Blick auf Ziel und Piste der Kandahar-Strecke in Garmisch
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Ski alpin

Kandahar zu gefährlich: Absagen in Garmisch

Nach den vielen schweren Stürzen in Cortina d’Ampezzo werden am kommenden Wochenende in Garmisch-Partenkirchen keine Weltcup-Rennen der alpinen Ski-Damen stattfinden. Die für Samstag geplante Abfahrt und der für Sonntag programmierte Super-G wurden ersatzlos abgesagt, Grund sind die zu gefährlichen Bedingungen auf der Kandahar-Piste.

Auf der zuletzt von den Herren befahrenen Strecke ist die Schneeauflage nicht mehr ausreichend, um die Sicherheit der Athletinnen zu gewährleisten, teilte der Internationale Skiverband (FIS) am Montag mit. Gleichzeitig wären auch die Herren in Chamonix im Einsatz gewesen, auch dort wurden beide geplanten Abfahrten aufgrund der Schneelage abgesagt. Der Slalom am Sonntag steht unverändert im Programm.

Für die Frauen-Abfahrt, für die zudem Trainingsfahrten möglich sein müssen, und den Super-G in Garmisch sahen die Veranstalter keine Chance mehr, eine sichere Piste zu präparieren. „Das Wetter spielt nicht mit. Es wird zu warm, wir können keinen neuen Schnee produzieren“, sagte OK-Chefin Martina Betz dem „Garmisch-Partenkirchner Tagblatt“. Bis zuletzt hatten die Organisatoren noch auf niedrigere Temperaturen vor allem in der Nacht gehofft. Die Meteorologen änderten dann aber ihre Prognosen, was schließlich zur Absage führte. „Wir machen es nicht mit der Brechstange, um am Ende doch absagen zu müssen“, sagte Betz.

Diskussionen nach Absagen von Speed-Rennen

Bei den Damen finden keine Speed-Rennen in Garmisch statt, bei den Herren geht in Chamonix nichts. Das sorgt teils für Unverständnis.

Cortina-Rennen werfen viele Fragen auf

Unterdessen läuft die Debatte über die Ursachen der „Sturzorgie“ in Cortina, die Meinungen gehen dabei aber recht weit auseinander. Waren die drei Renntage in den italienischen Dolomiten der zufällige Höhepunkt einer „Seuchensaison“, das Resultat mangelnder Frische oder ein unüblich hartes Pflaster im Damen-Weltcup? „Für mich ist es ein großes Fragezeichen, warum so viele Stürze passiert sind“, rätselte ÖSV-Abfahrerin Mirjam Puchner und war damit nicht allein.

Vermutungen gab es einige. Etwa grassierende Unsicherheit, nachdem sich am Freitag nach nur einem Training zwei der Allerbesten in die zuletzt rasant gewachsene Unfallliste eingereiht hatten. Für die Schweizer Abfahrtsolympiasiegerin Corinne Suter ist die Saison nach einem Kreuzbandriss vorzeitig vorbei. Auch US-Superstar Mikaela Shiffrin humpelte mit schmerzverzerrtem Gesicht zum Rettungshelikopter, kam mit einer Innenbandblessur aber noch recht glimpflich davon. Entfalteten die Stürze der Ausnahmeathletinnen eine Wirkung, die tief in die Psyche ihrer Kolleginnen eindrang?

Shiffrin wollte bereits im Training „einige Schreckmomente“ erlebt haben. Die Norwegerin Kajsa Vickhoff Lie, die sich in Sachen Risiko oft nur hinter der Italienerin Sofia Goggia anstellen muss, sagte, Cortina sei in diesem Jahr „gefährlicher“ als sonst. Doch selbst über diesen Befund herrschte Uneinigkeit. Die Österreicherinnen etwa bemerkten von größeren Zähnen der Piste Olimpia delle Tofane nichts, zumindest erzählten sie öffentlich nichts davon.

„Volle Attacke mit einer gewissen Dosierung“

Sehr wohl aber hatte das Betreuerteam um Cheftrainer Roland Assinger früh erkannt, dass Mäßigung an diesem Wochenende über die Wellen auch Trumpf sein kann. Die aktuell in Topform fahrende Stephanie Venier umriss ihre Marschroute als „volle Attacke mit einer gewissen Dosierung“. Das führte zu ihrem zweiten Weltcup-Sieg sowie den Rängen fünf und zwei.

Stephanie Venier in Action
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Stephanie Venier hat in Cortina die richtige Mischung aus Risiko und Vorsicht gefunden

Puchner sagte: „Man darf nicht hirnlos drauflosfahren. Abfahrtssport heißt auch manchmal mit Köpfchen fahren.“ Selbst die früher „Vollgas-Conny“ gerufene Cornelia Hütter verordnete sich einen für sie unüblichen Plan: „Ich wollte ein paar Passagen taktisch fahren.“

Fehlende geistige Frische?

Lara Gut-Behrami gestand nach ihrem Sonntag-Sieg im Super-G: „Ich wollte bloß nichts riskieren. Ich bin nicht solch enge Radien gefahren, wie ich es sonst tue.“ Skifahren sei leicht, wenn man sich nicht zu viel den Kopf zerbreche. „Das war in den letzten drei Tagen jedoch schwierig, weil das Skifahren nicht mehr wirklich im Vordergrund stand.“ Sie habe nach anstrengenden Tagen gewusst, „dass ich nicht so frisch bin im Kopf“, sagte die Schweizerin. „Ich glaube, das ist auch die Erklärung für die vielen Stürze. Wenn du nicht ganz frisch bist in den Beinen und im Kopf, braucht es wenig, und du landest im Netz.“

Das passt zum Befund, den Shiffrin noch vor ihrem Sturz zum Besten gegeben hatte. „Der Jänner fühlt sich immer lang an, speziell in den Jahren ohne Olympische Spiele oder Weltmeisterschaft“, sagte die Weltcup-Rekordsiegerin. Manche seien im dicht getakteten ersten Monat des Jahres nonstop unterwegs. „Es kann schwierig sein, das Momentum und die Energie hochzuhalten.“

Festzuhalten ist, dass Gut-Behrami und Shiffrin zu den Vielfahrerinnen im Weltcup gehören. Schon am Dienstag wird Gut-Behrami auf dem Kronplatz einen Riesentorlauf bestreiten. Im Kleinen hatten das Hochhalten des Fokus in Cortina vor allem Läuferinnen mit höheren Nummern zu meistern. Erste-Hilfe-Maßnahmen und Aufräumarbeiten nach Stürzen, am Samstag auch Windböen machten die Renntage gerade für unerfahrene Läuferinnen sehr lange.

Rettungshubschrauber im Einsatz in Cortina
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Der Rettungshubschrauber war in Cortina mehrmals im Einsatz

Sprungtraining könnte hilfreich sein

Einige Unfälle konnten auf unzureichende Körperhaltung vor größeren Wellen und Sprüngen zurückgeführt werden. Diesbezüglich brachte Felix Neureuther ein, dass das Sprungtraining allgemein zu kurz komme. Den Punkt des deutschen Ex-Skistars ließ ÖSV-Coach Assinger gelten. „Da kann man sicher ansetzen und das noch vermehrt üben.“

Bleibt die Frage der praktischen Umsetzung. „Du kannst solche Sprünge nicht auf einer normalen Piste einbauen. Jeder Tourist daschlogt sich da runter“, gab Hütter zu bedenken. Sie erinnerte an das generelle Problem im Speed-Metier, geeignete Trainingsorte zu finden. „Wir brauchen zwei Kilometer Piste, die ganze Breite. Wenn wir wirklich trainieren wollen, können wir nicht nur einen Teil der Piste sperren und um 9.00 Uhr wieder weg sein.“ Eine permanente Abfahrtstrainingsstrecke für die Profis gibt es in Österreich nicht.