EM-Qualifikation

Österreich muss sich Belgien beugen

Österreichs Fußballnationalteam hat sich am Freitag in der EM-Qualifikation dem Favoriten aus Belgien knapp mit 2:3 (0:1) geschlagen geben müssen. Im mit 47.000 Zuschauerinnen und Zuschauern ausverkauften Wiener Ernst-Happel-Stadion lag das ersatzgeschwächte Team von Ralf Rangnick zwischenzeitlich mit 0:3 zurück, ehe Österreich ein mitreißendes Comeback gelang. Am Ende jubelte Belgien über das gelöste EM-Ticket, das ÖFB-Team kann am Montag (18.00 Uhr, live in ORF1) folgen, wenn man bei Außenseiter Aserbaidschan gewinnt.

Die Österreicher lagen nach der ersten Offensivaktion der Belgier zurück, Dodi Lukebakio traf nach Einzelleistung zum 0:1 (12.). Die ohne David Alaba und Marko Arnautovic angetretenen Gastgeber waren bemüht, vergaben aber ihre Möglichkeiten. Den Belgiern gelang nach der Pause ein Doppelschlag durch einen zweifach abgefälschten Abschluss von Lukebakio (55.) und Stürmerstar Romelu Lukaku (58.).

Doch Österreich kam noch einmal zurück: Konrad Laimer verkürzte zum 1:2 (72.), ehe es turbulent wurde. Amadou Onana sah Gelb-Rot (78.), Marcel Sabitzer verwertete einen Handelfmeter (84.) und in einem Tollhaus im Wiener Prater warf das ÖFB-Team noch einmal alles nach vorne, doch Belgien brachte das EM-Ticket ins Trockene. Das ÖFB-Team musste sich erstmals nach acht ungeschlagenen Spielen beugen.

2:3 durch Sabitzer (84. Minute)

Der „Joker“ verkürzt mit einem Handelfmeter.

Weiter geht es für Österreich in Baku gegen die Aserbaidschaner, die am Freitag mit einem 2:0 in Estland den ersten vollen Erfolg in der Qualifikation verbuchten. Zum Abschluss geht es einen Monat später in Estland noch um Punkte, ehe fünf Tage später das Jahr in einem Testspiel gegen Rangnicks Heimat Deutschland beschlossen wird.

Vorfreude auf Schlagerspiel

Das Heimspiel gegen die Nummer fünf der Welt war binnen weniger Stunden ausverkauft, oder anders formuliert: Der Hype um das ÖFB-Team setzte sich fort. Es war freilich nicht immer so, dass sich schon zwei Stunden vor dem Spiel Tausende Fans rund um das Stadion versammelten und sich pünktlich zum Einlass vor den Toren anstellten. Unter Rangnick stimmen nicht nur zumeist die Ergebnisse, auch die Art und Weise des Gezeigten lockt offenkundig die Massen an.

Fans im Happel Stadion mit einer Choreographie
ORF/Bernhard Kastler
Auch die Fans wussten sich in Szene zu setzen

Die Fans gaben es mit ihrer Unterstützung zurück, die Mannschaft wurde mit einer stimmungsvollen Version von „I am from Austria“ in die Katakomben begleitet, gefolgt von der beliebten Publikumswelle und einer unübersehbaren Choreografie des Fanclubs „Hurricanes.“

Rangnick überrascht mit Debütant

Wer es in den Tagen zuvor noch nicht mitbekommen hatte: Österreich musste gegen die „Roten Teufel“ einige Spieler verletzt vorgeben. Mit Kapitän Alaba und Stürmer Arnautovic fehlten die beiden Starspieler, mit Michael Gregoritsch zudem der ÖFB-Toptorschütze in diesem Jahr. „Es kann sein, dass Sie den Spielberichtsbogen in der Hand haben und immer noch fragen, wer spielt jetzt wo“, sagte Rangnick am Tag vor dem Spiel und stiftete damit vor allem beim Gegner Verwirrung.

Amadou Onana (Belgien) gegen Manprit Sarkaria (Österreich)
AP/Florian Schroetter
Manprit Sarkaria gab gegen die Belgier sein Debüt im Nationalteam

Der Fußballprofessor hatte schließlich 75 Minuten vor dem Spiel auch eine größere Überraschung parat, das Debüt von Manprit Sarkaria hatten wohl die wenigsten auf der Rechnung. Der Sturm-Graz-Spieler startete im Angriff neben Christoph Baumgartner. Bei Marcel Sabitzer reichte es nicht für einen Einsatz von Beginn an, für ihn kam Florian Grillitsch zu Startelfehren, und den Job als Rechtsverteidiger gewann schließlich Nicolas Seiwald. Ersatzkapitän Konrad Laimer wurde wie erwartet im Mittelfeld benötigt. Auch den Belgiern fehlten zwei Stars: Mittelfeldmann Kevin de Bruyne und Goalie Thibaut Courtois.

Belgien führt nach erster Offensivaktion

Die Österreicher starteten gut in die Partie und verlagerten das Spiel vermehrt in die gegnerische Hälfte. Wenn die Belgier herausspielten, pressten die Hausherren an, sonst versuchte man die Offensivkraft der Gäste im Verbund mit Kompaktheit nicht zur Entfaltung kommen zu lassen. Das gelang bis zur zwölften Minute: Dann lancierte Belgien einen Angriff über mehrere Stationen auf der rechten Seite, Sevillas Dodi Lukebakio ließ Philipp Lienhart hinter sich und vollendete aus spitzem Winkel ins lange Eck zur Führung aus dem Nichts (12.).

0:1 durch Lukebakio (12. Minute)

Die Belgier gehen in Wien in Führung.

Der Dämpfer musste kurz verdaut werden, ehe sich Österreich wieder fand und die teils behäbige belgische Defensive forderte. Den Anfang machte Debütant Sarkaria, der Matz Sels prüfte. Im Tor befand sich „nur“ die Nummer drei der Gäste, da auch Wolfsburgs Koen Casteels ausfiel. Es bot sich also auch an, vermehrt den Abschluss zu suchen, denn der Straßburg-Keeper ließ den Ball auch gerne nach vorne aus. So auch im Fall von Patrick Wimmer, der den nächsten Schuss abgab (22.).

Österreich findet Chancen vor, Belgien trifft

Die Belgier hatten es mit der Führung im Rücken nicht zwingend eilig. Auf der Seite schränkte Seiwald die Kreise des schnellen und technisch so beschlagenen Jeremy Doku vorerst ein, so verzeichnete nur Amadou Onana mit einem Weitschuss belgische Gefahr (26.). Danach kam das Spiel zur Ruhe, auch Österreich musste mit den Kräften haushalten, fand aber noch eine Chance vor: Nach Grillitsch-Hereingabe scheiterte Baumgartner an Sels, Wimmer schoss danach Castagne an, und Xaver Schlager jagte das Leder knapp über das Tor (42.). Es blieb zur Pause beim 0:1, Pfiffe blieben zu Recht aus, auch das war nicht immer so.

0:2 durch Lukebakio (55. Minute)

Der Sevilla-Legionär erhöht für die Gäste.

Nach der Pause blieb Österreich weiter dran, Baumgartner fehlte bei einem Distanzschuss ebenso wenig (50.) wie eine Minute später Linksverteidiger Maximilian Wöber, der nach Sarkaria-Zuspiel das Leder vorbeischob. Österreich schnupperte zumindest am Ausgleich.

Kevin Danso (AUT), Romelu Lukaku (BEL) und Alexander Schlager (AUT) beim Tor zum 3:0
APA/Georg Hochmuth
Lukaku erzielte das Tor zum 3:0, am Ende wurde es aber noch einmal spannend

Den besseren Torriecher hatten aber die Belgier an diesem Abend, auch wenn Lukaku mit einem Heber an der Latte scheiterte (54.). Der infolge dieser Aktion entstandene Freistoß führte aber zum 0:2: Der zur Pause eingewechselte Yannick Carrasco legte auf Lukebakio ab, dessen Abschluss von der rechten Seite wurde sowohl von Wimmer als noch mehr von Seiwald unhaltbar ins kurze Eck abgefälscht (55.).

Mitreißende Schlussphase

Drei Minuten später nützte Belgien die österreichische Unordnung aus, allen voran Doku, der mit seinem starken Dribbling gleich drei Gegner auf sich zog und schließlich Lukaku freispielte. Der Stürmer ließ sich nicht zweimal bitten und vollendete ins lange Eck zur Vorentscheidung (58.). Das 0:3 spiegelte aber keineswegs die Leistung beider Teams auf dem Feld wider, was auch die Anhänger mit Anfeuerungsrufen hörbar untermauerten. Die Unterstützung sollte sich einmal mehr auszahlen.

1:3 durch Laimer (73. Minute)

Der Ersatzkapitän verkürzt aus der Distanz.

Eine turbulente Schlussphase läutete ein präziser Distanzschuss von Laimer ein, der nach Ballgewinn aus rund 20 Metern via Innenstange verkürzte (72.). Österreich hatte einige frische Beine auf dem Feld, darunter den nächsten Debütanten, Samson Baidoo sowie Rückkehrer Sasa Kalajdzic im Angriff. Österreich bekam noch einmal eine zweite Luft, weil sich Belgien in Person von Onana nach Foul an Schlager selbst mit einer Gelb-Roten Karte schwächte. In der anschließenden Rudelbildung kamen sich Lukaku und Wimmer besonders nahe, Letzter wurde gelbverwarnt sofort ausgetauscht. Rangnick verhalf Sabitzer zu seinem Comeback, und der sollte wenig später in Erscheinung treten.

Marcel Sabitzer (AUT) bei seinem Elfmeter-Tor zum 2:3
APA/Georg Hochmuth
Sabitzer verkürzte zum 2:3 und verwandelte das Stadion noch einmal in ein Tollhaus

Nach einer Schlager-Flanke bekam Arthur Theate den Ball an die Hand, und weil Letztere so weit weg vom Körper war, entschied sich Schiedsrichter Jesus Gil Manzano nach einem Videocheck sehr zur Freude der Fans auf Elfmeter. Sabitzer verwandelte rechts unten sicher und sorgte dafür, dass auch die anwesenden Alaba und Arnautovic von ihren Sitzen sprangen. In einer packenden Schlussphase behielten die Belgier die Nerven, Österreich lief an, kam aber zu keiner zwingenden Chance mehr. Grillitsch scheiterte mit einem Schuss knapp. Trotz Niederlage feierten die Fans ihr Team, die EM-Party ist aufgeschoben.

Stimmen zum Spiel

Ralf Rangnick (ÖFB-Teamchef): „Wir haben ein richtig gutes Spiel gemacht, wenn man bedenkt, wie wir vom Personal her auf dem Platz gestanden sind. Dafür haben wir extrem mutig gespielt und sehr viele Balleroberungen in der ersten Halbzeit gehabt. Die Jungs haben gezeigt, dass sie selbst nach dem 0:3-Rückstand an sich geglaubt haben. Das Ergebnis fühlt sich insgesamt komisch an, aber wir haben ein extrem mutiges Spiel gemacht. Am Schluss haben die Belgier gezittert, schade. Insgesamt bin ich mit dem Auftritt der Mannschaft sehr zufrieden. Wir wissen, dass wir eine richtig coole Truppe haben. Dass wir eine echte Chance gehabt haben, das Spiel noch auszugleichen, ist auch nicht selbstverständlich.“

Domenico Tedesco (Belgien-Teamchef): „Es ist wunderbar für uns alle und für ganz Belgien. Wir wollten unterbinden, dass Österreich sein vertikales Spiel aufzieht. Wir wollten geduldig und aus dem Konter gefährlich sein. Das hat gut funktioniert, wir haben Tore aus diesen Situationen erzielt. Wir haben uns aber auch zu weit zurückgezogen. Nach dem 3:0 war es nicht vorbei, das war mir klar. Laimer hat ein fantastisches Tor geschossen. Tatsache ist, dass es sehr, sehr schwierig ist gegen Österreich. Sie haben nicht aufgehört. Sie haben einen guten Trainer, gute Qualität, gute Mentalität. Wir sind auf einem guten Weg in vielen Punkten, wir können uns aber noch verbessern.“

EM-Qualifikation, sechster Spieltag

Freitag:

Österreich – Belgien 2:3 (0:1)

Wien, Happel-Stadion, 47.000 (ausverkauft), SR Manzano/ESP

Torfolge:
0:1 Lukebakio (12.)
0:2 Lukebakio (55.)
0:3 Lukaku (58.)
1:3 Laimer (73.)
2:3 Sabitzer (84./Handelfmeter)

Österreich: A. Schlager – Seiwald, Danso (66./Baidoo), Lienhart, Wöber (71./Prass) – Laimer, Grillitsch, X. Schlager, Wimmer (79./Sabitzer) – Baumgartner (66./Cham) – Sarkaria (66./Kalajdzic)

Belgien: Sels – Castagne, Faes, Vertonghen, Theate – Lukebakio (71./Bakayoko/88. Vermeeren), Mangala (64./Tielemans), Onana, Doku (88./Keita) – Openda (46./Carrasco), Lukaku

Gelb-Rot: Onana (78./wiederholtes Foulspiel)

Gelbe Karten: Grillitsch, Seiwald, Wimmer, Laimer bzw. Mangala, Castagne, Lukaku