ÖFB-Spieler jubeln
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Jahresrückblick

Fußballnationalteams überdecken Misere

Der österreichische Fußball hat im Jahr 2023 zwei Gesichter gezeigt: Auf Ebene der Nationalteams lief vieles nach Wunsch, auf jener der Clubs neigen sich international gesehen mäßige zwölf Monate dem Ende zu. Vor allem die Teamchefs Ralf Rangnick und Irene Fuhrmann können zufrieden zurückblicken, haben sie mit ihren jeweiligen A-Teams doch ihre Ziele klar erreicht und damit auch eine aktuelle Misere im Clubfußball überdeckt.

Österreichs Herren-Nationalteam hat sich unter der Führung von Rangnick souverän für die Europameisterschaft 2024 in Deutschland qualifiziert, die Frauen bei der Premiere der Nations League in einer starken Gruppe mit gleich drei Gegnern, die bei der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland teilgenommen haben, den Klassenerhalt fixiert. Zudem wurde beim 0:1 gegen Frankreich in Wien mit 10.000 Zuschauerinnen und Zuschauern der Zuschauerrekord torpediert.

Dem gegenüber steht der Absturz der heimischen Clubs in Europa: Nach dem Abschluss der Gruppenphasen, die nur Sturm Graz als Dritter in der Europa League überwand, rangiert die heimische Liga in der UEFA-Fünfjahreswertung nur noch auf Rang 13 und verliert zur Saison 2025/26 den Champions-League-Fixplatz, auch der fünfte Europacup-Startplatz ist mittlerweile in Gefahr, sollten drei weitere Länder die Österreich in der laufenden Saison noch überholen. Fans des Nationalteams hatten in diesem Jahr also deutlich mehr zu jubeln.

Glücksfall Rangnick schöpft Potenzial aus

In der FIFA-Weltrangliste kletterte Österreichs Herren-Nationalteam unter Rangnick in diesem Jahr um zehn Plätze auf Rang 24. Von zehn Spielen gewann das ÖFB-Team sieben und verlor nur eines gegen die Nummer vier der Welt aus Belgien. Nach dem 2:0 gegen Deutschland sprach ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel von einem „stimmigen Jahr“, alle hielten aber den Ball betont flach – auch ein neues Markenzeichen.

Die Schlüsselrolle hat dabei Rangnick inne, der seit 2022 das Amt des ÖFB-Teamchefs bekleidet und sukzessive das Potenzial aus dieser Mannschaft herausholt. „Er sucht ständig Verbesserungspotenzial“, sagte Schöttel über den deutschen Macher, den er im April vor einem Jahr nach Österreich lotsen konnte und sich – nicht unerwartet – als Glücksfall entpuppte.

Ralf Rangnick
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Mastermind und Macher: Rangnick hob das Niveau des Nationalteams weiter an

Denn seine Spielidee deckt sich mit jenen vieler Spieler, die sie aus der Red-Bull-Schule kennen. Gemeinsam mit seinen Betreuern sucht und findet Rangnick Lösungen, und sei es etwa „nur“, in Ermangelung an Stürmern Guido Burgstaller aus der ÖFB-Pension zu holen. Finger in die Wunden zu legen ist ohnehin seine Sache, da wird dem 65-jährigen Deutschen im heimischen Fußball nicht langweilig.

Unter Rangnick wird aber auch groß gedacht, das Team verinnerlicht das. „Alles machbar beim Nachbar“ lautet daher das Motto bei der EM 2024 in Deutschland, nachdem man die Qualifikationsgruppe mit einem Punkt Rückstand auf Belgien abgeschlossen hat. Dieses wurde zwar noch vor der schwierigen EM-Auslosung, die Österreich Duelle mit Frankreich und den Niederlanden bescherte, und dem folgenschweren Kreuzbandriss im Knie von ÖFB-Kapitän David Alaba ausgerufen, dem „verschworenen Haufen“ (Marcel Sabitzer) ist aber auch so zuzutrauen, dass es Rangnicks Credo bei der EM in dessen Heimatland erfüllt: Der will nicht nur dabei sein, sondern „auch eine gute Rolle spielen“.

„Überragendes Jahr“ für Österreicherinnen

Dabei waren die Österreicherinnen bei der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland nicht, aber eine gute Rolle hätten sie wohl gespielt. Zumindest setzten sich Fuhrmanns Frauen in der Nations League vor den beiden WM-Teilnehmern Norwegen und Portugal klar durch. „2023 war ein überragendes Jahr“, jubelte Fuhrmann, die dabei auch den heimischen Zuschauerrekord bei einem Frauen-Länderspiel inkludierte. Dem 0:1 gegen Gruppensieger Frankreich wohnten in Wien-Favoriten nämlich nicht weniger als 10.051 Zuschauerinnen und Zuschauer bei, davor war die Bestmarke bei „nur“ 3.600 gelegen.

Irene Fuhrmann mit Spielerinnen
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In Wien-Favoriten bedankten sich Fuhrmanns Frauen vor einer Rekordkulisse

Sportlich schaffte es die Teamchefin, nach einigen Rücktritten in der jüngeren Vergangenheit – heuer beispielweise Carina Wenninger – neue Spielerinnen zu integrieren und auch die spielerische Entwicklung voranzutreiben, was auch im Hinblick auf die anstehende Qualifikation für die EM-Endrunde 2025 in der Schweiz wichtig war. „Wir haben uns spielerisch enorm weiterentwickelt, der nächste Entwicklungsschritt ist gegangen worden“, lobte Schöttel, der sich nicht zuletzt 2023 auch über Erfolge im heimischen Nachwuchsfußball freuen durfte.

So haben bei den Frauen die U17 und U19 die jeweils erste EM-Qualifikationshürde souverän gemeistert, die U20 löste nach Gruppenrang drei bei der U19-EM im Play-off erstmals das WM-Ticket und ist nächstes Jahr in Kolumbien dabei. Die Herren-U21 überraschte nach einem verpatzten Start in die EM-Qualifikation mit einem 2:0 gegen Topteam Frankreich, und auch die männlichen U19- und U17-Auswahlen schafften den Aufstieg in ihren jeweiligen Qualifikationen.

Heimische Clubs fallen international zurück

Auf Clubebene sieht das Fazit zwiegespalten aus. National gesehen vermeldete die Bundesliga im Sommer den höchsten Zuschauerschnitt in einer Saison seit zwölf Jahren (7.551), was auch an einer sportlich wie infrastrukturell attraktiven Meistergruppe lag. Schließlich waren erstmals alle Zugpferde (Salzburg, Sturm, LASK, Rapid, Austria Wien) mit dabei, und der LASK hatte zuvor auf dem Linzer Froschberg sein neues Stadion eröffnet. Auch das Cupfinale zwischen Sturm und Rapid (2:0) vor 30.000 Menschen in Klagenfurt konnte sich sehen lassen.

Doch wo der österreichische Clubfußball sportlich steht, wurde ihm im Herbst eindrucksvoll vor Augen geführt. Die Wiener Clubs, die sich seit Jahren aus unterschiedlichen Gründen im Weg stehen, verpassten die Qualifikation für die Gruppenphase. Salzburg verkaufte sich in der Champions League in einer schwierigen Gruppe teuer und schied erst in letzter Minute vor dem Umstieg in die Europa League aus, doch nach dem Abgang von Sportchef Christoph Freund zu Bayern München – der Transfer des Jahres aus heimischer Sicht – droht das Salzburger Werk’l auch aufgrund andauernder Verjüngung weiter ins Stocken zu geraten.

Enttäuschte Salzburger
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Salzburg verkaufte sich wieder teuer, schied aber erstmals als Vierter in der Champions League aus

Vizemeister Sturm Graz schaffte es im dritten Anlauf in Folge erstmals wieder, eine Gruppenphase zu überstehen, rettete sich dabei aber erst mit Ach und Krach als Dritter in die Conference League. Der LASK zahlte nach einem Trainerwechsel und Kaderumbau viel Lehrgeld in der Gruppe mit Topteam Liverpool und holte letztlich nur einen Sieg.

Die laufende Saison droht mit aktuell 3,8 Punkten die schwächste seit acht Jahren zu werden, 2015/16 waren am Ende ebenso viele Zähler auf dem Konto. Der CL-Fixplatz 2025/26 ist schon weg, der fünfte EC-Platz wackelt. Bleibt die Hoffnung, dass Sturm in der Conference League (gegen Slovan Bratislava) punktet und sich die restlichen Clubs im Frühjahr für die höheren Aufgaben entwickeln. Dass mehr drin ist, haben die Saisonen in der jüngeren Vergangenheit durchaus gezeigt.