Novak Djokovic
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Wimbledon

Serie spricht klar für Djokovic

Der Zweikampf um die Nummer eins bei den Männern geht in Wimbledon weiter. Spaniens Jungstar Carlos Alcaraz hat nach dem Sieg im Londoner Queen’s Club Novak Djokovic wieder abgelöst, doch für den 36-jährigen Serben, über den wohl auch heuer der Weg zum Titel führen wird, geht es ab Montag um weit mehr als nur die Führung in der Weltrangliste.

Denn mit seinem dann bereits achten Titel auf dem „heiligen Rasen“ würde er mit dem Schweizer Roger Federer gleichziehen und auch in der Major-Rekordjagd auf 24 Titel erhöhen. Dann hätte Djokovic nicht nur Rafael Nadal bei den Männern schon um zwei Titel abgehängt, er würde auch Serena Williams (23) hinter sich lassen und zu Allzeit-Leaderin Margaret Court (24) aufschließen. Die Australierin hatte aber 13 ihrer Serie vor Beginn der offenen Ära (inklusive Profis) errungen.

Djokovic, der dieses Jahr in der ersten Runde auf den Argentinier Pedro Cachin trifft, ist seit 2018 in Wimbledon ungeschlagen, hat die Titel seither alle gewonnen, nur 2020 konnte wegen der Coronavirus-Pandemie nicht gespielt werden. Der erst 20-jährige Alcaraz, der wegen seines Talents und seiner bisherigen Leistungen immer wieder mit den „Big Three“ (Djokovic, Nadal und Federer) verglichen wird, ist als Weltranglistenerster zwar topgesetzt, allerdings nur Mitfavorit.

Djokovic in Wimbledon Favorit

In Wimbledon beginnt am Montag der Hauptbewerb des dritten Grand-Slam-Turniers des Jahres. Bei den Damen ist die Weltranglistenerste Iga Swiatek rechtzeitig fit geworden. Bei den Herren bahnt sich ein Generationenduell um den Titel an – zwischen Favorit Novak Djokovic und Carlos Alcaraz.

Alcaraz „fehlt noch viel Erfahrung“

Das weiß er auch selbst: „Es hilft mir, als Nummer eins nach Wimbledon zu gehen. Aber es fehlt mir schon noch viel Erfahrung auf diesem Belag.“ Und er kennt die Wimbledon-Statistiken von Djokovic. „Ich habe gelesen, dass Novak mehr Matches gewonnen hat als der Rest der Top 20 zusammen“, sagte Alcaraz. „Und auf den Centre-Court hat er seit 2013 nicht mehr verloren. Das ist einfach verrückt.“ Es sei klar, dass Djokovic der riesengroße Favorit ist. „Aber ich hoffe, ich werde die Fans auf meiner Seite haben, um diese Statistik zu ändern.“

Carlos Alcaraz
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Bisher wartet Alcaraz noch auf einen Erfolg gegen Djokovic

Alcaraz hat zwar schon einen US-Open-Titel in der Tasche, aber noch keinen Sieg über einen Spieler der „Big Three“ bei einem Major-Turnier. Was gegen Federer gar nicht mehr möglich ist, gegen den schon lange verletzten Nadal auch immer unwahrscheinlicher wird, kann ihm gegen Djokovic vielleicht gelingen. Im Halbfinale von Roland Garros war das gehypte Duell mit dem Serben (noch) zu viel für ihn – nach zwei intensiven Sätzen war Alcaraz von Krämpfen geschüttelt chancenlos. Und Djokovic marschierte danach zum 23. Major-Titel. In Wimbledon spielt der Spanier zum Auftakt gegen den Franzosen Jeremy Chardy.

Keine klare Favoritin bei den Frauen

Bei den Frauen ist die Titelvergabe weit offener, in den vergangenen sechs Auflagen gab es sechs verschiedene Siegerinnen. Und die sonst so starke Swiatek hat auf Rasen ihr Spiel noch immer nicht gefunden: Bei bisher drei Teilnahmen war das Achtelfinale 2021 das beste der dreifachen French-Open- bzw. vierfachen Major-Siegerin.

Aryna Sabalenka
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Aryna Sabalenka ist heuer mit von der Partie und eine der Sieganwärterinnen

Darum ist der im Vorjahr verbannten Weltranglistenzweiten und Australian-Open-Siegerin Arina Sabalenka aus Belarus – Akteure aus Russland und Belarus waren wegen der Invasion Russlands in die Ukraine gesperrt worden – und der kasachischen Titelverteidigerin Jelena Rybakina mehr zuzutrauen als Swiatek. Hinzu kommt noch die Vorjahresfinalistin Ons Jabeur aus Tunesien, die als erste Afrikanerin und Araberin ein Major-Einzel-Turnier gewinnen will.

Quartett aus Österreich dabei

Aus österreichischer Sicht gibt es erstmals seit langer Zeit wieder vier Teilnehmer, drei Männer und eine Frau. Dominic Thiem ist zum ersten Mal seit vier Jahren und zum siebenten Mal insgesamt dabei. Das Highlight des US-Open-Siegers 2020 war an der Church Road 2017 das Achtelfinale.

Thiem, der auf Rasen 2016 in Stuttgart einen Turniersieg gefeiert hat, hat seit dem Achtelfinale in Melbourne 2021 wegen der Langzeitverletzung bei nur fünf Majors mitgespielt – und fünfmal in Runde eins verloren. Auch in Wimbledon wird es für Thiem schwer, er trifft in der ersten Runde auf den als Nummer fünf gesetzten Stefanos Tsitsipas aus Griechenland.

Aufwärtstendenzen bei Ofner und Grabher

Dafür zeigen sowohl Sebastian Ofner als auch Österreichs beste Frau Julia Grabher klare Aufwärtstendenzen. French-Open-Achtelfinalist Ofner hat heuer schon Form und Konstanz bewiesen, was ihm neben dem starken Auftritt in Paris auch fünf Challenger-Finale eingebracht hat. Die Finalteilnahme in Ilkley reichte für eine Wimbledon-Wildcard, die er sich von der Position her ohnehin verdient hätte. Seine Verbesserung bis zuletzt auf Platz 69 kam aber für den Cut für Wimbledon zu spät. Beim Rasenklassiker trifft Ofner in der ersten Runde auf den Tschechen Jiri Lehecka.

Für Grabher, die vor einem Jahr vor Wimbledon noch auf Platz 145 gestanden war und nun als 54. ihr bestes Ranking einnimmt, ist es das Hauptfelddebüt. Rasen ist keinesfalls ihr Lieblingsbelag. Aufschlag und Return muss sie in Wimbledon daher steigern. Das wusste sie nach ihrem Auftakt-Aus zuletzt in Bad Homburg auch selbst. Die 27-Jährige trifft zum Auftakt auf die US-Amerikanerin Danielle Collins.

Am Donnerstag sorgte Dennis Novak mit einem Viersatzsieg über den Japaner Yosuke Watanuki in der dritten Qualifikationsrunde dafür, dass heuer ein ÖTV-Quartett am Start ist. Der Niederösterreicher trifft in der ersten Runde auf den Kanadier Milos Raonic.

Überfällige Lockerung

Eine kleine Lockerung, die auch überfällig ist, gibt es hinsichtlich des weißen Dresscodes ab diesem Jahr für die Frauen: Sie dürfen aus Rücksicht auf Menstruationszyklen unter ihren weißen Röcken farbige Shorts tragen. Die Diskussion war länger geführt worden. So hatte sich die mittlerweile zurückgetretene Olympiasiegerin Monica Puig über den „mentalen Stress“ beklagt, in Wimbledon ausnahmslos Weiß tragen zu müssen. Sie habe immer dafür gebetet, in den zwei Wimbledon-Wochen nicht ihre Regel zu bekommen.