Italienische Nationalmannschaft
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EM-Qualifikation

Italien bangt vor Hit in Wembley doppelt

Am Dienstag steht im Londoner Wembley-Stadion im Rahmen der EM-Qualifikation für die Endrunde 2024 die Neuauflage des Endspiels 2021 zwischen England und Italien auf dem Programm. Speziell die Italiener bangen vor dem Schlager doppelt: Einerseits muss gegen die Engländer ein Sieg her, um den Kampf um ein Ticket nicht zur Zitterpartie werden zu lassen, andererseits droht den „Azzurri“ ein neuerlicher Skandal. Nur Stunden vor dem Anpfiff gab es auch die ersten juristischen Konsequenzen.

Sportlich kann Italien mit einem Erfolg gegen England nach der 1:2-Heimniederlage im März einen großen Schritt Richtung EM in Deutschland machen. Die „Squadra Azzurra“ ist vor der punktegleichen Ukraine Tabellenzweiter, hat aber eine Partie weniger absolviert. Die ersten beiden Teams lösen das Ticket direkt, den mühsamen Umweg über die Play-offs wollen der neue Nationalcoach Luciano Spalletti und sein Team unter allen Umständen vermeiden.

„Es ist ein Spiel, wo wir sehen werden, welches Potenzial wir haben“, sagte Spalletti. Bei einer Niederlage würde der Europameister von 2021 vor den entscheidenden Spielen gegen Nordmazedonien und die Ukraine im November noch stärker unter Druck geraten. Von den drei Jungstars wird nach Lage der Dinge dann keiner dabei sein. Die Engländer haben mit einem Plus von drei Punkten als ungeschlagener Tabellenführer beste Aussichten.

Wettskandal um Juve-Jungstar

Mehr als die Ausgangslage beschäftigt die Italiener aber ein Wettskandal, der in Medien bereits als „Tsunami“ bezeichnet wird. Nicht weniger als drei Jungstars stehen unter Verdacht, an illegalen Onlinesportwetten beteiligt gewesen zu sein. Am Dienstagabend sollen die Namen weiterer Fußballer genannt werden, die in den Skandal verwickelt sind. Das kündigte der ehemalige Promifotograf Fabrizio Corona an, der den Skandal ans Licht gebracht hatte. Der 49-Jährige wurde gerade erst nach sieben Jahren Haft entlassen, unter anderem wegen Erpressung.

Nach Coronas jüngster Ankündigung ist nicht nur die Unruhe groß, die Erwartungen sind es auch. Denn die Angelegenheit könnte den italienischen Fußball nachhaltig erschüttern. Zentrale Figur des Wettskandals ist bisher Nicolo Fagioli. Der 22-jährige Mittelfeldspieler von Juventus Turin soll bei Sportwetten im Internet mehr als eine Million Euro verspielt haben. Angeblich wussten bei Juve mehrere Mitspieler über seine Probleme Bescheid. Vom Italienische Fußballverband (FIGC) wurde er am Dienstag nach einer Vereinbarung mit den Anklägern des Sportgerichts für sieben Monate gesperrt.

Nicolo Fagioli
AP/Antonio Calanni
Nicolo Fagioli steht im Fokus des immer größer werdenden Wettskandals

Italienischen Medienberichten zufolge ist Fagioli inzwischen geständig und kooperiert mit der ermittelnden Staatsanwaltschaft in Turin, um für sich eine geringere Strafe zu erreichen. Er bestreitet aber, auf Spiele der eigenen Mannschaft gewettet zu haben. Glücksspiel ist in Italien grundsätzlich erlaubt, das gilt allerdings nicht für illegale Onlineplattformen. Spieler dürfen auch nicht in Sportarten wetten, in denen sie selbst aktiv sind. Bei einem Fehlverhalten drohen neben Geldstrafen mindestens drei Jahre Sperre – national wie international.

Die verhältnismäßig geringe Sperre Fagiolis beträgt insgesamt zwölf Monate, fünf davon kann der 22 Jahre alte Mittelfeldspieler aber mit einer Reihe anderer Verpflichtungen ableisten. Dazu gehört, dass Fagioli sich ein halbes Jahr lang einer Therapie gegen seine Spielsucht unterzieht. Hinzu kommen 12.500 Euro Geldstrafe.

Duo aus Teamkader entlassen

Inzwischen hat die Affäre aber noch mit dem 23-jährigen Sandro Tonali und seinem 24-jährigen Nationalteamkollegen Nicolo Zaniolo zwei weitere Jungstars erfasst. Im Zusammenhang mit dem anstehenden Gipfel in Wembley besonders brisant: Beide stehen in der englischen Premier League unter Vertrag. Tonali wechselte erst im Sommer von Milan für geschätzte 80 Millionen Euro zu Newcastle United, Zaniolo spielt bei Aston Villa.

Das Duo wurde vom italienischen Verband sofort aus dem Trainingslager für die EM-Qualifikation entlassen, nachdem ihre Namen bekanntwurden. Ermittler beschlagnahmten Handys und Tablets der Verdächtigen. Insbesondere der Fall Tonali wird nun intensiv verfolgt. Er galt für viele in Italien als möglicher Nachfolger von Mittelfeldstratege Andrea Pirlo. Einem Bericht der Zeitung „La Repubblica“ (Montag-Ausgabe) zufolge ist Tonali nun ebenfalls geständig und bereit, mit der Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten. Er sei „am Boden zerstört“, hieß es von seinen Anwälten.