Tennisspieler Dominic Thiem
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Tennis

Thiem kündigt Karriereende an

Die Karriere von Österreichs erfolgreichstem Tennisspieler seit Thomas Muster geht dieses Jahr zu Ende. Am Freitag machte Dominic Thiem offiziell, was die Spatzen bereits vor Tagen von den Dächern pfiffen: Der Niederösterreicher hängt heuer das Racket an den Nagel. „Die Saison 2024 wird meine letzte sein“, so Thiem in seiner Erklärung. Was bleibt, ist eine große Karriere mit einem holprigen Ende.

Am Mittwoch hatte Thiems Bruder und Manager Moritz Thiem ein Statement am Ende der Woche zu dem am Dienstag in den „Salzburger Nachrichten“ aufgekommenen Gerücht angekündigt. Am Freitag ließ Thiem nun wie erwartet die Katze aus dem Sack.

„Ich habe eine sehr wichtige, traurige, aber auch sehr schöne Mitteilung. Die Saison 2024 wird meine letzte sein. Ich werde meine Karriere beenden. Einer der Gründe ist auch meine Handgelenksverletzung. Ich hatte Erfolge, von denen ich nie geträumt hätte. Es war eine unglaubliche Reise. Am Ende kam ich zu dem Entschluss, dass es die richtige Entscheidung ist, meine Karriere heuer zu beenden“, so Thiem in einem in sozialen Netzwerken in englischer Sprache verbreiteten Beitrag.

Thiem hängt Schläger an den Nagel

Lange wurde spekuliert, nun ist es klar: Österreichs Tennisstar Dominic Thiem beendet noch in diesem Jahr seine Karriere.

Aufschwung blieb aus

Da das von ihm im Jänner ausgerufene „Jahr der Entscheidung“ nicht den gewünschten Erfolg gebracht hatte und auch das lädierte Handgelenk wieder Probleme mache, sei im Herbst Schluss. Bis dahin wird der 30-Jährige, der am 16. Mai im Rahmen des 4Gamechangers Festivals in Wien öffentlich auftreten wird, nur noch einige ausgewählte Turniere – darunter das Generali Open in Kitzbühel – bestreiten.

Thiem ist im ATP-Computer nur auf dem 117. Platz zu finden. Nur beim 250er-Turnier in Estoril Anfang April überstand er die erste Runde. Zuletzt war in der Quali für das Masters-Turnier in Madrid vorzeitig Endstation.

Verletzungspech nach Karrierehighlight

Estoril war der letzte Tiefschlag seit 2021, als die Karriere Thiems eine dramatische Wende nahm. 2020 ließ Österreichs damalige Nummer eins dem Finale bei den Australian Open in Melbourne den Titel bei den US Open in New York folgen. Es war erst der zweite Turniersieg eines Österreichers bei einem Grand-Slam-Event nach Muster 1995 bei den French Open in Paris.

Dominic Thiem 2020 mit der Siegertrophäe der US Open
Reuters/USA TODAY Sports/Danielle Parhizkaran
Der Gewinn der US Open 2020 war das Highlight in Dominic Thiems Karriere

Eine Handgelenksverletzung warf Thiem, der 17 Titel zu Buche stehen hat, 2021 aus der Bahn. Nach längerer Pause sucht Thiem seitdem vergeblich wieder die Erfolgsspur. 2023 war das Erreichen des Kitzbühel-Finales das Highlight, höher als bis auf Platz 72 sollte Thiem in der Weltrangliste aber nicht mehr klettern. Die Erste Bank Open in der Wiener Stadthalle Ende Oktober könnten seine Abschiedsvorstellung sein.

Das Feuer erlosch

Dieser endgültige Schritt in die Profipension mag sich für Thiem auch wie eine Erlösung anfühlen. Denn ähnlich wie einst Skisprungstar Gregor Schlierenzauer fand er nach einem Tief nie wieder ganz nach oben zurück – vor allem nach seiner am 22. Juni 2021 auf Mallorca erlittenen Verletzung.

Dominic Thiem nach seiner Verletzung in Mallorca
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Der Anfang vom Ende für Thiem: Die Handgelenksverletzung beim Turnier in Mallorca

Kurioserweise war der US-Open-Triumph 2020 für Thiem Segen und Fluch zugleich. Denn mit dem Fünfsatzsieg über Alexander Zverev hatte er sein ganz großes Ziel erreicht. Und das nicht, wie von allen erwartet, in Roland Garros, wo er zuvor zweimal im Finale gestanden und als „Kronprinz“ von Sandplatzkönig Rafael Nadal gehandelt worden war, sondern in Flushing Meadows. Auf größtmöglicher Tennisbühne und doch mitten in der Covid-19-Pandemie leider vor leeren Rängen.

Thiem hatte sich davon eine Befreiung und mehr „Lockerheit“ erhofft. Später gab er aber zu, dass das Feuer nach der ersten Major-Trophäe zumindest vorerst einmal „erloschen“ war. „Es gibt Spieler, die sofort Feuer und Flamme sind, den nächsten Grand-Slam-Titel zu holen. Bei mir war es nicht so, ich bin ein anderer Typ. Da habe ich auch eine Zeitlang gebraucht, bis ich das akzeptiert habe“, meinte Thiem im März 2023.

Probleme auch auf der Challenger-Tour

Dass der Titel in Flushing Meadows gar sein bis dato letzter sein und er danach nur noch zwei Endspiele erreichen würde, konnte damals niemand auch nur erahnen. Ende Jänner 2024 kam dann die verständliche, aber doch überraschende Ankündigung, dass er bei weiterer Stagnation daran denkt, den Schläger an den Nagel zu hängen.

Das Ziel für 2024 lautete Top 50, doch dieses erschien bald kaum möglich. Im Gegenteil: Im Ranking fiel er zuletzt auf Platz 117 zurück. Selbst auf Challenger-Niveau reichte es zu keinen zwei Siegen in Folge.

„Dieses komische Gefühl im Handgelenk“

Thiem machte Ende März öffentlich, dass ihm sein rechtes Handgelenk wieder Schmerzen bereite. Jenes Handgelenk, in dem er sich im Juni 2021 auf Mallorca einen Einriss in der Sehnenscheide und der dazugehörigen Gelenkskapsel zugezogen hatte. „Dieses komische Gefühl im Handgelenk ist wieder zurückgekommen, gepaart mit leichten Schmerzen“, erzählte er.

Thiem hatte sich schon davor gleich nach den Australian Open von Coach Benjamin Ebrahimzadeh getrennt und kehrte unter die Fittiche seines Vaters Wolfgang zurück. Sein Manager war seit Februar 2023 sein jüngerer Bruder Moritz. Diese intensive Familieneinbindung ebenso auch wie der Umgang mit seiner Entourage wie einige unglücklich verlaufene Trennungen wie u. a. von Langzeitcoach Günter Bresnik, sorgten immer wieder für Kritik.

Große Siege, begeisternde Spiele

Was bleibt, ist neben den vielen schönen Momenten für Tennisfans auch ein bitterer Beigeschmack, denn das Potenzial von Thiem war ein noch weit größeres.

Melzer über Thiem: „Müssen dankbar sein“

Der Abschied von Dominic Thiem hat hohe Wellen in der Tenniswelt geschlagen. Als einer der Ersten reagierte Jürgen Melzer: „Tennis-Österreich und jeder Tennisfan international muss dankbar sein für die schönen Momente, die er uns beschert hat.“ Für Melzer ist das frühe Karriereaus „extrem schade“.

Seine herausragende Ästhetik, die einhändige Rückhand als sein Markenzeichen und die eigentlich stärkere Vorhand mit enormen Drallgeschwindigkeiten trieben auch ganz große Gegner wie Roger Federer (Bilanz: 5:2 Siege), Rafael Nadal (6:10) und Novak Djokovic (5:7) zur Verzweiflung. Thiem ist einer von nur zwei Spielern mit zumindest je fünf Siegen gegen die „Big Three“.

Ein „Superstar“ aus Österreich

2020 wurde Thiem zu Österreichs Sportler des Jahres gekürt. Er behauptete sich fast fünfeinhalb Jahre in den Top Ten und lag fast ein Jahr auf Platz drei. „Der Bursche hat mich kein einziges Mal gefragt, wann das Training vorbei ist“, erzählte Ex-Coach Bresnik einmal. Diese Einstellung, aber auch der große finanzielle und zeitliche Einsatz der gesamten Familie Thiem waren wichtige Erfolgsbausteine.

Thiem war und ist auf der ATP-Tour wegen seiner Bescheidenheit, guten Manieren und Freundlichkeit sehr beliebt. Selbst Federer hatte ihn bei den French Open 2019 als „Superstar“ bezeichnet. Als dieser wird er in Österreich auch in Erinnerung bleiben.