Ski Alpin

Furioser Sarrazin legt auf Streif nach

Der Abfahrer der Stunde heißt Cyprien Sarrazin: Der 29-jährige Franzose hat am Samstag auch das zweite Rennen in Kitzbühel gewonnen, und das in 1:52,96 mit einem Respektabstand von 0,91 Sekunden auf Marco Odermatt (SUI) und Dominik Paris (ITA/1,44). Stefan Babinsky verpasste als bester Österreicher (4./1,69) das Podest um 0,25 Hundertstel, damit verlängerte sich die Serie ohne ÖSV-Stockerlplatz in der Abfahrt – ein Negativrekord wurde egalisiert.

Bei Kaiserwetter und vor 45.000 Zuschauerinnen und Zuschauern entlang der Strecke erinnerte Sarrazin mit seinem Husarenritt an den Traumlauf von Stephan Eberharter vor 20 Jahren. Für den späten Senkrechtstarter war es der fünfte Sieg, der vierte Erfolg in dieser Saison, nachdem er schon den Abfahrtsklassiker in Bormio gewonnen und später in Wengen den Super-G für sich entschieden hatte.

Sarrazin, der nach seinem Traumlauf auf der Zielbegrenzung stehend jubelte, wandelt damit in den Spuren seines Landsmanns Luc Alphand, der 1995 zweimal an einem Wochenende in Kitzbühel gewann. Zuletzt gelang das Beat Feuz (SUI) vor drei Jahren. „Ich kann es nicht glauben. Es war ein verrückter Lauf. Fast perfekt, denn Perfektion gibt es nicht“, sagte Double-Sieger Sarrazin im ORF-Interview und beschrieb seinen Jubel: „Ich habe gestern darüber nachgedacht, ob ich so jubeln würde, es ist einfach verrückt. Es ist vielleicht der beste Tag meines Lebens.“

Odermatt muss sich mit Platz zwei begnügen

Der Schweizer raste die Streif hinunter, es reichte aber „nur“ für den zweiten Platz.

Längste Durststrecke für ÖSV-Abfahrer

Österreichs Abfahrer verpassten zum siebenten Mal in Folge einen Podestplatz, eine längere Durststrecke gab es noch nie. Vincent Kriechmayr wurde hinter Babinsky, der als Vierter sein bestes Weltcup-Ergebnis egalisierte, Sechster. Christopher Neumayer beendete nach dem Rennen seine Karriere und schaffte als Zwölfter noch sein bestes Ergebnis, Daniel Hemetsberger belegte Platz 19. Daniel Danklmaier wurde 26., Otmar Striedinger 32., Raphael Haaser 36., Felix Hacker 43.

Zielraum
GEPA/Hans Oberlaender
Kaiserwetter in Kitzbühel: Die klassische Hahnenkammabfahrt am Samstag ging vor 45.000 Menschen über die Bühne

Am Sonntag wird das Kitzbühel-Wochenende traditionell mit dem Slalom auf dem Ganslernhang abgeschlossen, der erste Durchgang beginnt um 10.30 Uhr. ORF1 überträgt live ab 10.15 Uhr, der Sieger wird ab 13.30 Uhr gekürt, der zweite Lauf wird ab 13.15 Uhr übertragen. Die Österreicher haben alle vier Saisonslaloms für sich entschieden.

Sarrazin in eigener Liga

Die Abfahrten auf der Streif dominierte heuer Sarrazin. Als Wengen-Sieger Odermatt vor den Augen der heimischen Superstars wie Arnold Schwarzenegger und Karl Schranz ins Ziel kam, dachten wohl viele schon, die Siegesfahrt gesehen zu haben. Doch Sarrazin präsentierte sich noch stärker als am Vortag und nahm dem Schweizer schon nach dem Steilhang 0,65 Sekunden ab und baute den Vorsprung auf den rund zwei Fahrminuten sukzessive auf 91 Hundertstel aus. Zuletzt hatte Didier Cuche (SUI) auf Bode Miller (USA) einen größeren Vorsprung bei einer Kitzbühel-Abfahrt, 2011 waren es 0,98 Sekunden.

1. Cyprien Sarrazin (FRA)
2. Marco Odermatt (SUI)
3. Dominik Paris (ITA)

Odermatt jubelte im Ziel ausgelassen, doch etwas zu früh. „Ich wusste, dass nach mir der große Favorit kommt. Ich habe auch gemerkt, dass es oben nicht gepasst hat, ich wollte es anders fahren. Wenn man hinterherfährt, dann dauernd. Die Sprünge waren aber dann wieder weit, und mit diesem Vorsprung im Ziel, da darf man schon einmal jubeln. Zwei Minuten später kam die Quittung“, sagte Odermatt mit einem Lächeln nach seinem Rennen.

Paris, wie zuletzt in Wengen Dritter, zollte Respekt: „Man muss mehr ans Limit gehen, wie es Sarrazin gezeigt hat. Er hat den Steilhang optimal erwischt und den Unterschied gemacht. Ich habe es einfach oben verkackt. Ich bin nach der Mausefalle weit geworden und war im Tiefschnee, auch der Steilhang war nicht optimal.“

Cyprien Sarrazin
GEPA/Christian Moser
„Es ist vielleicht der beste Tag meines Lebens“, jubelte Sarrazin nach seiner Machtdemonstration

Babinsky egalisiert sein bestes Resultat

Aus österreichischer Sicht sorgte Babinsky für die Überraschung des Tages, der Steirer egalisierte mit Rang vier sein bestes Weltcup-Resultat, im März 2023 wurde der 27-Jährige in der Aspen-Abfahrt ebenfalls Vierter wie zwei Monate zuvor in jener in Cortina. „Ich bin ein wenig sprachlos, Kitzbühel ist speziell, ich mag es sehr gerne und es ist super aufgegangen“, erklärte Babinsky nach dem Rennen im Zielraum.

Babinsky sensationeller Vierter

Der Steirer überrascht auf der Streif mit seinem besten Weltczp-Resultat.

Kriechmayr haderte wie am Vortag, an dem er Siebenter wurde: „Mir ist der Steilhang komplett missglückt, ich war vielleicht zu verbissen, beim U-Hakerl hat es mich hinuntergedrückt, und dann hast du schon sieben Zehntel Rückstand. Das war zu viel. Die Traverse war vom Angriff her besser, aber dann hat es mich zu weit hinausgedrückt.“

Neumayer beendet Karriere mit Rang zwölf

Neumayer war als Zwölfter so gut platziert wie noch nie seiner Karriere, danach erklärte er seine Karriere mit sofortiger Wirkung für beendet. Die Strapazen seien dem 31-jährigen Salzburger, der keinen fixen Kaderplatz hat, zu viel geworden und nachteilig für die Leistung gewesen. „Das letzte Jahr war schwierig für mich, dass ich überhaupt mittrainieren habe können“, betonte er. Mit dem besten Ergebnis in Kitzbühel die Laufbahn zu beenden, „das ist momentan das Geilste“.

Neumayer: „War mein letztes Rennen“

Nach seinem besten Weltcup-Resultat beendete Neumayer überraschend seine Karriere.

Hemetsberger, der am Vortag für einen Schreckmoment gesorgt und die Sicherheitsplane „geküsst“ hat, hatte wieder zu kämpfen. „Es war gestern so, dass ich einige Fahrfehler gemacht habe und froh sein konnte, dass ich ins Ziel gekommen bin. Ich habe versucht, heute ähnlich zu fahren, halt ohne Fehler. Ich habe mit dem Kopf beim Start Probleme, weil es mir einen Stich gibt, wenn ich auf den Fuß steige.“

Nächste Abfahrtschance in Chamonix

Wie das ORF-Sport-Archiv in Erfahrung bringen konnte, blieben Österreichs Abfahrer zuletzt von Jänner bis Dezember 2016 und von Jänner 1988 bis März 1988 innerhalb einer Saison jeweils sieben Rennen ohne Podestplatz. Eine längere Durststrecke gab es bei nun 531 Abfahrten in der Geschichte des Skiweltcups noch nie. Die nächste Chance bietet sich in Sarrazins Heimat Frankreich, in Chamonix. Wie Neumayer dann auch nicht mehr am Start sein wird Thomas Dreßen, der Deutsche Kitz-Sieger von 2018 beendete verletzungsgeplagt seine Laufbahn standesgemäß mit einer Champagnerdusche im Zielraum.