Nach der Ankunft in Paris war Grabher noch etwas müde von den Strapazen ihres Erfolgslaufs in Rabat. Die Dreisatzniederlage im Finale gegen Lucia Bronzetti (ITA) hat sie gut weggesteckt. „Ich sehe es mittlerweile sehr positiv. Mein erstes Finale auf der WTA-Tour bedeutet mir schon extrem viel.“
Noch vor einiger Zeit war auch die Vorarlbergerin eine von jenen österreichischen Spielerinnen, die sich immer wieder die Fragen nach der langjährigen Baisse im heimischen Frauen-Tennis anhören mussten. Im vergangenen September knackte sie erstmals die Top 100, als Erste seit Yvonne Meusburger (19. Jänner 2015) oder über siebeneinhalb Jahren ohne ÖTV-Akteurin in diesem Kreis. Nun ist sie auch bei den großen Turnieren angekommen.
„Ich muss niemandem etwas beweisen“
Genugtuung verspürt sie nach all den Unkenrufen aber nicht. „Ich habe es immer nur für mich gemacht. Ich muss niemandem etwas beweisen, ich spiele, weil ich das erreichen möchte.“ Es sei aber etwas Besonderes für Österreich, wenn das Frauen-Tennis einen Aufschwung erhalte. „Ich werde versuchen, dass ich es vielleicht ein bisschen ähnlich machen kann, wie der Dominic das geschafft hat.“
Wie sich Grabher ihre Verbesserung um 90 Plätze innerhalb Jahresfrist erklärt? „Natürlich kommt das nicht von heute auf morgen, das ist ein Prozess, der ein paar Jahre schon geht. Ich trainiere jeden Tag sehr hart und ich glaube, ich habe mich in den letzten Monaten belohnt, aber das soll nicht heißen, dass es hier aufhört. Ich will mich jeden Tag steigern, verbessern und mehr erreichen.“
Bresnik rechnet mit weiterer Steigerung
Ihr Coach ist seit einigen Jahren Günter Bresnik. Und er glaubt, dass Grabher noch lange nicht den Zenit erreicht hat. „Ganz ehrlich, ich glaube auch, dass sie erste 20 werden kann. Wenn alles gut läuft, sie gesund und so bei Laune bleibt wie jetzt“, sagte der Wiener. Er ist ja eigentlich ein Spezialist für Männer-Tennis, wie nicht nur die langjährige Zusammenarbeit mit Dominic Thiem, sondern auch mit Horst Skoff, Boris Becker, bis vor Kurzem auch Gael Monfils u. v. a. gezeigt hat.
Den Unterschied habe er bei Grabher vom Trainingsumfang gar nicht so gemerkt, schilderte Bresnik in Paris. „Ihre Schwächen waren klar im technischen Bereich. Sie ist von Mutter Natur bevorzugt und rennt einfach schnell. Sie hat auch einen guten Touch. Die sudert nicht, die plärrt nicht – sie ist nach wie vor ein bisschen negativ, weil sie sehr kritisch ist, aber das ist mir lieber als überheblich.“
„Ich weiß, was ich zu tun habe“
Die 1,70 Meter große Rechtshänderin sieht ihre Vorhand als größte Stärke. Am meisten verbessert habe sie sich auf der Rückhand-Seite. „Da war ich am fehleranfälligsten. Generell glaube ich, dass mein Spiel kompletter geworden ist. Vom Aufschlag angefangen, ich bin stabiler auf allen Seiten.“ Bresnik arbeitet seit einigen Wochen intensiv am Rückhand-Slice der Vorarlbergerin, den er gerade beim Return verstärkt eingesetzt sehen will.
Während Bresnik findet, Grabher müsse noch ein wenig ihre ganz eigene Spiel-DNA finden, glaubt die 26-Jährige, dass sie schon so weit ist. „Ich weiß, was ich zu tun habe. Ich dominiere sehr gern mit der Vorhand, bin aggressiv von der Grundlinie und versuche die Gegnerin viel laufen zu lassen.“
Nun kommt das Saisonhighlight
Das Jahr 2023 verlief für Grabher schon vor Rabat ausgezeichnet. Zum Beispiel mit der dritten Runde beim WTA-1000-Turnier in Rom, wo sie nach einem Sieg über Top-30-Spielerin Jill Teichmann sogar die Russin Daria Kasatkina fast bezwungen hätte. Die Weltranglistenneunte setzte sich erst nach 3:19 Stunden mit 7:6 im dritten Satz durch.
„Natürlich waren die letzten Monate etwas Neues für mich. Ich habe im Prinzip die großen Turniere zum ersten Mal im Hauptbewerb gespielt, das bedeutet mir sehr viel. Grand Slam ist natürlich noch eine andere Liga zu den 1000ern, da bin ich extrem motiviert.“ Ganz besonders in Paris: „Ich freue mich, weil es mein Saisonhighlight ist, weil Sand mein bester Belag ist.“
Bei einem Auftaktsieg gegen Rus könnte ihr ein Duell mit der als Nummer sechs gesetzten Vorjahresfinalistin Coco Gauff (USA) blühen. „Das wäre supercool, aber ich will Runde für Runde denken. Es ist doch erst mein zweiter Grand-Slam-Hauptbewerb“, sagte Grabher, die mit Olympia 2024 auch schon ein Fernziel hat. Denn die Spiele werden in einem Jahr auf der Roland-Garros-Anlage ausgetragen. „Ja, das ist auf jeden Fall ein Ziel von mir, hier in Paris nächstes Jahr Olympia zu spielen.“
French Open in Paris
(Frankreich, Grand-Slam-Turnier, 49,6 Mio. Euro, Sand)