Radfahrer Jan Ulrich
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Chronik

Deutscher Ex-Radstar Ullrich gesteht Doping

Der frühere Radstar Jan Ullrich hat erstmals explizit zugegeben, während seiner Karriere Dopingmittel genommen zu haben. Das sagte der Tour-de-France-Champion von 1997 nach jahrelangem Schweigen am Mittwoch in München. „Ich habe gedopt“, meinte der 49-jährige Deutsche und ergänzte: „Ich habe mich schuldig gemacht, ich fühle mich auch schuldig.“

Ullrich hatte in der Vergangenheit stets ein Dopinggeständnis abgelehnt. „Ich habe niemanden betrogen“, lautete sein Standardsatz auf Fragen zu seiner Vergangenheit. Jetzt will der tief gefallene Ex-Radprofi, der auch privat einige Turbulenzen erlebt hat, in der Amazon-Dokumentation „Jan Ullrich – Der Gejagte“ mit seiner Vergangenheit aufräumen.

„Ich kann dazu sagen, aus reinem Herzen, ich wollte wirklich niemanden betrügen. Ich wollte mir keinen Vorsprung verschaffen. Das war damals eine andere Zeit. Damals hat der Radsport schon ein System gehabt, wo ich auch reingekommen bin. Für mich war das damals eine Art Chancengleichheit“, sagte Ullrich auf der Podiumsdiskussion.

Einziger Deutscher Tour-de-France-Sieger

Ullrich hatte 1997 als bisher einziger Deutscher die Frankreich-Rundfahrt gewonnen und einen beispiellosen Radsportboom in seinem Heimatland ausgelöst. Als „Boris Becker des Radsports“ wurde er gefeiert, Sponsoren und Veranstalter standen bei ihm Schlange. Neben seinem Gesamtsieg 1997 fuhr Ullrich fünfmal bei der Tour auf den zweiten Platz. Er wurde Weltmeister und Olympiasieger.

Jan Ulrich bei der Tour de France 1997
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Mit seinem Sieg bei der Tour de France 1997 löste Jan Ullrich einen Radsportboom in Deutschland aus

Schon in den vergangenen Tagen hatte Ullrich in Interviews über jahrelanges Doping in seinem Team Telekom gesprochen. „Ohne nachzuhelfen, so war damals die weitverbreitete Wahrnehmung, wäre das so, als würdest du nur mit einem Messer bewaffnet zu einer Schießerei gehen“, erklärte Ullrich dem Magazin „Stern“. Im Telekom-Team habe er „ziemlich schnell gelernt, dass Doping weit verbreitet war“.

Ullrich musste 2006 unfreiwillig seine Karriere beenden, nachdem er in der großangelegten „Operacion Puerto“ als Kunde des Dopingarztes Eufemiano Fuentes enttarnt worden war. 2012 wurde Ullrich vom Internationalen Sportgerichtshof (CAS) für zwei Jahre gesperrt, diverse Erfolge zwischen 2005 und 2006 wurden ihm aberkannt. Später räumte Ullrich Behandlungen bei Fuentes ein, zu einem Dopinggeständnis wie bei seinen deutschen Ex-Kollegen Erik Zabel und Rolf Aldag konnte er sich aber nicht durchringen – auch auf Rat der Anwälte nicht.

Folgen für frühere Siege unklar

Ob die neuen Aussagen Folgen für Ullrichs frühere Siege haben werden – allen voran bei der Tour 1997 – ist unklar. Ullrichs einstigem Rivalen Lance Armstrong (USA) wurden beispielsweise nach seiner lebenslangen Sperre im Jahr 2013 alle sieben Tour-Siege von 1999 bis 2005 aberkannt. Bjarne Riis, der bereits 2007 Doping gestand, wird dagegen immer noch als Gesamtsieger 1996 geführt. Ullrichs Olympiagold 2000 dürfte wegen der zehnjährigen IOC-Verjährungsfrist für Dopingvergehen nicht in Gefahr sein.

Jan Ulrich
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Ullrich bei der Vorstellung seiner Dokumentation in München

Nach seinem abrupten Karriereende sorgte Ullrich auch außerhalb des Sports für Negativschlagzeilen. Nachdem seine Ehe mit Frau Sara zerbrochen war, kam es auf Mallorca zum „Totalabsturz“, wie er dem „Stern“ erzählte. Ullrich trank „Whiskey wie Wasser“ und kokste, sagte er in der Doku. Nach einem Streit mit Nachbar und TV-Star Til Schweiger landete Ullrich für eine Nacht im Gefängnis und wenig später in einer Privatklinik für Suchterkrankungen.

Unterstützung von ehemaligem Rivalen Armstrong

Einer der ersten Besucher war Armstrong, der seinem alten Rivalen half. Der US-Amerikaner überredete Ullrich, einen Entzug zu machen, damit es ihm nicht ergehe wie dem 2004 an einer Überdosis verstorbenen Italiener Marco Pantani. „Ich hätte es nicht ertragen können, noch einen von uns zu verlieren“, sagte Armstrong im Interview mit der „Zeit“.

Viele Weggefährten waren am Mittwoch nach München zur Vorstellung von Ullrichs Doku gekommen, darunter auch sein Ex-Teamchef Olaf Ludwig, sein Sportlicher Leiter Rudy Pevenage, Ex-Kollegen wie Ivan Basso, Jens Heppner und Danilo Hondo und sein Jugendtrainer Peter Sager. Selbst die Mutter seines Rivalen Pantani, dem sich Ullrich 1998 im Kampf um den Tour-Sieg beugen musste, war anwesend.