Europa League

Sporting entreißt Sturm Auftaktsieg

Sturm Graz hat am Donnerstag zum Auftakt der Gruppenphase der Europa League ein ähnliches Schicksal wie kurz zuvor den LASK ereilt. So wie die Linzer gegen den FC Liverpool mussten sich auch die Steirer einem favorisierten Gast trotz zwischenzeitlicher Führung geschlagen geben. Sporting Lissabon setzte sich zum Auftakt der Gruppe D dank eines Doppelschlages in der Schlussviertelstunde mit 2:1 (0:0) durch.

William Böving hatte die Grazer vor 13.517 Zuschauerinnen und Zuschauern nach torloser erster Hälfte zwar in der 58. Minute in Führung geschossen, doch Viktor Gyökeres (75.) und Ousmane Diomande (84.) drehten die Partie zugunsten des 19-fachen portugiesischen Meisters noch um und stellten damit im Duell Lissabon gegen Österreich auf 1:1. Am Vortag hatten die Salzburger ihre Gruppenphase in der Champions League mit einem sensationellen 2:0 bei Benfica eröffnet.

Sturm lieferte den spielstarken Portugiesen dank eines straffen Defensivkonzepts über weite Strecken ein Duell auf Augenhöhe und durfte nach Bövings Führungstreffer dank eines stark aufspielenden Torhüters Kjell Scherpen bis eine Viertelstunde vor Schluss ebenfalls von einer Sensation träumen. Doch ausgerechnet eine missglückte Abwehr des Niederländers leitete schließlich die Wende im Spiel ein. Weiter geht es für Sturm in der Europa League am 5. Oktober (18.45 Uhr, live in ORF1) in Polen bei Rakow Czestochowa.

1:0 durch William Böving

Der 20-jährige Däne war nach einem Stangenschuss zur Stelle und versenkte den Ball trocken im langen Eck.

Sturm mit erwarteter Aufstellung

Um einen ersten Schritt zur angestrebten Überwinterung auf dem europäischen Parkett zu schaffen, hatte Sturm-Trainer Christian Ilzer auf große Überraschungen verzichtet. Wie vermutet, setzte der Steirer auf die Doppelspitze Böving und Manprit Sarkaria im Sturm. Eine Viererkette mit einem leicht vorgezogenen Jon Gorenc Stankovic sollte hinten den portugiesischen Angriffswirbel eindämmen. Sporting war zumindest auf dem Papier sehr offensiv aufgestellt, wie der Dreiersturm Daniel Braganca, der von Ilzer im Vorfeld gelobte Viktor Gyökeres und Trincao suggerierten.

Über der Liebenauer Arena hing vor dem Anpfiff eine positive Grundstimmung in der Luft. Denn gerade der Sporting Clube de Portugal hatte auf österreichischem Rasen schon so manch eine auf den Deckel bekommen. Ältere Semester erinnern sich noch gerne an den 3:0-Erfolg von Salzburg im UEFA-Cup 1993 und den 4:0-Triumph von Rapid zwei Jahre später im Cup der Cupsieger. Und 2019 bzw. 2020 lehrte der LASK die „Löwen“ aus Lissabon u. a. mit einem 3:0 daheim und einem 4:1-Auswärtssieg das Fürchten. Nicht ohne Grund träumte man auch bei Sturm davon, sich im ersten Duell mit einem Club aus Portugal in diese Bilanz einreihen zu können.

Blick ins Stadion
ORF/Karl Huber
Vor dem Anpfiff war die Anspannung in der Liebenauer Arena bis in die letzte Sitzreihe zu spüren

Sporting-Goalie verhindert Sturms Blitzstart

Apropos LASK: Weil der sich gegen Liverpool über weite Strecken gut präsentiert hatte, wollten auch die Sturm-Spieler gegen ihren europäischen Topgegner nicht nachstehen. Viel hätte auch nicht gefehlt, und den Grazern wäre ein Blitzstart gelungen, doch Sporting-Goalie Antonio Adan brachte gerade noch seinen Handschuh zwischen Ball und Linie, als Otar Kiteishvili nach einem Eckball frei mit dem Kopf an die Kugel kam (5.). Es war das Highlight einer starken Minute, in der sich Sturm im Strafraum festgesetzt hatte.

Chancenserie für Sturm

In der fünften Minute klopfte Sturm gefährlich an, bei einem Kopfball von Kiteishvili durfte sich Sporting bei Goalie Adan bedanken.

Ansonsten hatten meist die Gäste den Ball. Das gehörte auch zu Ilzers Konzept, der seine Mannschaft nicht blind ins Pressing geschickt hatte, sondern sie dicht gestaffelt auf die Sporting-Angriffe warten ließ. Vertändelten die Ballstreichler von der iberischen Halbinsel einmal die Kugel, hieß es aus Grazer Sicht schnell in die Gegenrichtung. Was den Hausherren trotz des Rückenwindes eines blendend aufgelegten Publikums jedoch fehlte, war die letzte Präzision. Richtig gefährlich wurde Sturm nicht mehr, ein Weitschuss von Böving, der links am Tor vorbeizischte, war die einzige weitere nennenswerte Offensivaktion (38.).

Immerhin machte Sturm auch hinten dicht – vor allem über die Außenbahnen. Gelang einem Sporting-Spieler einmal ein Durchbruch, schreckten die Verteidiger auch vor rustikalem Einsteigen nicht zurück. Das bescherte den Portugiesen zwar mehrere Freistöße nahe der Strafraumgrenze, doch die Flanken Richtung Zentrum wurden zur Beute von Goalie Kjell Scherpen. Die beste Gelegenheit hatte noch Paulinho kurz vor der Pause, doch der Kopfball des 30-jährigen Routiniers ging knapp drüber (41.). Das torlose Remis nach 45 Minuten war zwar nicht berauschend, aber gerecht.

Böving steht goldrichtig

Die zweite Hälfte begann für die Fans auf der Südtribüne dafür mit einem Deja-vu, denn wieder musste der Torhüter eine Glanzparade auspacken. Diesmal war es Sturm-Schlussmann Scherpen, der bei einem Kopfball von Trincao sein ganzes Können aufbieten musste, um die Grazer vor einem Rückstand zu bewahren (48.). Die 2,06 Meter Körpergröße des Niederländers waren in dieser Situation jeden Zentimeter wert. Immerhin ließ sich Sturm durch die hundertprozentige Chance der Portugiesen nicht einschüchtern, sondern hielt weiter dagegen.

Glanztat von Sturm-Tormann Scherpen

Der Niederländer drehte einen Kopfball von Paulinho kurz nach der Pause gerade noch um die Stange und verhinderte damit eine kalte Dusche.

Mehr noch: Die Grazer schienen durch die Großchance sogar selbst offensiv aufzuwachen – und wurden in der 58. Minute mit dem Führungstreffer belohnt. Böving versenkte den Ball trocken im langen Eck, nachdem ein Weitschusshammer von Kiteishvili aus gut 30 Metern von der Stange genau vor seine Beine gesprungen war. Dass Scherpen praktisch im Gegenzug mit einer weiteren Glanzparade gegen einen wuchtigen Schuss aus der Drehung von Paulinho die Führung festhielt, war die Kirsche auf dem Kuchen (59.).

Scherpen als tragischer Held

Wenig überraschend rückte der Grazer Goalie nun immer mehr in den Mittelpunkt, denn die Portugiesen hatten wenig überraschend keine Lust, ohne Punkte nach Hause zu fliegen. So wie der Erzrivale Benfica am Vortag an Alexander Schlager verzweifelte aber vorerst Sporting an Scherpen. In der 66. Minute war der Niederländer gleich doppelt zur Stelle: Zuerst parierte Scherpen einen Volley von Paulinho aus kurzer Distanz, und auch den „Rebound“ von Goncalo Inacio fischte der 23-jährige Tormannriese aus dem Eck.

Scherpen zeichnet sich doppelt aus

Der Niederländer verhinderte mit zwei Glanzparaden in der 66. Minute noch den Ausgleich.

Eine Viertelstunde vor Schluss waren aber nur die Sporting-Fans zu hören, denn Gyökeres hatte zum Ausgleich abgestaubt (75.). Der Schwede schaltete um ein Alzerl schneller als David Affengruber und bugsierte den Ball über die Linie, da ausgerechnet der bis dahin stark aufspielende Scherpen einen zentralen und nicht allzu scharfen Schuss nicht aus der Gefahrenzone bugsiert hatte. Wie sehr der Ausgleich gesessen hatte, war den Sturm-Spielern anzumerken, denn Sporting wurde nun immer gefährlicher.

Gyökeres staubt zum Ausgleich ab

Der schwedische Teamspieler war nach einer etwas missglückten Abwehr schneller am Ball als Affengruber und staubte zum 1:1 ab.

Und keine acht Minuten nach dem 1:1 musste Scherpen den Ball ein zweites Mal aus dem Netz holen. Diomande zog nach einem Haken von der Strafraumgrenze ab, Coates fälschte das Leder noch entscheidend ab, und der Grazer Goalie war geschlagen (84.). Immerhin gab sich Sturm noch nicht geschlagen und versuchte noch einmal das Ruder herumzureißen. Doch anders als etwa vergangenes Jahr beim 1:0-Sieg über Feyenoord Rotterdam blieb den Grazern ein „Lucky Punch“ verwehrt. Der eingewechselte Tomi Horvat kam ihm noch am nächsten, doch sein Schuss aus über 25 Metern zischte knapp über das Lattenkreuz (89.).

Stimmen zum Spiel:

Christian Ilzer (Sturm-Trainer): „Wir sind natürlich alle enttäuscht, wir haben viel richtig gemacht. Aufgrund der zweiten Halbzeit war es ein verdienter Sieg, auch wenn die Tore zu verteidigen gewesen wären. In der ersten Halbzeit war es ein taktisches Spiel, wo wir uns neutralisiert haben. Mit dem Tor haben wir das Momentum gekriegt. Kjell hatte zwei Wunderparaden und wir das Gefühl, dass wir das Spiel stabilisieren und hier gewinnen können. Dann kassieren wir diese Gegentore und deshalb ist es bitter und sehr enttäuschend.“

Stefan Hierländer (Sturm-Kapitän): „Es ist bitter, wenn man zu Hause 1:0 führt und das Spiel aus der Hand gleiten lässt. Es wäre mehr drin gewesen. Der Treffer ist für uns genau zur richtigen Zeit gekommen. Es war ein offenes Spiel, beide Mannschaften haben sich neutralisiert. Nach dem Tor haben wir einen Energieverlust gehabt und sind nicht mehr so griffig gewesen. Sporting hat mit ein paar Wechseln richtig Qualität ins Spiel reingebracht. Wir haben es nicht so verteidigt, wie man es verteidigen müsste.“

Ruben Amorim (Sporting-Trainer): „Es war eine kampfbetonte Partie, auch wegen des Drucks des Gegners. Wir haben Sturm in einem anderen System erwartet, das hat uns anfangs überrascht. Sturm ist stark im Umschaltspiel, stark bei Standardsituationen. Es war letztendlich ein guter Abend mit dem gerechten Ergebnis und jetzt denken wir an das Spiel gegen Rio Ave. Was die Stimmung angeht, hat es mich ein bisschen an Eintracht Frankfurt erinnert.“

UEFA Europa League, Gruppe D, erster Spieltag

Donnerstag:

Sturm – Sporting Lissabon 1:2 (0:0)

Graz, Stadion Graz Liebenau, 13.517, SR Dabanovic (MNE)

Torfolge:
1:0 Böving (58.)
1:1 Gyökeres (75.)
1:2 Diomande (84.)

Sturm: Scherpen – Gazibegovic (88./Johnston), Affengruber, Wüthrich, Dante – Hierländer (88./Fuseini), Gorenc-Stankovic, Prass – Kiteishvili (68./Horvat), Böving (88./Teixeira) – Sarkaria (63./Wlodarczyk)

Sporting: Adan – Diomande, Inacio, Coates – Catamo (77./Fresneda), Braganca (77./Edwards), Hjulmand (77./Morita), Reis (62./Santos) – Paulinho, Gyökeres, Trincao (62./Goncalves)

Gelbe Karten: Gazibegovic, Affengruber bzw. Paulinho