Jubel von Joselu und Vinicius Junior (beide Real Madrid)
Reuters/Susana Vera
Champions League

Furioses Finish bringt Real ins Finale

Das Champions-League-Endspiel 2024 heißt Real Madrid gegen Borussia Dortmund. Die „Königlichen“ gewannen am Mittwoch das Halbfinal-Rückspiel daheim gegen Bayern München mit 2:1 (0:0, Hinspiel 2:2) und spielen am 1. Juni in London das Finale. Dabei führten die Münchner in Madrid bis kurz vor Schluss, doch „Joker“ Joselu schnürte einen Doppelpack.

Der 34-jährige Spanier kam in der 81. Minute auf das Feld und staubte nach einem Patzer des zuvor überragenden Bayern-Goalies Manuel Neuer zum 1:1 ab (88.), drei Minuten später vollendete Joselu in Folge einer Ecke und nach Querpass von Antonio Rüdiger zum 2:1 (91.).

Zuvor hatte der früh eingewechselte Alphonso Davies die Gäste nach einem Konter mit einem Schlenzer in Führung gebracht (68.). In der ersten Hälfte hatte der 14-fache Rekordsieger Real noch mit einem Stangentreffer von Vinicius jr. Pech, Neuer hielt die Bayern mit dem ÖFB-Teamspieler Konrad Laimer im Spiel, ehe man in Führung ging und von der ersten Endspielteilnahme seit vier Jahren träumen durfte.

Joselu trifft gegen Manuel Neuer
AP/Manu Fernandez
Neuer spielte eine herausragende Partie, patzte aber kurz vor Schluss – der Anfang von Bayerns Ende

Damit kommt es nicht zu einer Neuauflage des deutschen Finales von 2013 in London, als Bayern den BVB mit 2:1 besiegen konnte. Vielmehr wird sich der deutsche Rekordmeister an das Finale von 1999 erinnert fühlen, als man Manchester United in Barcelona nach einer 1:0-Führung noch in der Nachspielzeit unterlag. Im Finale 2024 steht nun mit Marcel Sabitzer auf Dortmunder Seite auch ein Österreicher, bei Real Madrid ist ÖFB-Star David Alaba nach einem Kreuzbandriss rekonvaleszent.

Bayern halten zunächst mit Glück die Null

Die Bayern, die erstmals seit zwölf Jahren ohne Titel bleiben, hatten im Duell mit den Madrilenen nach 2014 (Halbfinale), 2017 (Viertelfinale) und 2018 (Halbfinale) erneut das Nachsehen. Im mit Spannung erwarteten Rückspiel setzte Tuchel überraschend auf Youngster Aleksandar Pavlovic, der 20-Jährige erhielt den Vorzug gegenüber Leon Goretzka und bearbeitete das zentrale Mittelfeld gemeinsam mit Laimer. Außerdem begann Angreifer Serge Gnabry statt Thomas Müller, in der Abwehr startete der wieder fitte Matthijs de Ligt für den im Hinspiel fehlerhaften Minjae Kim. Bei Real kehrte Rechtsverteidiger Daniel Carvajal nach einer Sperre ins 4-3-3 von Carlo Ancelotti zurück.

Vor knapp 80.000 Fans im ausverkauften Estadio Santiago Bernabeu war Real zunächst die aktivere Mannschaft. Ein Carvajal-Stanglpass fand keinen Abnehmer (6.), auf der Gegenseite erging es Gnabry gleich (8.). In der 13. Minute wackelte das Bayern-Tor erstmals, ein Schuss des erneut überragenden Vinicius Jr. aus spitzem Winkel knallte nach einer Berührung mit Manuel Neuers Fingerspitzen an die Innenstange. Den Nachschuss von Rodrygo parierte der Bayern-Goalie ebenfalls.

Jude Bellingham (Real Madrid) gegen Konrad Laimer (Bayern)
Reuters/Violeta Santos Moura
ÖFB-Teamspieler Konrad Laimer (r.) warf sich wieder in jeden Zweikampf

Für den entthronten deutschen Serienmeister klopfte Harry Kane nach knapp einer halben Stunde gefährlich an, der Torjäger zwang Real-Goalie Andrij Lunin mit einem Volleyschuss von der Strafraumgrenze zu einer Parade (28.). Kurz zuvor war Gnabry verletzungsbedingt vom Rasen gegangen. Die Ancelotti-Elf kontrollierte weiter das Geschehen, und es war wieder Neuer, der eine immer länger werdende Vinicius-Flanke im letzten Moment entschärfte (40.).

Davies stellt Spielverlauf auf den Kopf

Nach dem Seitenwechsel flog ein abgefälschter Schuss von Davies nur knapp über das Real-Tor (47.). Wenig später fehlten nur Zentimeter zum madrilenischen Torjubel, einen Vinicius-Stanglpass lenkte Rodrygo hauchdünn am langen Eck vorbei (55.). Die Atmosphäre wurde der Wichtigkeit des Spiels gerecht, davon angetrieben, versuchten beide, Akzente zu setzen. In Minute 59 war Neuer bei einem Rodrygo-Freistoß zur Stelle, eine Minute später bei einem Vinicius-Schuss.

Alphonso Davies trifft zum 1:0
IMAGO/Ulrich Hufnagel
Alphonso Davies brachte die Bayern mit einem Schlenzer in Führung

Der Doppeltorschütze des Hinspiels spielte sich am linken Flügel mit Bayern-Rechtsverteidiger Kimmich immer wieder. Doch es war der zuletzt formschwache Davies, der den Spielverlauf auf den Kopf stellte. Nach einem langen Kane-Pass zog der 23-jährige Flügelflitzer in den Strafraum und vollendete unhaltbar. Die Madrilenen drückten auf den Ausgleich, ein vermeintlicher Treffer wurde von Schiedsrichter Szymon Marciniak nach Ansicht der Videobilder wegen eines klaren Schubsers von Nacho gegen Joshua Kimmich aberkannt.

Joselu jubelt, Bayern über Referee verärgert

Die spielerisch überlegenen Gastgeber durften trotzdem jubeln, nachdem der zuvor überragende Neuer patzte und Joselu den Abstauber zum zwischenzeitlichen Ausgleich nach einem Vinicius-Schuss ermöglichte. In Minute 91 drückte der 34-Jährige eine Rüdiger-Hereingabe über die Linie und machte sich zum Halbfinal-Helden.

Die Bayern ärgerten sich nach dem Schlusspfiff über einen verfrühten Abseitspfiff bei einer knappen Situation in Strafraumnähe (104.), Momente später brachte De Ligt den Ball im Real-Tor unter. Aufgrund des verfrühten Pfiffes konnte die Szene nicht vom VAR überprüft werden. „Ich finde das unglaublich. Ich kann das nicht verstehen. Es ist nicht ganz klar, da musst du durchspielen lassen“, sagte de Ligt und verriet, dass sich der Schiedsrichter danach entschuldigt habe.

Stimmen zum Spiel:

Konrad Laimer (Bayern-Spieler): „Ich bin der Meinung, dass wir besser spielen können als heute. Trotzdem gehen wir 1:0 in Führung und jeder kämpft sich rein ins Spiel. Die machen das gut und machen Druck und am Ende haben sie es geschafft, irgendwie ein Tor zu schießen. Jetzt fahren wir als Verlierer heim. Wir müssen aus solchen Sachen lernen, weil wir hier auf jeden Fall gegen eine solche Mannschaft gewinnen können. Sie haben einfach große Individualität und wollen unbedingt, das hat man gesehen. Das ist Madrid und deren große Stärke.“

Zur strittigen Abseitssituation kurz vor dem Schlusspfiff: „Gefühlt lässt er das ganze Spiel alles laufen. In der 90.+15, wenn wir noch einmal nach vorne kommen, pfeift er sofort Abseits. Das verstehe ich nicht. Wir können eh nichts ändern, ich habe es im Spiel schon gemerkt und mir gedacht: Super, du brauchst nicht gleich reinpfeifen, lass doch fertig spielen. Es ist meiner Meinung nach sehr unnötig. Es ist ja nicht so, dass wir zum Spaß spielen würden, schade.“

Thomas Müller (Bayern-Spieler): „Wir haben einen Riesenfight geliefert und unser Herz auf dem Platz gelassen. Sie hatten schon auch Druckphasen, so ehrlich müssen wir sein. Wenn du kurz vor Schluss führst, willst du das Ding unbedingt über die Ziellinie bekommen. Am Ende geht es um die Millimeter – abseits oder nicht abseits. Jetzt werden sie wieder die Geschichte vom Heiligen Bernabeu erzählen, und das Ergebnis gibt ihnen recht.“

Manuel Neuer (Bayern-Tormann): „Leider hat es uns heute erwischt, das ist bitter, und so fühlen wir uns auch. Dieser Ball (Anm.: beim 1:1) kam nicht so wie erwartet – ich habe ihn auf dem Brustkorb erwartet, er ist aber auf dem unteren Teil des Halses gekommen. Dann war es schwer für mich, ihn festzuhalten. Wir haben alles gegeben. Wir haben die ein oder andere Situation gehabt, wo wir es hätten besser ausspielen können.“

Antonio Rüdiger (Real-Spieler): „Man muss immer mit uns rechnen. Natürlich machen wir mit einem Quäntchen Glück das 1:1, und dann kann es schnell gehen. Die Bayern sind immer ein harter Gegner. Sie haben heute viel auf Konter gespielt und uns den Ball überlassen. Einfach Wahnsinn, dass wir noch zurückkommen.“

UEFA Champions League, Halbfinal-Rückspiel

Mittwoch:

Real Madrid – Bayern München 2:1 (0:0)

Madrid, Estadio Santiago Bernabeu, SR Marciniak (POL)

Torfolge:
0:1 Davies (68.)
1:1 Joselu (88.)
2:1 Joselu (91.)

Real: Lunin – Carvajal, Rüdiger, Nacho, Mendy – Valverde (81./Joselu), Kroos (69./Modric), Tchouameni (69./Camavinga) – Bellingham (100./Eder Militao) – Rodrygo (81. Diaz), Vinicius Jr.

Bayern: Neuer – Kimmich, De Ligt, Dier, Mazraoui – Laimer, Pavlovic – Sane (76./Kim), Musiala (85./Müller), Gnabry (27./Davies) – Kane (84./Choupo-Moting)

Gelbe Karten: Camavinga bzw. Tuchel (Bayern-Trainer)

Hinspiel: 2:2 – Real mit dem Gesamtscore von 4:3 im Finale am 1. Juni im Londoner Wembley-Stadion