Eishockey-WM

Österreich besteht erneut Charaktertest

Die Eishockey-WM 2023 in Tampere hat für Österreich am Montag das Deja-vu gebracht. Wie 2022 drehte das Team von Roger Bader das entscheidende Spiel um, und erneut bedeutete der Kraftakt zum 4:3 nach Penaltyschießen über Ungarn den Klassenerhalt. „Das Wichtigste ist, dass wir unser Ziel erreicht haben“, sagte Siegestorschütze Dominique Heinrich nach dem bestandenen Charaktertest.

Mit einem satten Schuss ins rechte Kreuzeck buchte der 32-jährige Verteidiger im Penaltyschießen Österreichs Ticket für die WM 2024 in Tschechien. Es war eine doppelte Genugtuung für den Routinier: Unmittelbar vor dem Turnier in Tampere hatte Heinrich erfahren, dass er nach 16 Saisonen von Red Bull Salzburg ausgemustert worden war, und vor vier Jahren in Bratislava war er im entscheidenden Shoot-out gegen Italien an der Querlatte gescheitert.

„Es hat sehr gutgetan, besonders nach allem, was zuletzt passiert ist“, sagte der Matchwinner in den „Katakomben“ der Nokia Arena. Heinrichs Goldtreffer war der Schlusspunkt eines Kraftaktes. Denn Österreich hatte gegen Ungarn dank der Treffer von Marco Rossi, Steven Strong und Lukas Haudum ein 0:1 und ein 1:3 ausgeglichen. Im Penaltykrimi traf neben Heinrich auch Manuel Ganahl nach einem sehenswerten Haken, Goalie Bernhard Starkbaum hielt in seinem 150. Länderspiel alle Versuche der Ungarn.

Dominique Heinrich (AUT) und Bence Balizs (HUN)
GEPA/Daniel Goetzhaber
Gegen Heinrichs platzierten Schuss ins Kreuzeck war Ungarns Bence Balizs im Shoot-out machtlos

Schon im Vorjahr hatten die Österreicher das entscheidende Spiel gegen den Abstieg nach einem Zweitorerückstand gegen Großbritannien gedreht, auch heuer bestand die Mannschaft nach einem durchwachsen verlaufenen Turnier den Charaktertest. „Großes Kompliment an die Mannschaft, sie hat Moral bewiesen“, sagte Heinrich. Torhüter Starkbaum pflichtete bei: „Es war eine sehr nervenaufreibende Partie, aber wir haben Charakter bewiesen.“

Erleichterung nach Eishockey-WM

Nach dem dramatischen Sieg gegen Ungarn darf sich Österreichs Eishockey-Team bei der A-WM in Finnland über den Klassenerhalt freuen.

Positive Einstellung bringt Glück zurück

Der Charakter war auch in den Spielen davor nicht das Problem gewesen. Gegen die großen Nationen wie Schweden, die USA und Finnland verkauften die Österreicher ihre Haut trotz Niederlagen teuer. Gegen die durchaus schlagbaren Gegner wie Frankreich, Dänemark und Deutschland schenkte man den Gegnern aber durch teils haarsträubende Fehler die Tore. Das wäre der Mannschaft auch gegen Ungarn fast zum Verhängnis geworden. „Sie haben Nadelstiche gesetzt und kleine Fehler schnell ausgenutzt“, sagte Starkbaum.

Der 37-jährige Routinier, der es nach dem Spiel offen ließ, ob die Partie in Tampere seine letzte gewesen ist, wurde zwar im Penaltyschießen zum Helden, hatte sich davor im Turnier aber nicht immer von seiner allerbesten Seite gezeigt. Überhaupt waren die Torhüter die statistische Schwachstelle im Turnier. Auch David Kickert war nicht der erhoffte unbezwingbare Rückhalt. Aus dem Torhütertrio stach überhaupt nur David Madlener bei seinem einzigen Einsatz gegen Finnland mit einer Fangquote von über 90 Prozent heraus.

Haudum gleicht zum 3:3 aus

Der 26-Jährige krönte im Powerplay sein 100. Länderspiel mit dem wichtigen Ausgleich

Zu den unterdurchschnittlichen Torhüterstatistiken kam auch fehlendes Glück im Spiel und mit so mancher Entscheidung der Schiedsrichter. „Damals sind die Stangenschüsse rein-, heuer sind sie rausgesprungen“, sagte Starkbaum. Ihren Part aufseiten der Österreicher hatte sich Fortuna für das entscheidende Shoot-out gegen Ungarn aufgehoben. „Im Penaltyschießen ist immer etwas Glück dabei, aber wir haben es uns trotzdem verdient“, so Kapitän Thomas Raffl, der als „Leitwolf“ die positive Stimmung trotz Pleitenserie hochhielt und mit Rossi und Peter Schneider zu den österreichischen Spielern der WM gewählt wurde.

Genugtuung beim Teamchef

Auch Teamchef Bader war über den Ausgang sichtlich erleichtert. „Ich habe vor vier Jahren in Bratislava gesagt, Penaltyschießen ist Glück oder Pech, da hat man nichts falsch oder richtig gemacht. Das gilt natürlich auch dieses Mal: Wir hatten das nötige Glück“, meinte der Schweizer. Aufgrund der Spielanteile sei es aber nur gerecht gewesen, dass am Ende die österreichische Hymne gespielt wurde: „Wenn man im Spiel (nach regulärer Spielzeit, Anm.) 30:17 Torschüsse hat und die qualitativ besseren Torchancen, dann hat man sich dieses Glück auch verdient.“

Manuel Ganahl, Bernhard Starkbaum und Dominique Heinrich
GEPA/Daniel Goetzhaber
Die Matchwinner im Penaltykrimi von links nach rechts: Ganahl, Starkbaum und Heinrich

Bader war die Genugtuung über den Turnierausgang anzusehen, nachdem er davor auf so manch kritische Wortwahl – unerwartet heftig – empfindlich reagiert hatte. „Die Leistung war nicht viel anders als vergangenes Jahr, aber ein Highlight wie etwa der Sieg gegen Tschechien hat heuer gefehlt. Wir sind aber noch nicht so weit, dass wir die Topnationen regelmäßig schlagen. Aber uns wurde von vielen Seiten zur Leistung gratuliert“, sagte der Schweizer, der als erster österreichischer Teamchef seit Herbert Pöck vor 19 Jahren mehrmals hintereinander die Klasse gehalten hatte.

Topquote in Überzahl

Ein Grund für den neuerlichen Klassenerhalt, den dritten in der Ära Bader, war letztendlich eine so von einer österreichischen Nationalmannschaft nicht gekannte Stärke im Powerplay. Bei zwölf Überzahlversuchen trafen die Österreicher in Tampere fünfmal ins Tor. Im Finale gegen die Ungarn schlugen Rossi nach sehenswertem Alleingang und Haudum in seinem 100. Länderspiel in Überzahl zu. Österreich beendete die WM mit einer sensationellen Powerplay-Quote von 41,67 Prozent und war damit – vor den ausstehenden Vorrundenspielen – die Nummer eins aller 16 Teams.