Fußball

Österreich lässt Deutschland alt aussehen

Österreichs Fußballnationalteam hat das Länderspieljahr 2023 mit einem hochverdienten Prestigesieg beschlossen. Die Mannschaft von Trainer Ralf Rangnick bezwang Deutschland in einem Testspiel mit 2:0 (1:0). Das ÖFB-Team ließ den vierfachen Weltmeister im ausverkauften Wiener Ernst-Happel-Stadion alt aussehen, Deutschland schwächte sich zudem selbst. Die Elf von Trainer Julian Nagelsmann geht mit einem weiteren Dämpfer ins Heim-EM-Jahr 2024.

Ganz anders ist die Stimmung beim ÖFB-Team, das nach dem Schlusspiff eine Party mit den 46.000 Zuschauern und Zuschauerinnen feierte. Vorangegangen war eine reife Leistung gegen einen an diesem Abend schwachen Gegner. Österreich besiegte Deutschland zum zweiten Mal in Folge, ein Kunststück, das der Nationalmannschaft das erste Mal in den 1930er Jahren gelang, als das „Wunderteam“ aufgeigte.

Den insgesamt zehnten Sieg gegen Deutschland im 41. Duell stellten Marcel Sabitzer mit einem präzisen Flachschuss (29.) und Christoph Baumgartner mit einem eleganten Heber (73.) sicher. Deutschland war lange harmlos und schwächte sich durch eine Tätlichkeit von Bayern-München-Spieler Leroy Sane kurz nach Seitenwechsel selbst (49.).

2:0 durch Baumgartner (73. Minute)

Ein eleganter Lupfer besorgt die Entscheidung.

Österreich beendete das Jahr mit sieben Siegen, zwei Remis und einer Niederlage. Nun steht eine viermonatige Pause auf dem Programm, die vor allem für die Elf des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) eine lange sein wird – denn die Mannschaft ist aktuell ein Schatten seiner selbst.

Ex-ÖFB-Kapitän Baumgartlinger verabschiedet

Österreich gegen Deutschland – mehr braucht es zum Abschluss eines Fußballjahres nicht, auch wenn es in einem Testspiel bekanntlich nicht um allzu viel geht. Doch an Brisanz mangelte es nicht nur, weil es ein traditionsreiches Nachbarschaftsduell ist. Mit ÖFB-Teamchef Rangnick traf ein Deutscher auf sein Heimatland, auf der Gegenseite coachte sein ehemaliger Schützling Julian Nagelsmann, der sich anschickt, die DFB-Elf für die Heim-EM im nächsten Jahr in Schwung zu bringen.

Julian Baumgartlinger
IMAGO/Beautiful Sports
Der ehemalige ÖFB-Kapitän Julian Baumgartlinger (l.) wurde vor Beginn verabschiedet

Zum ewig jungen Duell passte auch die offizielle Verabschiedung des langjährigen deutschen Legionärs und ehemaligen ÖFB-Kapitäns Julian Baumgartlinger, der am Montag sein Karriereende bekanntgab. „Ich erwarte mir heute einen Hexenkessel, so wie ich ihn oft erleben durfte, dafür bin ich sehr dankbar“, so der 84-fache Teamspieler. Das von den Fans mit intonierte „Sweet Caroline“ war ein würdiger Vorgeschmack.

Österreich erspielt sich Chancenplus

Beide Teams stellten ihre Mannschaft um: Rangnick nach dem 2:0 zum Abschluss der erfolgreichen EM-Qualifikation in Estland nur an einer Position, Mainz-Legionär Philipp Mwene startete statt Gladbachs Maximilian Wöber auf der linken Abwehrseite. Im Vergleich zum 2:3 gegen die Türkei brachte Nagelsmann Mats Hummels, Leon Goretzka und Serge Gnabry in die Startformation. Dafür musste neben Kimmich und Wirtz auch Benjamin Henrichs aus der Anfangsformation weichen.

In der ungewohnten Rolle des nicht klaren Favoriten gastierte die DFB-Elf in Wien, das wollten die Österreicher mit ihrer mutigen Spielweise und hohem Pressing gleich ausnützen. Nach einem Fehlpass von Antonio Rüdiger bekam Christoph Baumgartner die erste Chance, der deutsche Verteidiger konnte seinen Fehler aber noch ausbessern und grätschte in den Abschluss hinein, der im Außennetz landete (2.).

Michael Gregoritsch
AP/Matthias Schrader
Gregoritsch vergab gleich zwei gute Möglichkeiten

Das ÖFB-Team wirkte von Beginn an gefestigter als das deutsche Team, das überhaupt nicht in die Partie fand. So spielte man dieses Mal mit einer Dreierkette, Kai Havertz rückte nach seinem DFB-Debüt als Linksverteidiger wieder eine Reihe nach vorne. Insgesamt waren die Gäste aber ein Schatten ihrer selbst, Österreich lauerte auf seine Chancen. Nach einem schnell abgespielten Alaba-Freistoß verfehlte Gregoritsch alleine vor Kevin Trapp, nach Posch-Pass vergab der Freiburg-Stürmer gegen Trapp die Riesenchance auf das 1:0 (16.).

Sabitzer bricht den Bann

Nach rund einer halben Stunde war es aber so weit: Nach einem scharfen Pass aus der eigenen Hälfte legte Gregoritsch den Ball mit dem Kopf ideal auf Baumgartner ab. Der bediente halb links Sabitzer, und der Routinier brach den Bann: Im Eins-gegen-eins gegen Jonathan Tah ließ er den Deutschen mit einem Haken stehen und traf im Sechzehner mit einem präzisen Schuss neben die linke Stange (29.).

Marcel Sabitzer
IMAGO/ActionPictures
Marcel Sabitzer traf zur überfälligen Führung gegen Deutschland

Die überfällige Führung versetzte die Fans in Ekstase, während die Deutschen wenig später immerhin eine Reaktion in Form eines Torschusses von Leroy Sane (32.) zeigten. Gefährlicher wurden die Gäste vor der Pause aber nicht mehr, Österreichs Abwehr ließ nichts mehr zu, Baumgartner zog noch aus der Distanz ab (42.). Bei den Deutschen machte sich Frust breit, Sane rüttelte an der ersten Karte im Spiel, Nagelsmann lief zur Pause wutentbrannt in die Kabine.

Sanes Nerven liegen blank

Doch seine Stimmung sollte sich nach Seitenwechsel nicht verbessern. Zwar brachte er Thomas Müller für den blassen Niclas Füllkrug, doch keine fünf Minuten später musste er wieder umstellen. Nach einem Foul von Sane an Mwene ließ Letzterer seinen Unmut an dem Deutschen aus, Sane verlor daraufhin seine Nerven und riss Mwene mit einem Griff an den Hals zu Boden. Der slowenische Schiedsrichter Slavko Vincic zückte die Rote Karte, Sane musste weiter beruhigt werden, am Ende selbst von Österreichs Star Marko Arnautovic (49.).

Rote Karte für Sane (49. Minute)

Der Deutsche verliert die Nerven.

Zwei Minuten später verfehlte Stefan Posch mit einem Distanzschuss knapp (51.). Österreich blieb auch nach der Pause und nun in Überzahl spielfreudig, einzig die Chancenverwertung ließ zu wünschen übrig. Gregoritsch legte einen Fersler vorbei (55.), ehe er wieder an Trapp scheiterte (64.). Nach einer Vielzahl an Wechseln kam Deutschland dann ein wenig besser in die Partie, Österreich ließ aber nichts zu.

Baumgartner besorgt die Entscheidung

In der 73. Minute folgte schließlich die nicht minder überfällige Vorentscheidung: Nach einem Alaba-Pass steckte Gregoritsch weiter zu Baumgartner, der alleine vor Trapp auftauchte und die Nerven behielt. Sein eleganter Heber ließ das Happel-Oval noch einmal beben (73.). „Oh, wie ist das schön“, hallte es minutenlang durch die Arena.

Und weil es gegen Deutschland ging, folgten auch hämische Gesänge, es hätte auch auf dem Feld für die Gäste noch schlimmer kommen können, doch Österreich beließ es beim 2:0. Sabitzer vergab eine der guten Chancen auf einen höheren Sieg. Das tat der Stimmung keinen Abbruch, Österreich bejubelte einen hochverdienten Prestigesieg.

Stimmen zum Spiel:

Ralf Rangnick (ÖFB-Teamchef): „Wir haben so gut wie nichts zugelassen. Ich kann mich eigentlich an keine richtig klar herausgespielte Torchance erinnern für Deutschland. Und mit dem Ball haben wir auch vieles gut gemacht – noch nicht alles perfekt, weil sonst wär’s höher ausgegangen. Aber insgesamt war das schon ein Spiel, wie wir uns das vorgestellt haben.“

Julian Nagelsmann (Deutschland-Teamchef): „Es gibt Dinge, wo wir ansetzen müssen. Es geht nur über extrem harte Arbeit und auch über deutsche Tugenden, das ist Fakt. Wir können nicht in Schönheit sterben. Wir werden auch im Sommer keine Verteidigungsmonster werden. Die Mannschaft ist nicht befreit. Wir sind nicht diese Einheit, die wir außerhalb auf dem Platz sind. Wir strotzen nicht vor Selbstvertrauen, das ist einfach Fakt. Das liegt auf der Hand, wenn man die letzten Jahre sieht.“

Marcel Sabitzer (Torschütze zum 1:0): „Österreich – Deutschland ist immer was Spezielles. Wir wollten den Fans zum Abschluss einen Sieg schenken. Eine überzeugende Leistung, die im Kopf hängen bleibt. Ich glaube, wenn man die 90 Minuten sieht, dann war das absolut verdient. Das hätte auch höher ausgehen können. Ich kann mich an kaum eine Chance von denen erinnern.“

Ilkay Gündogan (DFB-Kapitän): „Ich glaube, dass wir in der ersten Halbzeit nicht ansatzweise den Fußball gespielt haben, den wir spielen wollten. Wir wussten, dass die österreichische Mannschaft sehr aggressiv verteidigen wird, auf Kontersituationen lauern wird, dass die ins Gegenpressing gehen wird, und genau dazu haben wir sie in der ersten Halbzeit eingeladen und hatten viele einfache Ballverluste. Wir haben keine Lösungen gefunden, das darfst du dir auf dem Niveau nicht erlauben.“

Fußballtestspiel:

Dienstag:

Österreich – Deutschland 2:0 (1:0)

Wien, Ernst-Happel-Stadion, 46.000 (ausverkauft), SR Vincic (SLO)

Torfolge:
1:0 (29.) Sabitzer
2:0 (73.) Baumgartner

Österreich: A. Schlager – Posch, Lienhart, Alaba (89./Danso), Mwene (68./Wöber) – Seiwald, X. Schlager – Laimer (89./Entrup), Baumgartner (81./Schmid), Sabitzer (89./Seidl) – Gregoritsch (81./Kalajdzic)

Deutschland: Trapp – Tah, Hummels, Rüdiger – Brandt (52./Henrichs), Gündogan (61./Kimmich), Goretzka (61./Andrich), Havertz (77./Ducksch) – Sane, Füllkrug (46./Müller), Gnabry (61./Wirtz)

Rote Karte: Sane (49./Tätlichkeit)

Gelbe Karten: Mwene bzw. Kimmich