Jeremy Doku (BEL) und Patrick Wimmer (AUT)
IMAGO/ANP/Belgium V Austria
EM-Qualifikation

Belgische Jungstars rücken ins Rampenlicht

Für viele Beobachter hat sie zu wenig aus ihren Möglichkeiten gemacht. Belgiens „Goldene Generation“ ist ohne Titel geblieben, auch ein großes Finale war Eden Hazard und Co. nicht vergönnt. Mittlerweile ist in Belgiens Fußball eine neue Generation herangereift, die aus dem Schatten ihrer Vorgänger treten soll. Hochkarätig besetzt ist Österreichs EM-Quali-Gegner am Freitag (20.45 Uhr) trotz des Ausfalles von Kevin De Bruyne vor allem in der Offensive.

Das größte Potenzial wird Jeremy Doku bescheinigt. Manchester City ließ sich den Flügelspieler von Stade Rennes im Sommer 60 Millionen Euro kosten. Der 21-Jährige hat auch im Starensemble von Pep Guardiola schnell Fuß gefasst. In vier der jüngsten fünf Ligapartien von City stand Doku in der Startformation. „Er ist geschickt, er ist schnell und er kann dribbeln“, sagte De Bruyne über seinen Clubkollegen beim englischen Meister. „Er ist ein echter Rohdiamant.“

Die „Rode Duivels“ (dt.: „Rote Teufel“) verfügen noch über andere junge Hoffnungsträger. Charles De Ketelaere (22) von Atalanta Bergamo könnte gegen das ÖFB-Team im offensiven Mittelfeld den verletzten Arsenal-Mann Leandro Trossard ersetzen. RB Leipzigs Rekordzugang Lois Openda (38,5 Mio. Euro Ablöse) kommt in Belgiens Sturmzentrum hinter Altstar Romelu Lukaku nur von der Bank. Dabei hat der 23-Jährige für seinen neuen Club bisher mit Toren und Assists überzeugt.

ÖFB-Team trifft auf Belgien

Im Schlager der EM-Qualifikationsgruppe F trifft Österreich auf Tabellenführer Belgien.

Hochkarätig ist die Nummer fünf der Weltrangliste des Internationalen Fußballverbands (FIFA) auch im Mittelfeld besetzt. Um Amadou Onana, 22-jähriger Legionär bei Everton, buhlen nicht nur wegen seiner Physis fast alle englischen Topclubs – allen voran Manchester United. Der 1,95-Meter-Mann ist für seine Größe mit dem Ball überdurchschnittlich stark. Ausgebildet wurde er von seinem 16. bis 19. Jahr in Hoffenheim, ehe es über den HSV und Lille im Vorsommer für 35 Mio. Euro nach England ging. Dort sind auch seine Nationalteamnebenleute Orel Mangala (Nottingham Forest) und Youri Tielemans (Aston Villa) tätig.

Lois Openda (RB Leipzig)
IMAGO/Christian Schroedter
Lois Openda hat in dieser Saison schon sechs Scorerpunkte für Leipzig erzielt

„Goldene Generation“ mischt weiterhin mit

Die „Goldene Generation“, die 2018 bei der Weltmeisterschaft Dritter wurde, ist weiterhin gut vertreten, wobei in Wien die Stars De Bruyne (Manchester City) und Thibaut Courtois (Real Madrid) fehlen, Eden Hazard wurde beim 1:1 gegen Österreich in Brüssel verabschiedet und hat mittlerweile seine Karriere endgültig beendet. Altmeister Lukaku hat sich bei der AS Roma zuletzt wieder in Torlaune präsentiert.

Unter Teamchef Domenico Tedesco zählt auch Yannick Carrasco, der Anfang September von Atletico Madrid zu al-Schabab gewechselt war, weiter zum Stamm. An Jan Vertonghen, mit 150 Länderspielen Belgiens Rekordspieler, hält Tedesco fest. Der 36-jährige Verteidiger spielt seit dem Vorjahr wieder in der Heimat bei Anderlecht.

Romelu Lukaku (AS Roma)
Reuters/Alberto Lingria
Bei seinem neuen Club, der Roma, hat Lukaku in sechs Spielen bereits fünfmal getroffen

Tedesco selbst ist nur zwei Jahre älter. Der Deutsch-Italiener hatte im Februar nach dem WM-Debakel mit dem Aus in der Gruppenphase bei den Belgiern angeheuert. Mit Leipzig gewann er 2022 den DFB-Pokal, sein Engagement beim Red-Bull-Club war aber nach weniger als einem Jahr bereits wieder zu Ende. Tedesco gilt in seiner Spielanlage als wandelbar. Mit den Belgiern praktiziert er vor allem ein 4-2-3-1 bzw. 4-3-3, in dem sie ihre Gefahr über die Flügel besonders gut ausstrahlen.

Abwesender Courtois sorgt für Gesprächsstoff

Ein großer Abwesender sorgt unterdessen in Belgien weiter für Gesprächsstoff. Real-Madrid-Torhüter Courtois fehlt wegen seines Kreuzbandrisses, bei seinem bisher letzten Auftritt für die „Roten Teufel“ hatte der 31-Jährige das Camp vorzeitig verlassen.

Über die Bedingungen für eine Rückkehr des Stargoalies herrscht vier Monate nach der Affäre immer noch keine Klarheit. Courtois war verärgert darüber, dass Stürmerstar Lukaku im Juni im Hinspiel gegen Österreich anstelle des verletzten De Bruyne Kapitän war und nicht er. Der Keeper trat daraufhin die Reise zum folgenden Spiel in Estland (3:0), wo er als Spielführer vorgesehen war, nicht an. Tedesco zeigte sich „schockiert“, die von Courtois vorgeschobene Verletzung stellte der Deutsch-Italiener in Abrede, was Courtois verärgerte.

Thibaut Courtois (BEL)
Reuters/Yves Herman
Courtois fehlt derzeit verletzt und ist dennoch ein großes Thema

Die Friedenspfeife ist bisher nicht geraucht. Und auch im Kader sorgt der Disput noch immer für Diskussionen. „Es wäre seltsam, wenn Thibaut einfach zurückkommen würde, als ob nichts geschehen wäre“, meinte Außenverteidiger Timothy Castagne zu Wochenbeginn in einem Interview mit der Zeitung „Le Soir“. Das Problem müsse gelöst werden. „Wenn er nicht mehr kommen will, ist es seine Entscheidung.“ Mittlerweile hat sich Castagne für das Timing des Interviews entschuldigt und laut eigenen Angaben auch mit Courtois gesprochen.

Dazu schaltete sich Lukaku vor der Abreise nach Wien in die Debatte ein. Wenn Courtois zurückkehre, „bin ich der Erste, der ihn mit offenen Armen empfängt“, sagte Belgiens Rekordtorschütze. „Ich sage es aus tiefstem Herzen: Wir müssen das, was passiert ist, hinter uns lassen.“ Derzeit sei das Wichtigste eine vollständige Genesung. Wenn Courtois zurückkehre, werde er „von großem Wert“ für das Team sein, meinte der Ersatzkapitän. „In der Kabine wird er für sich selbst sprechen.“ In Belgien geht allerdings die Angst um, der vielleicht beste Torhüter der Welt sei so verärgert, dass er unter Tedesco überhaupt nicht mehr für die „Roten Teufel“ spielen wolle. Seit Juni habe es keinen Kontakt mit Courtois gegeben, sagte Tedesco diese Woche.

Österreich gegen Belgien seit 64 Jahren ohne Sieg

Dass der Weltklassetormann in Wien fehlen wird, ist für Österreichs geschwächtes Team kein Nachteil. Will das ÖFB-Team bereits am Freitag das EM-Ticket lösen, muss es auch eine lange Durststrecke beenden. Die ÖFB-Auswahl hat seit 64 Jahren nicht gegen Belgien gewonnen. Seit dem jüngsten vollen Erfolg am 14. Juni 1959 (4:2 in einem Freundschaftsspiel in Wien) gab es in sechs Partien zwei Niederlagen und vier Remis. Die acht Duelle davor gewann Österreich.

Die Gesamtbilanz in 15 Spielen ist mit neun Siegen (Torverhältnis: 42:19) aus ÖFB-Sicht also immer noch klar positiv. Beim bisher letzten Sieg der ÖFB-Auswahl gegen die Belgier 1959 glänzte Erich Hof, Legende des Wiener Sport-Club, mit einem Doppelpack. Als ÖFB-Kapitän fungierte Gerhard Hanappi, als Teamchef Karl Decker.

Bilanz Österreichs gegen Belgien

15 Spiele – 9 Siege, 4 Remis, 2 Niederlagen (Torverhältnis 42:19)

13.12.1925 (FS), Lüttich: Belgien – Österreich 3:4
22.5.1927 (FS), Wien: Österreich – Belgien 4:1
8.1.1928 (FS), Brüssel: Belgien – Österreich 1:2
11.12.1932 (FS), Brüssel: Belgien – Österreich 1:6
11.6.1933 (FS), Wien: Österreich – Belgien 4:1
14.10.1951 (FS), Brüssel: Belgien – Österreich 1:8
23.3.1952 (FS), Wien: Österreich – Belgien 2:0
24.5.1959 (FS), Brüssel: Belgien – Österreich 0:2
14.6.1959 (FS), Wien: Österreich – Belgien 4:2
22.3.1978 (FS), Charleroi: Belgien – Österreich 1:0
28.3.1979 (EM-Q), Brüssel: Belgien – Österreich 1:1
2.5.1979 (EM-Q), Wien: Österreich – Belgien 0:0
12.10.2010 (EM-Q), Brüssel: Belgien – Österreich 4:4
25.3.2011 (EM-Q), Wien: Österreich – Belgien 0:2
17.6.2023 (EM-Q), Brüssel: Belgien – Österreich 1:1