Bernhard Raimann (Colts)
IMAGO/Peter Hartenfelser
Football

Teamchef setzt auf Raimanns Sogwirkung

Mit einem 10:6-Sieg der Indianapolis Colts über die New England Patriots ist am Sonntag die International Series der National Football League (NFL) zu Ende gegangen. Die zweite Partie in Frankfurt hat dank Colts-Legionär Bernhard Raimann einen Fixplatz in der österreichischen Sportgeschichte. Für Teamchef Max Sommer hat das Griss eine Sogwirkung, die Football in Österreich wieder auf das Level von 2014 ziehen kann.

Nicht nur für Sommer, der Österreich vor wenigen Wochen zum langersehnten Europameistertitel gecoacht hatte, war es „surreal“, Raimann in Frankfurt auf dem Rasen stehen zu sehen. Der an der University of Central Michigan vom schlaksigen Wide Receiver zum muskelbepackten Offensiv-Lineman umgemodelte 26-Jährige stand in Frankfurt vor, während und nach der Partie so sehr im Rampenlicht wie noch nie. „Es ist schräg, aber danke fürs Kommen“, kommentierte Raimann mit einem breiten Grinsen nach dem Spiel auch den Rummel um seine Person während der Tage am Main.

Wie sehr das zweite Spiel in Frankfurt auch im Zeichen Raimanns stand, war schon beim Münzwurf offensichtlich, als der Burgenländer einer der vier Colts-Kapitäne war, die zum Logo in der Mitte des Feldes trabten. Nach dem Spiel, wo Raimann besonders von seiner mit einer rot-weiß-roten Fahne ausgestatteten Familie unterstützt wurde, war der 26-Jährige einer der Ersten, den sich die übertragenden TV-Anstalten auf dem Feld „krallten“ – ein seltener Interviewmarathon für einen O-Liner.

Raimann lebt seinen NFL-Traum

Bernhard Raimann spielt seit dem vergangenen Jahr in der NFL. Bei den Indianapolis Colts gehört Österreichs erster Nichtkicker in der Liga mittlerweile zum Stammpersonal.

Dabei hatte sich Raimann seinen Auftritt nach den „üblichen“ Gesprächspartnern wie Head-Coach Shane Steichen und Quarterback Gardner Minshew redlich verdient. Der Left Tackle und damit wichtigste Beschützer seines Spielmachers ließ sich in einer ansonst äußerst mauen Partie nichts zuschulden kommen. Von jener Seite, die Raimann abdeckte, kam so kaum Druck auf Minshew. „Das war absolut fehlerlos“, sagte auch Teamchef Sommer und vergab im Gespräch mit dem ORF seinem ehemaligen Schützling eine Topnote.

Ein Quartett aus „Ikonen“

Für den 35-Jährigen, ab kommender Saison auch Offensive Coordinator der Vienna Vikings in der European League of Football (ELF), ist die in Frankfurt sichtbar gewordene Euphorie über Österreichs ersten nicht kickenden Stammspieler in der NFL ein wichtiger Puzzlestein für das heimische Spiel. Gemeinsam mit Bernhard Seikovits und Sandro Platzgummer, die in den Practice Squads der Arizona Cardinals bzw. New York Giants NFL-Luft schnuppern bzw. schnupperten, sowie Thomas Schaffer, einst im Trainingscamp der Chicago Bears, verfüge Österreichs Football über laut Sommer „Ikonen, lebende Legenden.“

Bernhard Raimann (Colts)
ORF/Karl Huber
Raimann war vor und nach dem Spiel in Frankfurt ein gefragter Gesprächspartner

Von derartigen Vorbildern hätte man vor einem Jahrzehnt noch geträumt, so Sommer: „Bernhard (Raimann, Anm.) wird der Erste von mehreren sein, aber es wird keine Maschinerie sein. Bernhard ist ein besonderes Talent. Aber jedem heimischen Footballer muss bewusst sein, dass es möglich ist, in die NFL zu kommen.“ Nachdem Raimann auch auf dem besten Wege sei, sich endgültig in der NFL zu etablieren, werde man von Verbandsseite auch versuchen, „ihn die nächsten Jahre mehr instrumentalisieren zu können“.

„Prototyp“ mit Vorbildwirkung

Neben Aushängeschildern in der Hochglanzwelt der NFL soll auch der vor wenigen Wochen mit einem 28:0 über Finnland eingefahrene historische EM-Titel die Football-Begeisterung zwischen Rhein und Neusiedler See auf jenes Level heben, wo es etwa 2014 schon war. Denn aufgrund der europäischen Tradition wären vor allem starke Nationalteams – im Tackle- und auch im 2028 olympischen Flag Football – unerlässlich, um einen Sport in der Gesellschaft zu verankern. Events wie die damals zehntägige EM mit über 30.000 Fans beim Finale in Wien seien dringend notwendig.

Max Sommer (AUT)
GEPA/David Bitzan
Sommer führte Österreichs Footballer zum lange ersehnten EM-Titel

Mit „Build it, and they will come“, setzt Sommer auf das Kernzitat des in den USA populären Fantasy-Baseball-Films „Field of Dreams“ mit Kevin Costner: „Man muss einfach nur wieder das System aufbauen, das regelmäßige Events gespielt werden.“ Das EM-Finale 2014 sei der „Prototyp“, dem man nacheifern sollte: „Wir müssen solche Events nur wieder in einer Regelmäßigkeit bringen, in einer Professionalität und einer Glaubwürdigkeit. Die drei Jahre Aufbauarbeit, die letztlich im Europameistertitel gegipfelt sind, sind eine gute Plattform. Wir sind wieder von null auf eins gegangen, aber der nächste Schritt muss unbedingt folgen.“

Mini-NFL als Sprungbrett?

Für den heimischen Ligabetrieb und auch die bei so manchem nationalen Verband nicht heiß geliebte ELF, laut Sommer „eine super Sache, um das Niveau hochzuhalten“, sei aber trotz allem die NFL die beste Schule. „Das ist die Champions League hier“, so Sommer auf der Tribüne der Frankfurter Arena, „es sind Budgets, die wir gar nicht nachvollziehen können, wollen und müssen. Aber jede Idee, die hier umgesetzt wird, kann man sicher runterdeklinieren. Wir müssen uns unsere kleine NFL bauen.“

Wichtig sei aber auch bei dieser „Miniversion“, mit vollem Einsatz dabei zu sein. Ganz nach dem Vorbild eines Raimann. „Jedem heimischen Footballer muss bewusst sein, dass es möglich ist, in die NFL zu kommen“, schreibt der Teamchef diversen „Rohdiamanten“ die es laut Sommer in Österreich gibt, ins Stammbuch. Die Freude, wie Raimann jenen Traum lebt, der einst beim Besuch eines NFL-Gastspiels in London vor zehn Jahren entstanden ist, ist jedenfalls ansteckend. Kein Wunder, denn für den Burgenländer ist Football nicht erst seit dem Frankfurt-Wochenende „das beste Spiel der Welt“.