Courtney Nevin und Mary Fowler winken ihren Fans
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Fußball-WM

Australien setzt auf Euphoriewelle

Die Frage, wer im WM-Finale 2023 mit Spanien um die Krone kämpft, wird im zweiten Semifinale am Mittwoch (12.00 Uhr, live in ORF1) zwischen Mitveranstalterinnen und Europameisterinnen beantwortet. Die „Matildas“ aus Australien gehen zwar als Außenseiterinnen ins Prestigeduell mit den englischen „Lionesses“, die Euphorie „down under“ soll im Stadium Australia aber den Unterschied ausmachen.

„Wenn man auf das Ranking, ihre Spielerinnen und die Ressourcen blickt, dann sind sie natürlich der klare Favorit. Aber eine Sache, die wir haben und sie nicht, sind die Unterstützung und der Glaube der Fans. Das alleine wird am Mittwoch gewaltig sein“, sagte der australische Teamchef Tony Gustavsson mit Blick auf das ausverkaufte Stadion. Die erwarteten rund 75.000 Fans werden fast ausschließlich im Lager der „Matildas“ erwartet.

Die Gastgerinnen können sich auch außerhalb des Stadions auf die volle Unterstützung ihrer Landsleute verlassen. Beim bisher größten Spiel in der australischen Fußballgeschichte wird kaum ein Bildschirm schwarz bleiben. Das Elfmeterschießen gegen Frankreich verfolgten – Fans beim Public Viewing mitgerechnet – über sieben Millionen. Das letzte Mal, dass ein Sportevent im Land ähnlich viele Zuschauer in den Bann zog, war beim 400-m-Lauf von Cathy Freeman anlässlich der Olympischen Spiele in Sydney vor 23 Jahren.

Australierinnen hoffen auf Finaleinzug

Geht es nach den Gastgeberinnen, soll in diesem Halbfinale das australische Fußballmärchen noch nicht zu Ende sein: Die „Matildas“ schwimmen derzeit auf einer Welle der Euphorie.

Defensiv- und nervenstark

Australien darf aber auch sportlich mit viel Selbstvertrauen in den Schlager gegen die Engländerinnen gehen. Seit der unerwarteten Niederlage gegen Nigeria in der Vorrunde kassierten die „Matildas“ gegen Olympiasieger Kanada, Dänemark und Frankreich kein Gegentor mehr. Mit dem dramatischen Erfolg im Elfmeterschießen gegen Frankreich, als insgesamt 20 Schützinnen antreten mussten, bewiesen die Gastgeberinnen auch Nervenstärke.

Dabei wusste Australien ohne den zu Turnierbeginn verletzten Stürmerstar Sam Kerr in der Startformation zu überzeugen. Kerr, die sich vor dem Turnierstart eine Muskelverletzung zugezogen hatte, könnte auch gegen England nicht von Beginn an zum Einsatz kommen, wie Gustavsson andeutete. Der Schwede hofft, dass der Erfolgslauf seines Teams anhält: „Ich glaube, dieses Team kann die nächste Generation inspirieren, es kann ein Erbe hinterlassen, das viel größer ist als Fußball.“

Tor von Sam Kerr beim Testspiel zwischen Australien und England
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Superstar Kerr (in Gelb) war beim bisher letzten Duell zwischen Australien und England im April eine Hauptdarstellerin

Englische Erfolgsbilanz mit einem Makel

Die Engländerinnen sind aber bestens für den Halbfinal-Schlager gerüstet. „Es wird wirklich groß werden“, meinte Teamchefin Sarina Wiegman, die einzige verbliebene Trainerin im Turnier, „es wird wahrscheinlich größer sein, als ich es mir jetzt vorstellen kann.“ Die Niederländerin genießt die Gastfreundschaft „down under“, Geschenke will sie aber keine verteilen. „Ich mag die Menschen hier sehr, aber das bedeutet nicht, dass es keine Rivalität gibt. Wir wissen, dass es ein Auswärtsspiel ist. Lasst uns versuchen, es als Inspiration zu nehmen.“

Die Niederländerin und ihre „Löwinnen“ wissen jedenfalls, wie man sich gegen Widerstände behauptet: EM-Torschützenkönigin Beth Mead und Kapitänin Leah Williamson fielen für die WM-Endrunde verletzt aus. In der Vorrunde zitterte sich England jeweils zu einem 1:0 gegen Haiti und Dänemark. Im Achtelfinale gegen Nigeria, in dem man sich knapp im Elfmeterschießen durchsetzte, musste Stürmerin Lauren James mit Rot vom Platz und könnte frühestens im Finale gegen Spanien wieder auflaufen.

Für Wiegman wäre es jedenfalls ihr viertes großes Endspiel als Cheftrainerin en suite: 2017 gewann sie mit den Niederlanden die Heim-EM, 2019 unterlag sie mit „Oranje“ erst im WM-Endspiel den USA. 2022 – ein Jahr nach ihrem Wechsel auf die Insel – feierte England unter ihrer Regie den Triumph im EM-Finale von Wembley gegen Deutschland. Die Bilanz der „Lionesses“ unter ihrer niederländischen Teamchefin kann sich sehen lassen. In den 37 Länderspielen seit ihrem Amtsantritt hat Wiegman nur ein Spiel verloren. Das war aber ausgerechnet ein Test vor vier Monaten gegen Australien (0:2).