Jayne Torvill und Christopher Dean, 1984
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Eiskunstlauf

Als der „Bolero“ die Welt verzauberte

Über die Olympischen Winterspiele von Sarajevo 1984 deckt man aus österreichischer Sicht – Stichwort eine Bronzemedaille – gerne den Mantel des Schweigens. Dabei war die bosnische Hauptstadt vor 40 Jahren Schauplatz einer sportlichen Sternstunde: Jayne Torvill und Christopher Dean tanzten sich auf dem Eis in die Geschichtsbücher. Der „Bolero“ der Briten hallt bis heute nach.

Ausgerechnet am Valentinstag vor 40 Jahren verzauberten die beiden Eistänzer aus dem Raum Nottingham nicht nur die Fans in der Zetra-Halle von Sarajevo. Torvill und Dean hoben mit ihrer Kür den erst 1976 als olympische Disziplin eingeführten Eistanz in neue Sphären. Für ihren Ausdruck und Stil erhielten sie von allen neun Wertungsrichtern die damals vergebene Höchstnote 6,0 – ein vorher und nachher in der Geschichte von Winterspielen nie mehr erreichter Wert. Inklusive technischer Wertung erhielt das Duo sogar zwölfmal die Höchstnote.

Kaum ein Eistanz wird auch heute noch so oft wiederholt, wie jener der damals 26-jährigen Torvill und ihres 25-jährigen Partners Dean. Fans kennen die Choreografie, die das Paar erst kurz vor Olympia bei der EM 1983 das erste Mal zeigte, auch auswendig: angefangen von den Bewegungen im Knien zu Beginn über die Spagateinlage von Dean und die fließenden Tanzschritte zum monotonen Takt des „Bolero“ bis hin zu den liegenden Körpern auf dem Eis. Damit stießen die Briten die bis dahin den Eistanz bei Olympia dominierenden Paare aus der Sowjetunion vom Thron.

Der legendäre Tanz von Torvill/Dean

Am Valentinstag 1984 gelang den beiden britischen Eistänzern Jayne Torvill und Christopher Dean bei den Olympischen Spielen von Sarajevo die perfekte Kür. Der „Bolero“ des Duos hat auch 40 Jahre danach nichts von seinem Zauber verloren.

Risiko wird belohnt

Dabei wurden den bis dahin bereits dreimal bei Weltmeisterschaften vergoldeten Briten im Vorfeld aufgrund ihrer Musikauswahl wenig Chancen gegeben. Denn Kürtänze wurden bis dahin zu wechselnden Tempos dargeboten, der zwar eingängige, aber monotone Tanz von Ravel galt nicht als wettbewerbsfähig. Doch Torvill/Dean nahmen die Herausforderung bewusst an. „Wir haben uns mit dem, was wir taten, sehr gut gefühlt. Nur die anderen haben gedacht, dass wir uns eventuell verzocken“, sagte der ehemalige Polizist später.

Laut Torvill, die in ihren Anfängen nebenbei noch bei einer Versicherung arbeitete, war der Schritt außerhalb der Norm auch notwendig, um die Konkurrenz in Schach zu halten. „Wir mussten in Sachen Kreativität einen Schritt voraus sein“, erinnerte sich Torvill in einem BBC-Interview 40 Jahre später zurück, „wir wollten eine Geschichte erzählen, also hatte jede Bewegung auch eine Bedeutung. Es sollte auch etwas sein, was davor noch niemand getan und noch niemand gesehen hat.“

Jayne Torvill und Christopher Dean, 1984
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Die Figuren der Briten zu Ravels „Bolero“ verzaubern Eistanzfans noch heute

Kniff ermöglicht Traumkür

Um ihre Traumkür zeigen zu können, benötigte das Paar aber einen Kniff. Denn auch der für den Auftritt gekürzte an sich über eine Viertelstunde dauernde „Bolero“, der sich in dieser Zeit von einem sanften musikalischen Wind in einen tosenden Sturm verwandelt, war für das olympische Reglement zu lange. 4:10 Minuten waren maximal erlaubt, die „Bolero“-Version von Torvill und Dean dauerte 4:28 Sekunden. Da die Zeit aber erst mit einem Schlittschuh auf dem Eis zu laufen begann, eröffneten die Briten ihre Choreografie einfach auf den Knien. Erst nach 18 Sekunden berührte eine Kufe das Eis der Zetra-Halle.

Der britische Kniff führte aber in weiterer Folge auch zu einer Regeländerung. Denn bei den Spielen 1994 in Lillehammer, als Torvill/Dean nach einer Änderung der Statuten als mittlerweile Profis auf die olympische Bühne zurückkehrten, war es bereits seit Langem verboten, eine Kür auf den Knien zu beginnen. Damals holten die Briten im Alter von 35 und 36 Jahren noch einmal Bronze, nachdem sie – anders als in Sarajevo – in der Kür zurückgefallen waren. Ihren „Bolero“ zeigten Torvill/Dean ebenfalls, allerdings nur beim traditionellen Schaulaufen.

Abschied nach 50 gemeinsamen Jahren

Die Karriere des Paares, das privat keines ist, lief aber bis heute weiter. Dieser Tage kehrten die beiden Briten auch nach Sarajevo zurück und tanzten zum Jubiläum noch einmal an der Stelle ihres größten Erfolges über das Eis jene Choreografie, die sie weltweit berühmt gemacht hatte. „Sarajevo ist ein so wichtiger Teil unseres Lebens“, sagte Dean bei der Rückkehr. Während sich andere am 14. Februar zum Valentinstag beglückwünschen würden, hieße es bei ihnen immer „Happy Bolero Day“, so der Engländer: „Weil das unser Tag ist.“

Für die mittlerweile 66 und 65 Jahre alten Torvill und Dean schloss sich mit dem „Comeback“ in der Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas auch der Kreis. Denn nach Hunderten „Boleros“ im Laufe ihrer langen sportlichen Partnerschaft ist zum 50. Jubiläum des Beginns ihrer Zusammenarbeit nächstes Jahr endgültig Schluss. Im Rahmen einer 28-tägigen Abschiedstour, die mit dem Finale in Glasgow am 25. Mai 2025 ihren Abschluss findet, gehen Torvill/Dean endgültig in Pension. Ihre legendäre Kür wird aber sicher auch danach weiterhin fleißig aus dem Fundus gegraben werden.