Livio Wenger (SUI), Andrea Giovannini (ITA) und Gabriel Odor (AUT)
AP/Peter Dejong
Eisschnelllaufen

Odor nimmt sich Kiesenhofer zum Vorbild

Wie 2018 in Pyeongchang hat Österreichs Eisschnelllauf auch in China im Massenstart einen Olympiadebütanten dabei. Gabriel Odor will es am Samstag (9.30 Uhr MEZ, live in ORF1) Linus Heidegger – diesmals als Betreuer dabei – möglichst nachmachen oder dessen sechsten Platz von Südkorea sogar noch toppen. Das erste Etappenziel, den Einzug in das Finale der Top 16, schaffte Odor als Vierter seines Semifinal-Vorlaufs bereits sicher.

Der Massenstart ist Odors Spezialdisziplin, auch wenn er sich als einen der wenigen Allrounder bezeichnet – oder gerade deswegen. „Ich bin relativ gut über 500 m, über 1.500 und 5.000 m. Deswegen bin ich ein relativ optimaler Massenstart-Fahrer“, sagte der Tiroler. „Deswegen bin ich immer für ein ‚Breakaway‘ gut. Aber es ist eben so, dass ich auch im Sprint meine Stärken habe.“

Bei der Erklärung eines „Breakaway“ greift Odor zum Beispiel des olympischen Radcoups von Kiesenhofer zuletzt bei den Sommerspielen in Japan. So einen Ausreißversuch hat Odor Anfang Jänner bei den Europameisterschaften in Heerenveen gewagt, letztlich wurde er Siebenter. Bei seinem WM-Debüt vor einem Jahr ebendort belegte der 21-Jährige Rang zehn, 2019 war er in Baselga di Pine in Italien Junioren-Weltmeister im Massenstart geworden.

Anna Kiesenhofer
Reuters/Christian Hartmann
Anna Kiesenhofer trat gleich nach dem Start die Flucht nach vorne an. Odor könnte Ähnliches versuchen.

Hilfe einer Sportpsychologin

Seither sei es bei ihm stets sportlich aufwärts gegangen, was nun in die Olympiaqualifikation mündete. Allerdings sei er im vergangenen Sommer und Herbst in ein mentales Loch gefallen, wie Odor verriet. „Ich habe den Erfolg nicht wirklich genießen können. Es ist immer darum gegangen, dass ich super gefahren bin, aber dann habe ich mir schon wieder gedacht, ich muss etwas drauflegen. Ich habe mir gedacht, wie soll ich das toppen.“

Auch mit Hilfe von Sportpsychologin Simone Tscherntschitz vom Olympiazentrum Innsbruck, wo Odor sein Krafttraining absolviert, hat er sich aus diesem Tief wieder gelöst und ist nun bereit für seinen großen Auftritt. „Die Eishalle ist beeindruckend. Die schönste Halle, in der ich bisher war“, sagte er nach seiner Ankunft in Peking. „Mein Ziel ist, ins Finale zu kommen, in die Top 16. Und dann würde ich gerne unter den besten zehn sein.“

12.800 m bis zur Medaille

16 Runden sind in Semifinale und Finale jeweils zu fahren, also 6.400 m. Die taktische Ausrichtung ist beim Massenstart sehr wichtig, sie wird schon im Vorfeld in Grundzügen festgelegt. Im Endeffekt müsse man aber auf den Rennverlauf reagieren, wie Odor betonte. „Es ist immer abhängig vom Rennen, und es hängt immer vom Starterfeld ab. Man muss immer spontan und variabel sein.“ Auch die Einschätzung der Form der Rivalen spiele eine Rolle.

Er habe sich in den vergangenen Trainingstagen im National Speed Skating Oval einer „coolen internationalen Trainingsgruppe“ angeschlossen, so Odor. „Schweizer, Koreaner, Dänen, Neuseeländer – wir schauen, dass wir alle voneinander profitieren und den Speed ins Training bekommen.“ Am Mittwoch habe es seine letzte schnelle Einheit gegeben. „Dann Beine hochlagern und Tage zählen bis zum Rennen“, sagte Odor über die Vorbereitung.

Odor lernt von den Favoriten

Der Südkoreaner in der Gruppe ist Titelverteidiger Lee Seung Hoon. „Der hat nach seinem Sieg 2018 aufgehört, diese Saison war er aber wieder im Weltcup“, so Odor. „Im Massenstart hat er sich bedeckt gehalten, war immer so Fünfter und Sechster. Das hat er 2018 auch so gemacht.“ Für den Asiaten, US-Weltmeister Joey Mantia und Belgier Bart Swings sei der Druck groß. „Sie wissen, alles andere als eine Medaille ist für sie eine Niederlage.“

Odor sieht es als Privileg, sich in dieser Gruppe vorbereiten zu dürfen. „Es ist ein extrem hohes Niveau. Man sieht, wie sie die Kurve fahren. Man fährt mit einem ganz anderen Speed in die Kurve, als wenn man alleine trainiert. Da lernt man sehr viel davon. Und ich finde es beeindruckend, wie respektvoll man behandelt wird. Ich bin super aufgenommen worden. Es besteht keine Hierarchie, und es sind alle gleich. Der olympische Spirit ist am Aufblühen.“