Mikaela Shiffrin mit Kristallkugeln
GEPA/Harald Steiner
Ski alpin

Shiffrin misst sich nicht mehr an Trophäen

Mikaela Shiffrin hat mit 28 Jahren bereits alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Doch auch vor dem Auftakt in ihre 13. Weltcup-Saison am Samstag in Sölden (10.00 bzw. 13.00 Uhr live in ORF1) ist die Ausnahmekönnerin aus den USA noch immer topmotiviert. Trophäen und Medaillen seien aber dabei nicht mehr der Maßstab. „Wie viel schneller kann ich Ski fahren?“, lautet Shiffrins eigene Vorgabe.

„Um ehrlich zu sein, ist auf meiner To-do-Liste überhaupt nichts mehr offen“, sagte die erfolgreichste Alpinskisportlerin aller Zeiten. In der vergangenen Saison schwang sich Shiffrin mit 14 weiteren Weltcup-Siegen und damit insgesamt 88 zu erfolgreichsten Person auf zwei Ski aller Zeiten auf. Ihr fünfter Sieg im Gesamtweltcup sowie die kleinen Kristallkugeln in Riesentorlauf und Slalom waren die logische Folge. Dazu kamen bei der WM in Courchevel eine Goldene im Riesentorlauf sowie zwei Silbermedaillen in Super-G und Slalom.

Nackte Zahlen werden der zweifachen Olympiasiegerin, siebenfachen Weltmeisterin und Slalom-Königin (53 Siege) längst nicht mehr gerecht. In der Sommerpause ist Shiffrin vom renommierten „Time“-Magazin als eine der weltweit 100 einflussreichsten Persönlichkeiten 2023 geehrt worden, sie ist die momentan einzige globale Botschafterin des alpinen Skisports. Dass ihr Blick auf die Welt nicht im Ziel der Skipisten endet, half ihr in den vergangenen Jahren, das Profil als Superstar zu schärfen.

Mikaela Shiffrin während Slalom
GEPA/Harald Steiner
Am 11. März löste Shiffrin mit ihrem damals 87. Sieg in Aare Ingemar Stenmark an der Spitze ab

Sportlich ist Shiffrin mit 28 Jahren wohl am Zenit ihres Schaffens. „Ich werde auch ohne eine weitere Goldmedaille ein glückliches Leben führen, und ich glaube, das verdeutlicht ganz schön, wo ich in meiner Karriere stehe“, sagte Shiffrin in einem Reuters-Interview. „Ich bin glücklich, das sagen zu dürfen, weil es der finale Schritt für viele Athletinnen und Athleten in deren Karrieren ist.“ Auch wenn sich die US-Amerikanerin nicht mehr an Trophäen misst, wäre die Einstellung des Rekordes von sechs Gesamtweltcup-Siegen von Annemarie Moser-Pröll aber dann doch etwas Besonderes. Es wäre „wahrscheinlich der größte Erfolg“ ihrer Karriere, sagte Shiffrin vor dem Auftakt.

„Wie viel schneller kann ich fahren?“

Daher gehe es für sich vermehrt darum, ihre eigenen Grenzen zu verschieben. „Ich möchte sehen, wie weit ich in diesem Sport gehen kann. Ich habe das Gefühl, immer noch schneller zu werden“, sagte die 28-Jährige vor dem Saisonstart auf dem Rettenbachferner. Nach dem Ende der vergangenen Saison habe sie „eine Klarheit gespürt, die ziemlich spektakulär war. Ich schätze mich glücklich, sagen zu können: Grundsätzlich habe ich genug (Gold) gewonnen. Aber mein Erfolgshunger ist noch da, keine Frage.“

Mikaela Shiffrin mit Goldmedaille
GEPA/Mathias Mandl
Die RTL-Goldene in Courchevel war bereits die siebente der Ausnahmeläuferin bei Weltmeisterschaften

An Spannung zu verlieren sei im Spitzensport auch gefährlich, so die Ausnahmeläuferin. „Ich habe das Gefühl, dass sich viele Athleten in Zwischensaisonen verletzen, weil sie ihren Fuß vom Gas nehmen“, sagte Shiffrin, die es bisher geschafft hat, ohne schwere Verletzung zu bleiben. „Eines meiner größten Ziele für dieses Jahr ist es, nicht selbstzufrieden zu sein.“

Ein anderes Ziel liegt im schnellen Metier, denn in der Abfahrt will sie die Allerbesten um Sofia Goggia noch mehr fordern. „Ich habe im Sommer wieder mehr Speed trainiert, da kann ich noch einiges verbessern.“ In der Vorsaison schaffte es die Allrounderin bei allen fünf Abfahrtsstarts unter die Top Sieben, aber nie aufs Podest. Abzuwarten bleibt, wie viele der 45 Rennen sie in Angriff nimmt. Läuft im Gesamtweltcup alles wie üblich, wird Shiffrin wieder die eine oder andere Destination auslassen.

Neue Trainerin, neuer Input

Den Job, die dominierende Skifahrerin der Gegenwart noch besser zu machen, erledigt nun – neben Kotrainer Mark Mitter und Mutter Eileen – federführend die Norwegerin Karin Harjo. Sie war zuletzt Cheftrainerin der kanadischen Frauen und folgte Mike Day nach, von dem sich Shiffrin überraschend während der WM im Februar getrennt hatte. Harjo arbeitete bereits von 2011 bis 2022 für das US-Skiteam.

Von Shiffrin wird sie vor allem wegen ihrer Erfahrung in „logistischen Dingen“ und für ihr „unglaubliches Wissen im Bereich Analyse und Datenaufarbeitung“ geschätzt. Das Engagement Harjos kommt Shiffrin in ihrem Anliegen zupass, Frauen im Skisport verstärkt ins Rampenlicht zu rücken. „Vielleicht kann ich in dieser Phase meiner Karriere anderen Frauen in der Skiwelt oder in Führungspositionen eine Vorstellung davon geben, wonach sie streben können“, sagte Shiffrin. „Ich denke, es ist wichtig, Frauen zu zeigen, dass es Platz und einen Weg für sie gibt.“