EM-Qualifikation

Österreich muss sich Deutschland beugen

Österreichs Fußballnationalteam hat zum Auftakt der EM-Qualifikation am Freitag eine Überraschung verpasst. Das Team von Irene Fuhrmann verlor vor 7.500 Zuschauerinnen und Zuschauern in Linz gegen Rekordeuropameister Deutschland mit 2:3 (2:1). Trotz einer frühen 2:0-Führung reichte es auch im vierten Duell mit dem Nachbarn nicht für einen Punktegewinn.

Österreich gelang in Linz ein Traumstart und führte nach 16 Minuten mit 2:0: Freiburg-Legionärin Eileen Campbell traf nach Einzelleistung und dann mit einem Kopfball (9./16.). Der Weltranglistenfünfte kam schwer in die Gänge, verkürzte aber vor der Pause durch Klara Bühl (39.), die nach Seitenwechsel auch einen Doppelpack schnürte (49.).

Spielentscheidend war letztlich eine harte Elfmeterentscheidung gegen Österreich, die „Joker“ Laura Freigang erfolgreich gegen Torfrau Manuela Zinsberger provozierte. DFB-Kapitänin Giulia Gwinn traf zum glücklichen Startsieg für Deutschland in der EM-Qualifikation (63.).

2:0 für Österreich durch Campbell (16. Minute)

Eileen Campbell schnürt gegen Deutschland den Doppelpack.

Im Auftaktspiel der Gruppe A4 hatte zuvor Island einen 3:0-Heimsieg gegen Polen gefeiert. Weiter geht es für Fuhrmanns Frauen am Dienstag (18.00 Uhr, live in ORF1) in Gdynia gegen Polen, das Team des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) empfängt in Aachen Island. Bis Mitte Juli wird entschieden sein, wer sich die beiden Fixtickets für die EM 2025 in der Schweiz sichert. Danach gibt es auch noch Play-off-Spiele.

Zweitgrößte Zuschauerkulisse

Der Weg ins Nachbarland zur erhofften dritten EM-Teilnahme in Folge startete in Linz. Nachdem die ÖFB-Herren in der neuen Arena schon dreimal vorspielen durften, waren nun die Damen an der Reihe. Ein würdiger Schauplatz für den Schlager gegen den Lieblingsnachbarn, den sich die Österreicherinnen vor der Auslosung gewünscht hatten.

Teams vor Spielbeginn
ORF/Bernhard Kastler
7.500 Fans sahen den Auftaktschlager in der EM-Quali gegen Deutschland

Wünschenswert wären freilich noch mehr Zuschauerinnen und Zuschauer gewesen, aber 7.500 bedeuteten immerhin den zweitgrößten Besuch bei einem Frauen-Länderspiel in Österreich nach den 10.051 in Wien-Favoriten im September gegen die Französinnen.

Neue Wäsch’, neues Glück

Damals verloren die Österreicherinnen knapp mit 0:1, gegen das ebenfalls klar favorisierte Deutschland würde das ÖFB-Team „einen Sahnetag benötigen“, wie es Fuhrmann mit einem Lächeln am Vortag ausdrückte. Die 43-jährige Wienerin musste gegen das DFB-Team die Bayern-Legionärinnen Sarah Zadrazil und Katharina Naschenweng vorgeben. Das neue ÖFB-Trikot, das die Herren auch bei der EM tragen werden, streifte mitunter Lilli Purtscheller von Beginn an über.

Lena Oberdorf und Marie-Therese Höbinger
APA/AFP/Joe Klamar
Beide Teams spielten erstmals in ihren jeweils neuen Trikots

Auf der anderen Seite musste Interimsteamchef Horst Hrubesch ebenfalls prominente Ausfälle beklagen. Der frühere Tirol- und Austria-Trainer („Ich habe nur gute Erinnerungen an Österreich“) hatte unter anderen Stürmerstar Alexandra Popp nicht zur Verfügung, die vor zwei Jahren im EM-Viertelfinale in Brentford den 2:0-Endstand sicherstellte.

Traumstart für Österreich

Nach den Auszeichnungen für Barbara Dunst als Österreichs Fußballerin des Jahres und Virginia Kirchberger zum 100. Länderspiel sowie einer lautstarken Einschwörung von Torfrau Manuela Zinsberger rollte der Ball auf der Linzer Gugl. Anders als zumeist in der Nations League war das ÖFB-Team gleich von Beginn weg gut in der Partie.

Die Österreicherinnen setzten Deutschland früh unter Druck und behielten das Geschehen damit in der gegnerischen Hälfte. Die erste Chance ließ auch nicht lange auf sich warten, eine Hereingabe setzte die von einem Nasenbeinbruch gezeichnete Celina Degen knapp über das Tor (6.). Drei Minuten später jubelte Österreich aber erstmals.

Campbell macht das 1:0 für Österreich (9. Minute)

Nach schöner Einzelaktion bringt Campbell Österreich in Führung.

Campbell lag schon auf dem Boden, richtete sich wieder auf und nahm Sara Doorsoun das Leder ab. Mit etwas Glück behauptete sie im Strafraum den Ball und bugsierte ihn Torfrau Merle Frohms ins kurze Eck (9.). Österreich blieb aggressiv und ließ den Gegner nicht zur Entfaltung kommen. Selbst präsentierten sich die Gastgeberinnen effektiv: Nach einem Dunst-Freistoß köpfelte Campbell ein (16.).

Deutschland verkürzt vor Pause

Das Linzer Publikum staunte nicht schlecht und sah einen bis dahin völlig harmlosen Rekordeuropameister, der überhaupt nicht ins Spiel fand, weil Österreich es auch nicht zuließ. Sjoeke Nüsken versuchte es mit zwei Distanzschüssen (21., 31.). Die Fans quittierten das Spiel ihres Teams mit „Immer wieder Österreich“-Sprechchören. Die ÖFB-Elf ließ nach dem hohen Anfangspressing die Deutschen aufkommen. Der Anschlusstreffer bahnte sich zwar nicht an, fiel aber trotzdem.

Bühl verkürzt auf 1:2 (39. Minute)

Die Bayern-Spielerin trifft rechts unten zum Anschlusstreffer.

Nach einem Ballverlust von Marina Georgieva bekam Bühl das Leder zurück, ihr satter Schuss ins Eck saß kurz vor der Pause (39.). Es blieb beim 2:1 für Österreich zur Halbzeit, weil sich Frohms von einem Purtscheller-Schuss nicht überraschen ließ und Degen per Kopfball verfehlte (45.). Das Publikum honorierte die Leistung zur Pause.

Deutschland kam angestachelt vom Anschlusstreffer aus der Kabine und jubelte bereits vier Minuten nach Wiederbeginn über den Ausgleich. Nach einem Doppelpass mit Nüsken traf Bayern-Spielerin Bühl ins lange rechte Eck und schnürte auch einen Doppelpack (49.).

Elfmeter dreht Partie endgültig

Österreich konnte den nun in Fahrt kommenden Favoriten zwar halbwegs in Schach halten, doch über die Seiten wurde Deutschland doch immer wieder gefährlich. So schlug Fuhrmann schon die Hände über den Kopf zusammen, als ein schöner Lochpass auf die eingewechselte Laura Freigang zu einem Elfmeterfoul von Zinsberger führte. Zinsberger blieb stehen, Freigang lief in sie hinein, und Giulia Gwinn, erstmals DFB-Kapitänin, traf im zweiten Anlauf vom Punkt.

Laura Feiersinger wurde an ihrem 31. Geburtstag eingewechselt und brachte gleich viel Schwung in die Partie, eine gefährliche Flanke wurde auf das Tor, aber auch in die Hände von Frohms abgefälscht. Österreich warf noch einmal alles rein, doch Deutschland war dem 4:2 näher. Lea Schüller vergab alleinstehend (73.), Zinsberger rettete gegen Freigang (74.). Österreich verkaufte sich wie zuletzt im EM-Viertelfinale gegen Deutschland teuer, knapp reichte es wieder nicht.

Stimmen zum Spiel:

Irene Fuhrmann (Österreich-Teamchefin): „Es ist einer der bittersten Fußballabende für uns. Ich bin der Meinung, dass wir Deutschland in der ersten Halbzeit dominiert haben. Sie haben aber schon vor der Pause gezeigt, dass sie enorme Qualität haben. Sie waren brutal effektiv. Ich bin richtig stolz auf die Mannschaft, aber wir haben nichts mitgenommen. Beim Elfmeter gibt es natürlich einen Kontakt, sie (Schiedsrichterin) hat ihn gegeben, wir können es nicht ändern.“

„Wir haben uns leider nicht selbst belohnt für eine durchgehend starke Leistung. Deutschland ist natürlich physisch sehr stark, wir haben in der ersten Halbzeit sehr viel investiert, sie haben frische Kräfte gebracht. Sie haben unsere Fehler brutal bestraft. Es wird jetzt dauern, das Ergebnis zu verdauen. Aber wir müssen auf diese Leistung aufbauen. Es ist schon entscheidend, dass wir in Polen punkten.“

Manuela Zinsberger (Österreich-Torhüterin): „Aus meiner Sicht war es kein Elfmeter. Aber es ist im Endeffekt egal, was ich glaube. Tor ist Tor. Ich bin extrem stolz auf die Mannschaft, was wir geleistet haben. Wir haben Deutschland an die Wand gespielt, vor allem in der ersten Halbzeit. Dass sie effektiv sind, haben wir gewusst. Aber es gibt noch die Chance zur Revanche im Rückspiel.“

Horst Hrubesch (Deutschland-Teamchef): „Das Entscheidende war, dass wir wussten, was auf uns zukommt, und wir haben nicht dagegengehalten. Wir haben sie gelassen. Wir lagen dann 0:2 hinten und konnten dann mehr oder weniger warten, bis die Halbzeit kommt, dass wir ein bisschen reagieren können.“

„Zweite Halbzeit war es dann okay. Wir sind dann zurückgekommen, haben schnell das erste Tor gemacht, dann das zweite nachher. Den Elfmeter muss man nicht unbedingt geben, sage ich jetzt einmal einfach. Aber letztendlich haben wir auch die eine oder andere Möglichkeit gehabt, das Spiel nach dem 3:2 noch klarer für uns zu entscheiden. Am Ende des Tages war es nicht das, was wir wollten.“

EM-Qualifikation, Gruppe A4, erster Spieltag

Freitag:

Österreich – Deutschland 2:3 (2:1)

Linz, Oberösterreich Arena, 7.500, SR Oloffson (SWE)

Torfolge:
1:0 Campbell (9.)
2:0 Campbell (16.)
2:1 Bühl (39.)
2:2 Bühl (49.)
2:3 Gwinn (63./Elfmeter)

Österreich: Zinsberger – Schiechtl (64./Feiersinger), Georgieva, Kirchberger, Hanshaw – Degen, Puntigam – Purtscheller (80./Hickelsberger-Füller), Höbinger (88./Billa), Dunst – Campbell (80./Pinther)

Deutschland: Frohms – Gwinn, Doorsoun (46./Schulze), Hendrich, Linder – Nüsken, Oberdorf, Lohmann (46./Freigang) – Brand (85./Endemann), Bühl (90./Kössler) – Schüller

Gelbe Karten: Zinsberger bzw. Schulze, Oberdorf