Cercle Trainer Miron Muslic
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Fußball

Ex-Ried-Coach zeigt in Belgien auf

Der 25. März 2021 war für Miron Muslic kein Freudentag: Die SV Ried hatte auch das zehnte Spiel unter dem neuen Coach nicht für sich entschieden, nach nur drei Zählern zog der damals 38-Jährige die Reißleine und trat zurück. Drei Jahre später kann der ehemalige Fußballer den damaligen Schritt als sehr wichtig in seinem Werdegang einstufen.

Denn mit seinem neuen Club Cercle Brügge, zu dem er aus Oberösterreich wechselte, hat Muslic in Belgiens höchster Spielkasse die Großen nicht nur geärgert, sondern spielt mit dem Außenseiter nun auch um einen Europacup-Startplatz.

„Wir haben etwas Historisches erreicht, aber der Wahnsinn geht weiter“, sagte Muslic. In der Pro League wird wie in Österreich ein Champions-Play-off ausgespielt, Cercle schaffte im 16er-Feld den Sprung in die Top Sechs – neben Union Saint-Gilloise, Anderlecht, Antwerpen, Genk und Club Brügge. Gegen den Stadtrivalen geht es im Derby am Ostermontag, die bisherigen zwei Saisonduelle endeten mit Unentschieden.

„Vollgasfußball“ mit Cercle

Für Cercle, das seinen letzten von drei Meistertiteln (1911, 1927, 1930) vor bald 100 Jahre gefeiert hat, ist es ein Riesenerfolg. Von der belgischen Presse gab es für Muslic und seinen „Vollgasfußball“ (so „Het Laatste Nieuws“) Extralob. Der Gelobte sieht für sein Team nun die Chance auf mehr: „Wir haben viel investiert, jetzt wollen wir weiter mutig auftreten. Wir wollen diese Spiele genießen, aber auch wieder angreifen. Wir wollen einfach Cercle sein.“

Cercle Brugge Fans
IMAGO/Isosport
Die Cercle-Fans wissen, was sie an Miron Muslic haben

Cercle sein, das bedeutet unangenehm für die Gegner sein. Der kleinere Club aus der Hauptstadt der Provinz Westflandern besticht durch sein auf Pressing ausgerichtetes Spiel. Muslic spricht von „hochintensivem Powerfußball“, Cercle sei die jüngste Mannschaft der Liga, berichtet er stolz. Im vergangenen Sommer wurden die besten Spieler der Grün-Schwarzen um fast 20 Millionen Euro verkauft. Geholt wurden ausschließlich Akteure aus der U21-Kategorie.

Verbindungen nach Monaco

„Eigentlich wurden wir komplett abgeschrieben“, erklärte Muslic. Dank eines klaren Plans im Verein habe man die Abgänge aber auffangen können. Gesucht wurden und werden junge, entwicklungsfähige Spieler mit physischen Stärken, um das kräfteraubende Spiel auch 90 Minuten durchzuhalten. AS Monaco ist der Partnerclub, von den Monegassen kamen wie im Vorjahr auch heuer drei Leihspieler. Vom Ligue-1-Verein mit Trainer Adi Hütter agiere man aber autonom, so Muslic. Bei seinem Wechsel nach Belgien spielte allerdings ein Mann eine Rolle, der nun für Monaco arbeitet.

Denn bei Muslic meldete sich im Herbst 2021 im heimatlichen Altmünster Carlos Avina Ibarrola am Handy, Ex-ÖFB-Teamspieler Franz Schiemer hatte den Kontakt mit Cercles mexikanischem Sportchef vermittelt. Der einst in Tirol (SV Wörgl, Reichenau, SV Hall) und für Ried in der Bundesliga (vier Partien 2007) spielende Muslic nützte die Möglichkeit. Er analysierte Spiele der Belgier und wurde kurz darauf als Assistent von Trainer Yves Vanderhaeghe verpflichtet.

Gemeinsame Zeiten mit Thalhammer

Auch unter dessen Nachfolger Dominik Thalhammer blieb Muslic Assistenzcoach, gemeinsam holte das Duo Cercle aus der Abstiegszone und schloss die Saison auf Platz zehn ab. Ein schwacher Start in die folgende Saison kostete Thalhammer den Job, Muslic wurde im September 2022 befördert – ein logischer Schritt, wie er im Rückblick erklärte.

Dominik Thalhammer (LASK)
GEPA/Christian Moser
Dominik Thalhammer (r.) musste Platz machen

„Es war von Anfang an klar, dass ich meine Chance bekommen werde“, sagte der 41-Jährige. Er selbst habe nicht daran gezweifelt, der Aufgabe gewachsen zu sein. „Sicher, ich bin in Ried gescheitert. Aber das gehört dazu. In dieser Branche scheitert jeder Trainer einmal. Aber ich wollte den Weg weitergehen, habe gewusst, dass es noch eine Chance für mich geben wird.“ Er hat sie offensichtlich genutzt. Cercle arbeitete sich erneut aus der Abstiegszone hoch, die noch in einem anderen Format ausgespielte Saison 2022/23 wurde als Sechster beendet.

„Ich gehe hier voll auf“

Auch Muslic rückte dadurch wieder ins Blickfeld. Dass der italienische Transferexperte Fabrizio Romano vor einigen Monaten über Interesse aus Deutschland und Italien berichtete, wurde in Brügge notiert. Beim „Entwicklungsverein“ Cercle sieht sich Muslic vorerst aber noch gut aufgehoben. „Ich gehe hier voll auf, der Club gibt mir auch die Möglichkeit, mich selbst weiterzuentwickeln. Es gibt noch sehr viele Dinge, die ich an mir verbessern muss“, sagte er. Es gelte, nichts zu überstürzen. Den Vertrag bei Cercle hat Muslic bis Sommer 2025 verlängert.

Nur eines nagt am Gemüt: Die fünfköpfige Familie Muslic bleibt weiter getrennt. Ehefrau Ensada arbeitet in Gmunden als Krankenschwester, die Kinder Benjamin, Lejla und Hamza besuchen die Schule. „Dagegen habe ich leider noch kein Rezept gefunden“, berichtete Muslic, der 1992 als Kind einer Flüchtlingsfamilie aus Bosnien nach Innsbruck übersiedelt war, über das Heimweh. Die Qualifikation für das Champions-Play-off widmete er nach dem entscheidenden 4:0 gegen Molenbeek deshalb seiner Familie, „die jeden Tag ihren Vater und Ehemann vermisst“.