Henrik Kristoffersen
ORF
Ski alpin

Kristoffersen traut „Chef“ Hirscher alles zu

Kaum ein Duell war in den 2010er Jahren ähnlich prickelnd wie jenes zwischen Marcel Hirscher und Henrik Kristoffersen im Slalom und Riesentorlauf. Das Comeback des Salzburgers kam auch für den Norweger überraschend – obwohl er seit 2022 auf Hirschers Van-Deer-Ski steht. Seinem „Chef“ traut Kristoffersen im ORF-Interview jedenfalls viel zu: „Viele Athleten werden sicher nervös, aber für den Sport ist es super.“

Vor zwei Jahren wechselte Hirschers einst schärfster Konkurrent, der oft an der Dominanz des Salzburgers zu verzweifeln schien, seine Arbeitsgeräte und ist das Aushängeschild der Marke Van Deer. Die Zusammenarbeit der beiden Topstars trug auch schon bald Früchte. Im Jänner 2023 bescherte Kristoffersen seinem Ausrüster die ersten beiden Weltcup-Siege. Bei der WM in Meribel krönte sich der Norweger sogar auf den Hirscher-Latten zum Slalom-Weltmeister.

Trotz der engen Zusammenarbeit wusste auch Kristoffersen nichts von den Plänen Hirschers. „Er hat mich am Abend angerufen, dass am Morgen was in die Zeitung kommt. Ich habe zuerst gedacht eine Veränderung in der Firma“, sagte Kristoffersen im Interview mit Oliver Polzer in der Sendung „Sport am Sonntag“. Dass Hirscher ihm dann sein Comeback offenbarte, habe ihn „dann ein bisschen überrascht, das muss ich schon sagen“.

Henrik Kristoffersen im Interview

Es war jahrelang das Duell im Skizirkus. Eines, das diesen Winter wieder aufleben kann. Henrik Kristoffersen hat mit dem Van-Deer-Ski bisher dreimal gewonnen. Ob das als Härtetest für Hirscher gereicht hat und über sein Leben auf und abseits der Piste sprach er als Gast im Studio.

Der Rückkehr des achtfachen Weltcup-Gesamtsiegers steht Kristoffersen jedenfalls sehr positiv gegenüber – nicht nur als Werbung für den nun gemeinsamen Ausrüster. „Ich finde es sehr cool“, so der 29-Jährige, der allerdings „nicht zu hundert Prozent“ weiß, was Hirschers Plan ist. Vorerst gelte es für den Salzburger sowieso – etwa im Sommer in Neuseeland –, die nötigen FIS-Punkte zu holen, um wieder im Weltcup starten zu können. Kristoffersen ist jedenfalls überzeugt, dass die Fans Hirscher schon beim Weltcup-Auftakt in Sölden mit einer „Nummer von 40 bis 50“ sehen werden: „Mit seiner Qualität hat er sicher kein Problem, dass er in die Top 30 fährt.“

„Er hat nichts vergessen“

Davon, dass Hirscher auch in seinen fünf Jahren Skipension die Zügel nie schleifen ließ, konnte sich der Norweger bei gemeinsamen Skitests und Trainings in den vergangenen beiden Jahren geschäftlicher Zusammenarbeit überzeugen. „Wir haben vergangenes Jahr viel Slalom-Training absolviert. Er ist nicht langsam und hat nichts vergessen, so viel ist sicher“, meinte Kristoffersen, der auch eine baldige Rückkehr seines 35-jährigen „Chefs“ in die Top Drei nicht ausschließt: „Wenn er wieder Rennen gewinnt oder (zumindest) am Podest steht, würde es mich nicht überraschen.“

Marcel Hirscher und Henrik Kristoffersen
APA/Barbara Gindl
Vor zwei Jahren wurden aus den Konkurrenten Marcel Hirscher (l.) und Henrik Kristoffersen „Geschäftspartner“

Zwar habe er sich in der Vergangenheit oft sichtlich geärgert, wenn ihm Hirscher einen Sieg weggeschnappt hat, so der Gewinner von 30 Weltcup-Rennen, doch feindschaftliche Gefühle habe es zwischen ihnen nie gegeben: „Er ist ein super Mensch, ein super Freund. Auch die letzten Jahre als Chef war es richtig cool. Wir haben alle das gleiche Ziel.“ Und dieses Ziel sei vor allem die im Vergleich zu den anderen Marken noch blutjunge Skimarke mit dem Hirschgeweih im Logo.

Topmotiviert nach „schwierigster Saison“

Aber auch für Kristoffersen selbst soll die kommende eine Art Comeback-Saison sein. Denn im vergangenen Winter blieb der Norweger erstmals seit Langem wieder ohne Sieg. Es sei die „schwierigste Saison“ seiner Karriere gewesen. Gründe dafür habe es viele gegeben: „Viele wissen das nicht, aber ich hatte vergangenen Mai eine OP am Sprunggelenk. Es hat sechs Wochen gedauert, bis ich wieder voll trainieren konnte. Dann war ich auch verletzt, nach einem Sturz im Slalom war der Oberschenkel verletztz, und ich hatte dann den ganzen Winter über Schmerzen.“

Dazu habe auch die Abstimmung zwischen Mensch und Material vergangene Saison nicht immer nach Wunsch funktioniert. „Es ist daher wichtig, dass man weiß, was die Probleme sind, dass man Lösungen findet und gemeinsam weiter auf ein Ziel hinarbeitet“, so Kristoffersen, der aber optimistisch auf die kommende Saison mit dem Highlight WM in Saalbach blickt: „Ich bin daher topmotiviert, angriffslustig und freue mich auf die kommende Saison. Ich habe Hunger auf mehr Siege, das ist sicher.“

Nationenwechsel nicht abgeneigt

Apropos Hunger nach Siegen: Um diesen zu stillen, könnte sich Kristoffersen auch mit dem Neo-Niederländer Hirscher und seinem „ehemaligen“ norwegischen Landsmann und Neo-Brasilianer Lucas Braathen auf ein „Packl“ hauen. Denn obwohl der 29-Jährige offiziell noch unter norwegischer Flagge fährt, ist er aufgrund zahlreicher Querelen mit dem Verband als Einzelkämpfer im Weltcup unterwegs. Zumindest kurz huscht Kristoffersen ein Lächeln über das Gesicht, wenn er danach gefragt wird. Mehr als ein „schauen wir mal“, war ihm aber nicht zu entlocken.

An einen Nationenwechsel wie von Braathen und Hirscher habe er hingegen „schon einmal gedacht“, weil aber beide Elternteile aus Norwegen seien, wäre dieser auch deutlich schwieriger. Für eine Nation könnte sich Jungvater Kristoffersen, der heuer auch in den Stand der Ehe schwingen wird, aber doch erwärmen: Österreich. Denn der 29-Jährige lebt seit Jahren in Salzburg und bezeichnet Österreich mittlerweile auch als Heimat. Daher überrascht es nicht, wenn er sagt: „Wenn es einmal die Möglichkeit gibt, mit einem rot-weiß-roten Anzug zu fahren, warum nicht.“ Zusatz: „Schauen wir mal.“