingfall Kohl wieder erholt? Wie empfinden Sie das?

Gall: Natürlich hört man immer wieder mal davon, über Doping im Radsport. Von 20 positiven Kommentaren kommt auf Instagram zum Beispiel einer, der das Thema betrifft. Für mich persönlich: Ich habe so viel positiven Zuspruch erhalten, gerade heuer. Viele verstehen auch die Lage nicht. Der Radsport hat nicht die allergrößte Tradition in Österreich. Aber wenn man die Leistung bringt, geht etwas positiv weiter. Ich glaube schon, dass es rund um das Thema Doping in Österreich viel besser geworden ist.

Haben Sie die Causa damals 2008 schon mitbekommen?

Gall: Nein, gar nicht, da habe ich den Radsport noch gar nicht mitverfolgt. Da war ich zehn Jahre alt. Für Radfahren habe ich mich erst fünf Jahre später interessiert.

Felix Gall bei der Zieleinfahrt der ersten Etappe der Tour of the Alps
IMAGO/Sirotti/Fotoreporter Stefano
Als Zweiter fuhr Gall beim Tour-of-the-Alps-Auftakt erstmals als Profi auf das Podest

Haben Sie ein sportliches Vorbild?

Gall: Nicht wirklich. Nicht einmal im Golf. Ich habe ja mit dem Golfspielen begonnen und sehe mir gerne Matches an. Wer mich aber absolut fasziniert, ist Arnold Schwarzenegger. Was der in seinem Leben geleistet hat, ist unglaublich.

Ist es nun eine besondere Ehre, im französischen Team bei der Tour zu debütieren? Welche Ziele stecken Sie sich?

Gall: Ja klar, das ist eine Auszeichnung, vor allem weil es so spontan kam. Ben O‘Connor ist der Leader. So wie es im Moment aussieht, bin ich sein Helfer. Aber ich werde sicher Freiheiten bekommen und vom Team beschützt. Ich denke, es wird sich nach der Tour de Suisse zeigen. Eventuell konzentriere ich mich auf einzelne Etappen. Die Gesamtwertung ist ein anderes Thema. Da muss man von Tag zu Tag schauen.

Was zeichnet Sie als Radfahrer aus?

Gall: Was mir voll taugt, wie im Baskenland, die eher kürzeren Anstiege zwischen zehn und 30 Minuten. Ich mag zwar harte Tage, aber nicht unbedingt die mit drei Pässen mit je 1.500 Höhenmetern. Ich habe gute Qualitäten als Puncher und bin in den Sprints in kleinen Gruppen meist ganz gut.

Was ist Ihre schlechteste Disziplin?

Gall: Bei den großen Anstiegen muss ich mich verbessern. Dafür braucht man Konstanz im Training, was ich in den letzten Jahren nicht immer hatte. In diesem Jahr läuft es sehr gut. Ich habe herausgefunden, was für mich funktioniert. Eine Baustelle ist das Zeitfahren. Bei einwöchigen Rundfahrten ist auch fast immer Zeitfahren dabei, da ist für mich noch viel zu tun. Im Winter haben wir einiges gemacht, leider noch nichts im Windkanal. Dafür wichtig ist natürlich viel Training auf der Zeitfahrmaschine.

Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Gall: Bis dahin will ich auf alle Fälle schon einige Rennen gewonnen haben. Am wichtigsten ist die Konstanz, die habe ich heuer von Februar bis jetzt gezeigt. Darauf möchte ich auf alle Fälle weiter aufbauen. Ich will mich gut bei einwöchigen Rundfahrten oder schweren Eintagesrennen präsentieren. Mittlerweile habe ich mir schon einen kleinen Namen im Fahrerfeld gemacht. Da will ich anknüpfen. Vielleicht bin ich in fünf Jahren einer von den großen Namen in diesem Bereich.

Könnte in Zukunft die Tour-Gesamtwertung zu Ihrem Thema werden?

Gall: Das ist noch zu früh zu sagen. Jetzt habe ich im Vorjahr mit dem Giro einmal die erste Grand Tour hinter mich gebracht. Mein Fokus liegt vorerst grundsätzlich auf einwöchigen Rundfahrten. Was bei der Tour möglich ist, werden wir sehen.

Ihr erstes Rennen als Jugendlicher war die Dolomitenrundfahrt. Wie sollten Jugendliche generell mit dem Radsport beginnen?

Gall: Schwieriges Thema. Viele Profis sind von Kind auf auf dem Rad gesessen. Ich habe mit 14 mit Triathlon begonnen und bin eben bei der Dolomitenrundfahrt mitgefahren. Mit 16, 17 Jahren habe ich mich dann aufs Radlfahren konzentriert. Ich behaupte, ich würde früher aufhören, hätte ich mit zehn mit dem Radfahren begonnen. Ich finde es wichtig, dass man in jungen Jahren viel ausprobiert, auch für die Athletik. Radfahren ist muskulär sehr speziell, wichtig ist, nebenbei den Oberkörper zu trainieren. Die Vielfalt machts aus.

Was würden Sie einem aufstrebenden Junior oder einer Juniorin empfehlen?

Gall: Viele Jugendliche machen sich selbst viel Stress. Im Ausdauersport darf man sich keinen Stress machen, es ist kein technischer Sport wie Tennis oder Golf. Man darf nie den Spaß verlieren. Und irgendwann kommt für jeden Jugendlichen der Zeitpunkt, wo er sich auf irgendwas fokussiert – egal ob Studium oder Sport. Als Jugendlicher ist es wichtig, Grundlagen zu legen – sich auch für Ernährung zu interessieren, für Trainingswissenschaften. Es geht um grundlegendes Wissen und sein eigenes Körpergefühl. Wichtig ist, auf sich zu horchen. In einem Profiteam hast du viele Leute um dich, die dir das dann abnehmen.