Zieleinlauf  des Kenianers Kelvin Kiptum am Chicago-Marathon
Reuters/USA Today Sports/Jamie Sabau
Marathon

„Wunderschuhe“ in New York im Fokus

Wenn die Marathon-Stars an diesem Sonntag die legendären 42,195 Kilometer in New York bestreiten werden, wird der Fokus unwillkürlich auch auf die Schuhe gerichtet sein. Denn seit den Weltrekorden des Kenianers Kelvin Kiptum in Chicago vor einem Monat und dem der Äthiopierin Tigist Assefa im September in Berlin wird mehr denn je auch über das Hightech-Material an ihren Füßen debattiert.

Denn mit entsprechenden Schuhen könne die Sauerstoffaufnahme bei sehr gut trainierten Amateurläufern um vier Prozent reduziert werden, erklärte Wolfgang Potthast, der die Abteilung klinische und technologische Biomechanik an der Sporthochschule in Köln leitet. „Das bedeutet, die Muskeln benötigen vier Prozent weniger Energie, laufen also ökonomischer. Andersherum ausgedrückt heißt es, dass sie bei demselben Energieeinsatz vier Prozent schneller laufen können“, so der Experte.

Potthast führte weiter aus: „Wir wissen seit einigen Jahrzehnten, dass eine Reduktion des Gewichts beim Schuh um 100 Gramm die Sauerstoffaufnahme um einen Prozent reduziert.“ Die Kombination aus Gewicht, einem leichten dämpfenden Schaum und einer als Federelement wirkenden Carbonplatte optimiert den Schuh. Daher scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, dass beim Weltrekord die Zweistundenmarke geknackt wird. Der Kenianer Eliud Kipchoge war vor vier Jahren im Wiener Prater schon so schnell, allerdings gilt diese praktisch unter Laborbedingungen mit Hilfe unzähliger Pacemaker erreichte Zeit nicht als Weltrekord.

Laufschuhe des Kenianers Kelvin Kiptum
APA/AFP/Getty Images/Michael Reaves
Carbon-Elemente in der Sohle sollen einen Teil der Energie den Läuferinnen und Läufer bei jedem Schritt zurückgeben

Umfangreiches Schuhregelwerk

Der internationale Verband World Athletics gründete im Sommer 2020 eine Arbeitsgruppe zur immer spannenderen Schuhthematik. Danach beschloss der Verband, dass grundsätzlich jeder Schuh im Handel für jede Athletin und jeden Athleten erhältlich gewesen sein soll, bevor er in einem Wettkampf getragen werden darf. In einem Zeitraum von zwölf Monaten sind laut Verband auch Prototypen erlaubt, die die Hersteller in Wettbewerben ihren gesponserten Sportlerinnen und Sportlern zur Verfügung stellen, bei Weltmeisterschaften und Olympia dürfen diese Schuhe nicht getragen werden.

Zudem gibt es bestimmte Anforderungen an den Schuhaufbau. Bei der Entwicklung der neuen Schuhe im Rahmen des umfangreichen Regelwerks setzt ein Hersteller nach eigenen Angaben auf Expertinnen und Experten aus den Bereichen Biomechanik, Coaching, Design, Ingenieurwesen, Materialentwicklung, Ernährung sowie Sportpsychologie und -physiologie.

Fabelzeiten werfen Fragen auf

Die rasante Entwicklung der Laufzeiten wirft abseits von Trainingsleistungen und Material aber auch Fragen auf. Denn bedenklich ist, dass die Laufnation Kenia nicht nur am laufenden Band für Rekorde sorgt, sondern Stand 1. Oktober mit mehr als 60 gesperrten Doping-Sündern – überwiegend Langstreckenläuferinnen und -läufer – auch auf der Liste der „Athletics Integrity Unit“ des Weltverbandes einen Spitzenplatz einnimmt. Immer mehr afrikanische Talente konzentrieren sich auf Halbmarathon und Marathon, weil man auf der Straße mehr Geld als auf der Bahn verdient.

Unbestritten ist aber, dass die Superschuhe die Rekordflut befeuern, wenngleich es auf dem Weg zu Topzeiten mehrere Variablen gibt. Für den Leichtathletik-Weltverband World Athletics (WA) sind die zahlreichen Rekorde kein ungewöhnliches Phänomen. „Im Laufe der Geschichte unseres Sports wurden Weltrekorde immer mit der besten verfügbaren Technologie aufgestellt, und das ist heute nicht anders“, erklärte die WA. Abgesehen von der Technologie seien verbesserte Trainingstechniken, mehr Wettkämpfe, verfeinerte Laufbahnen oder eine ausgeklügeltere Ernährung weitere Gründe für Rekordverbesserungen.

Zieleinlauf der kenianischen Marathonläuferin Sharon Lokedi während des New-York-Marathons 2022
Reuters/Andrew Kelly
Die Kenianerin Sharon Lokedi peilt in New York die Titelverteidigung an

Starkes Frauenfeld in New York

Ob beim Marathon in New York am Sonntag erneut ein Weltrekord fallen wird, bleibt abzuwarten. Jedoch verspricht vor allem das Frauen-Feld ein spektakuläres Aufeinandertreffen der besten Läuferinnen der Welt zu werden. Denn die Titelverteidigerin Sharon Lokedi aus Kenia trifft auf starke Konkurrenz – darunter auf ihre beiden Landsfrauen Olympiasiegerin Peres Jepchirchir sowie Boston-Marathon-Siegerin Hellen Obiri.

Bei den Männern haben hingegen mit Titelverteidiger Evans Chebet, seinem kenianischen Landsmann Geoffrey Kamworor und dem Äthiopier Gotytom Gebreslase drei Favoriten ihre Teilnahme abgesagt. Dadurch könnte es in dem Rennen durchaus zu einer Überraschung kommen.