René Hernesz
OBSV/Baubinder
Sport Austria Finals

Multitalent Hernesz wirbt für mehr Inklusion

Ob Tischtennis, Basketball oder Rugby: Rene Hernesz ist ein Multitalent. Dabei ist Sport erst seit einem schweren Schicksalsschlag zu seinem Lebensmittelpunkt geworden. Bei den Sports Austria Finals, die am Mittwoch mit der Eröffnungsfeier zum dritten Mal in Graz starten, macht sich der Steirer im Rollstuhlrugby am Sonntag Hoffnungen auf den Meistertitel. Er will die mediale Aufmerksamkeit des Events nutzen, um für mehr Inklusion zu werben. Bei diesem Thema stecke Österreich noch in der „Steinzeit“.

Im April 2010 ändert ein Autounfall das Leben von Hernesz schlagartig. Aufgrund einer Querschnittslähmung landet er im Rollstuhl. Für den Steirer ist aber bald klar, dass er seinem Schicksal etwas entgegensetzen will: Und das heißt Sport. Hernesz beginnt aufgrund seiner schweren Knieverletzungen zuerst mit Tischtennis, wo er gleich zu Beginn erste Erfolge feiert.

Wenig später kommt er in der Reha in Tobelbad zum ersten Mal mit Rollstuhlrugby in Berührung. Und ist – wie Bayern-Trainer Thomas Tuchel sagen würde – schockverliebt. „Mir ist sofort das Herz aufgegangen. Die Härte, ohne Tabu einfach wen anderen niederzufahren, hat mir gefallen“, lacht Hernesz. Natürlich ist es nicht nur der Härtefaktor, der ihn fasziniert – auch der Teamgeist und die taktischen Finessen begeistern den Sportler.

René Hernesz
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Hernesz gilt als einer der besten seines Teams, der Steirischen Eichen

Hernesz: „Sport ist genial“

„Ich empfehle grundsätzlich jedem Menschen, der im Rollstuhl sitzt, dass er Sport betreibt. Man lernt dadurch viele Menschen kennen, denen es ähnlich geht. Auch das Teamgefühl im Sport ist genial, weil man ja gemeinsam an den Aufgaben wächst. Das muss gar nicht auf einem professionellen Level sein, es reicht schon Breitensportniveau“, so Hernesz, der neben Rugby auch noch Rollstuhlbasketball in der win2day Rollstuhl-Basketball-Bundesliga spielt.

Im Rugby gehört der 36-Jährige als High-Pointer zu den besten Spielern Österreichs. High-Pointner bedeutet, dass er im Vergleich zu anderen noch über höhere Körperfunktionen verfügt. „Wir spielen mit acht Punkten am Feld. Die Punkte stehen in dem Fall für Körperfunktionen. Mit wenig Funktion geht es bei 0,5 los, bei vielen Funktionen wie bei mir ist man bei 3,5 Punkten. Damit das Ganze ausgeglichen und fair gestaltet ist, darf man maximal acht Punkte am Feld haben. So hat auch jede Körperfunktion ihre Wichtigkeit am Spielfeld. Meine Rolle funktioniert nicht, wenn ein 0,5-Punkte-Spieler seine Aufgabe nicht erfüllt“, erklärt Hernesz.

Sport Austria Finals als großes Highlight

Ein großes Highlight steigt für Hernesz im Juni, wenn in der steirischen Landeshauptstadt die Sport Austria Finals powered by Holding Graz über die Bühne gehen. Nachdem er vergangenes Jahr schon mit Rollstuhlbasketball dabei war, darf er 2023 nun mit Rollstuhlrugby seine Finals-Premiere feiern. „Ich finde es total cool, dass so ein Event gemacht wird. Man hat eine große mediale Aufmerksamkeit und kann so Menschen mit seiner Sportart in Berührung bringen, die sonst noch nie was davon gehört haben. Für uns ist diese Werbung unbezahlbar.“

Sportlich hat der Topspieler der Steirischen Eichen ein klares Ziel: Nach dem Vizemeistertitel 2022 soll in diesem Jahr wieder der Meistertitel her. „Wir sind der Favorit auf den Titel. Vor allem zu Hause in Graz wollen wir den Platz als Sieger verlassen. Das ist schon ein großer Motivationsfaktor. Die Vorfreude ist jedenfalls riesig! Wir wissen, dass wir viele Leute in die Halle kriegen werden und dementsprechend viel Unterstützung haben.“

René Hernesz
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Bei den Sport Austria Finals kann man sich auf heiße Zweikämpfe gefasst machen

Österreich bei Inklusion weit zurück

Sein Rugby-Talent hat den Steirer zwischenzeitlich in die USA gebracht. Insgesamt zwei Saisonen spielte er für Los Angeles und durfte dort in eine ganz andere Welt eintauchen. „Es ist mit Österreich nicht vergleichbar. Die Rugby-Community steckt bei uns im Vergleich zu Amerika noch in den Kinderschuhen. Auch was die mediale Aufmerksamkeit und die finanziellen Möglichkeiten betrifft. In den USA ist alles professionell aufgestellt, die Spiele werden im TV übertragen, und die Zeitungen berichten ebenfalls darüber. Bei uns liest du nicht einmal eine Zeile darüber, weil die Medien kein Interesse daran haben.“

Generell sei Amerika in Sachen Inklusion viel weiter. Auch, so Hernesz, weil das historisch bedingt ist. „Es klingt vielleicht blöd, aber Amerika ist eine Kriegsnation, dadurch gab es immer schon viele Menschen mit Behinderung. Dementsprechend früh hat man dort mit Inklusion begonnen.“ Damit auch in Österreich in Sachen Inklusion noch mehr passiert, engagiert sich Hernesz als Vorstandsmitglied beim Verein Soziale Projekte Steiermark. Mit dem Ziel, alle Menschen, die etwas aus der Gesellschaft gefallen sind, wieder in die Mitte zurückzuholen.

Österreich noch in der „Steinzeit“

„Es geht uns nicht nur um behinderte Menschen, sondern auch um sozial schwache oder obdachlose Menschen“, erklärt Hernesz. „Wir wollen eine Plattform schaffen, wo diese Menschen Aufmerksamkeit bekommen. Es gibt den Menschen auch ihre Würde zurück, wenn sie wieder Teil der Gesellschaft werden.“ Natürlich ist es ihm als Betroffenem ein besonderes Anliegen, dass sich die Situation für Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer weiter verbessert.

„Es ist in den vergangenen zehn Jahren schon viel weitergegangen, aber wenn ich Amerika als Vergleich heranziehe, dann sind wir trotzdem noch in der Steinzeit. In Los Angeles suche ich beispielsweise ein Lokal ohne Rollstuhl-WC gleich lang, wie ich in Graz ein Lokal mit Rollstuhl-WC suche. Es sind oft nur Kleinigkeiten, an denen es scheitert.“