Der Ineos-Grenadiers-Fahrer setzte sich nach 4.200 absolvierten Höhenmetern mit einer risikoreichen Abfahrt ins Ziel von den Tour-Dominatoren Jonas Vingegaard und Tadej Pogacar ab und gewann fünf Sekunden vor dem Slowenen und dem Dänen, der sein Gelbes Trikot verteidigte. Titelverteidiger Vingegaard führt in der Gesamtwertung nun zehn Sekunden vor Pogacar, Rodriguez verdrängte den Australier Jai Hindley von Rang drei, liegt aber bereits 4:43 Minuten zurück.
„Die beiden (Vingegaard und Pogacar) haben sich belauert, ich habe dann meine Chance genützt. Es ist absoluter Wahnsinn, hier eine Etappe zu gewinnen. Ich bin sprachlos. Jeder arbeitet für jeden im Team, Michal Kwiatkowski war auch eine Inspiration gestern“, sagte der 22-jährige Rodriguez nach seinem ersten Grand-Tour-Tageserfolg.
Gall von sich selbst überrascht
Gall kam 1:46 Minuten nach dem Spanier gemeinsam mit dem in der Anfangsphase in einen Massensturz verwickelten Ex-Giro-d’Italia-Sieger Hindley ins Ziel, insgesamt beträgt der Rückstand des Osttirolers, der damit fünf Plätze gutmachte, jetzt 12:26 Minuten.
Der AG2R-Fahrer steuert auf eine erst sehr selten von Österreichern erreichte Tour-Marke zu. Top-Ten-Ergebnisse im Endklassement der Frankreich-Rundfahrt hat es in der Neuzeit bisher erst zweimal gegeben. Peter Luttenberger war 1996 Fünfter, Georg Totschnig 2004 Siebenter. Bis Paris ist es aber noch sehr weit, es folgt auch noch ein Zeitfahren, das Gall nicht liegt. Am Sonntag kann er auf der dritten harten Bergetappe in Serie aber wieder reüssieren.
Tour de France: Gall erstmals in Top Ten
Felix Gall hat sich beim nächsten Kletterfestival der Tour de France in den Alpen als Etappensiebenter auf Gesamtrang neun verbessert. Der Osttiroler machte auf dem 14. Teilstück fünf Plätze gut. Im Kampf um Gelb behauptete Titelverteidiger Jonas Vingegaard einmal mehr seine knappe Gesamtführung vor Tadej Pogacar. Der Däne führt vor der nächsten Bergetappe zehn Sekunden vor dem Slowenen. Der Sieg auf der von mehreren sturzbedingten Aufgaben geprägten Etappe ging an den Spanier Carlos Rodriguez.
Den Samstag bestand der 25-Jährige mit Bestnoten. „Es war ein Megatag. Es ist schon eine große Überraschung, dass ich auf so einem Level mitfahren kann. Aber ich muss ehrlich sagen, ich weiß nicht, was in den nächsten Tagen passiert“, meinte Gall. Er gebe jeden Tag 100 Prozent, sei wie alle anderen müde und erschöpft. Es gelte abzuwarten, wie sein Körper und der Kopf auf die Dauerbelastung reagiere. Dass er wieder mit den Topstars mitgehalten habe, sei surreal. „Wie ich mich da umgeschaut habe, habe ich mich schon einmal gefragt, was ich da eigentlich mache zwischendrin unter den besten Fahrern der Welt. Es war schon verdammt speziell, aber es hat auch verdammt wehgetan.“
Feld frühzeitig dezimiert
Das Jumbo-Team von Vingegaard ließ auf dem Teilstück mit fünf Bergwertungen keine Fluchtgruppe aussichtsreich weit wegkommen. Die letzten Ausreißer wurden bereits im vorletzten langen Anstieg gestellt. Das Tempodiktat der Gelb-Schwarzen dezimierte das Feld schon 60 Kilometer vor dem Ziel rapide.
Gall hielt sich bergauf wieder bravourös, verlor in der langen Highspeed-Abfahrt Richtung Les Gets jedoch zwischenzeitlich den Anschluss. Vor dem finalen Hors-Kategorie-Berg Col de Joux Plane schaffte es Gall aber wieder zurück in die Spitzengruppe mit Felix Großschartner als Unterstützer von UAE-Chef Pogacar. Während Großschartner und auch einige der Kapitäne bald nicht mehr mitkamen, blieb Gall bis fünf Kilometer vor dem höchsten Punkt an den Topstars dran und hielt danach sein hohes Tempo.
Harter Kampf um Bonussekunden
Vorne entbrannte wenig später die Fortsetzung des Schlagabtausches zwischen Vingegaard und Pogacar, die einen gewonnenen Bonus für den Dänen auf dem letzten Berg und einen für den Slowenen im Ziel brachte. Vingegaard vergrößerte seinen Vorsprung nach fast vierstündiger Arbeit um gerade einmal eine Sekunde.
Pogacar setzte auf dem Col de Joux Plane eine seiner gefürchteten Attacken – und musste wenige Meter später unfreiwillig abbremsen. Zwei Begleitmotorräder der Tour versperrten dem Slowenen kurz vor dem Pass den Weg. Schon zuvor hatte Pogacar eine kleine Lücke zwischen sich und Vingegaard gebracht, doch der Däne war wieder herangefahren. Auf dem Pass überraschte dann Vingegaard seinen Kontrahenten und sicherte sich drei Bonussekunden mehr. Im Ziel holte sich Pogacar durch seinen zweiten Platz zwei Sekunden zurück.
Etappe nach Massensturz gestoppt
Die Etappe war wegen eines Massensturzes vorübergehend gestoppt worden. Etwa fünf Kilometer nach dem scharfen Start in Annemasse stürzte ein Großteil des Feldes in einer Abfahrt, vier Fahrer mussten infolgedessen aufgeben, später auch noch drei weitere. Die Tour-Organisation neutralisierte das Rennen. Nach mehr als 20 Minuten wurde das Rennen nach einer neutralen Phase fortgesetzt. Es war der erste Massensturz bei der diesjährigen Tour.
Der Spanier Antonio Pedrero und der Südafrikaner Louis Meintjes mussten das Rennen sofort aufgeben und ins Krankenhaus gebracht werden. Der kolumbianische Meister Esteban Chaves gab wenige Kilometer nach dem Neustart ebenfalls auf, ebenso sein Teamkollege bei Education-Easypost, der Brite James Shaw. Bei Intermarche-Kapitän Meintjes, der auf Platz 13 der Gesamtwertung gelegen war, wurde ein Schlüsselbeinbruch bestätigt.
Der Sturz wurde offenbar durch einen Fahrfehler ausgelöst. Nahezu jedes Team war involviert, sodass sich Renndirektor Christian Prudhomme zur Neutralisation veranlasst sah. Die Sportdirektoren lobten diesen Schritt, der bei der Tour selten ist. Die Rennärztinnen und -ärzte kümmerten sich um die gut 20 gestürzten Fahrer, die teilweise großflächige Schürfwunden erlitten. Der bisher zwölftplatzierte Franzose Romain Bardet musste nach einem weiteren Sturz ebenfalls aufgeben, später stieg auch der Niederländer Ramon Sinkeldam vom Rad. Insgesamt gab es sieben Aufgaben.