Starthaus in Aare
Privat
Ski-WM

Chaos nimmt in Aare wieder Anlauf

Die alpine Ski-WM 2019 in Aare hat sich bisher ambivalent gegeben. Es geht irgendwie turbulent zu, obwohl alles ausgesprochen ruhig abläuft. Kein Trubel, kaum Zuschauer, dafür wechselnde Witterungsbedingungen, die Athleten und Fans zu schaffen machen. Am Donnerstag kehrte nach Aare für einen Tag der Frühling zurück. Über die beiden Abfahrten am Wochenende herrscht Ungewissheit.

Nach davor Temperaturen im zweistelligen Minusbereich (bis zu minus 29 Grad) zeigten die Thermometer am WM-Schauplatz am Donnerstag sogar leichte Plusgrade. Dafür verantwortlich war die drehende Windströmung, die statt polarer Kälte nun feuchte Luftmassen vom Atlantik in die schwedische Provinz Jämtlands län brachte. Mit der Luftfeuchtigkeit war auch der Nebel in den oberen Bereich der Abfahrt gekommen.

Ab Freitag sinken die Temperaturen wieder, Neuschnee soll sich dazugesellen. Die Weltmeister werden, woran derzeit wenig Zweifel besteht, auf verkürzter Strecke gekürt werden. Die Chance auf die volle Distanz bei gutem Wetter hätten auf dem Papier derzeit nur die Damen, die am Montag zumindest ein Training von ganz oben absolvieren durften – was in den Regularien des Internationalen Skiverbands (FIS) als Voraussetzung für eine Abfahrt vom regulären Start festgeschrieben ist.

Fahnen im Wind
APA/EXPA/Johann Groder
Wind, Nebel oder doch Sonnenschein: Das Wetter in der Provinz Jämtland ist traditionell wankelmütig

Die Chance der Herren dürfte nach dem verkürzten Training am Donnerstag dahin sein. Freitag wäre die letzte Option. Mögliches Szenario: Training nur im oberen Teil, falls möglich. So hätten auch die Herren die Strecke einmal komplett absolviert. Am Samstag hebt das Rennen an. Die Prognosen dafür sind mit Schneefall derzeit eher übel, womit das Chaos einen neuen Anlauf nimmt – für Abfahrer in Aare nichts Neues.

Einmal über die volle Distanz

Erst einmal bei bisher sechs Weltcup-Gastspielen konnte die Abfahrt hier über die volle Distanz durchgeführt werden. Das war bei der Doppelabfahrt 1986. Die Siege holten sich die Schweizer Franz Heinzer und Peter Müller, Armin Assinger als Dritter der zweiten Abfahrt mit 21 Jahren seinen ersten von später insgesamt zehn Podestplätzen, davon vier Siege. Beim Ex-aequo-Sieg von Vincent Kriechmayr und Matthias Mayer im Finale der vergangenen Saison war die Strecke ebenso verkürzt wie bei der WM 2007. Damals gewann der Norweger Aksel Lund Svindal seine erste Goldmedaille. Vier weitere folgten, am Samstag schließt sich der Kreis. Die Abfahrt ist Svindals letztes WM-Rennen.

Für jede und jeden der vier ÖSV-Abfahrerinnen und -Abfahrer geht es am Samstag und Sonntag um den ersten WM-Titel in der Abfahrt. Die Stimmung nach dem Training am Donnerstag war gut, nicht überschwänglich, obwohl sich die Österreicher stark präsentiert hatten. Stephanie Venier fuhr mit Torfehler bei Sonnenschein zur Bestzeit, Ricarda Haaser wurde vor Tamara Tippler Dritte, Nicole Schmidhofer Zehnte. Bei den Herren führte Mathias Mayer die Ergebnisliste vor Hannes Reichelt an. Die Bedingungen im Rennen werden anders sein. Die Sonne weicht Wolken, die Temperaturen sinken wieder unter den Gefrierpunkt.

Für die Herren ist für Freitag ein weiterer Trainingslauf geplant, der gehörig wackelt. Umso notwendiger war es, im vermutlich einzigen Training Vollgas zu geben, die Rennstrecke am Limit kennenzulernen. „Man hat schon im Vorfeld gesagt, dass es mit den Trainings knapp wird und sie auch das Rennen durchboxen wollen“, sagte Mayer. „Daher war es schon sehr wichtig, vor dem Rennen einmal halbwegs gut runterzufahren. Wenn das Rennen überhaupt stattfindet.“ Reichelt: „Es schaut so aus, als ob es nur dieses eine Training gibt, wenn man sich die Wetterprognose anschaut. Das muss dann richtig gut passen.“

Abwarten als Gebot der Stunde

ÖSV-Sportdirektor Hans Pum ließ sich durch den Wetterumschwung nicht aus dem Konzept bringen, er hofft auf einen programmgemäßen Ablauf. Gegenüber ORF.at gab er sich dazu optimistisch. „Vielleicht entwickelt sich das Wetter ja doch anders, als in den vergangenen Tagen für Samstag angesagt wurde. Schon für Dienstag hatte die Prognose nicht gestimmt. Man muss sowieso kurzfristig je nach Witterung entscheiden“, sagte Pum. Abwarten heißt also das Gebot der Stunde. Ein Chaos aufgrund von wetterbdingten Verschiebungen erwartet er nicht. Es gebe für viele Szenarien einen WM-Plan, der nach Möglichkeit einzuhalten sei. „Wenn sich die Situation ändert, muss reagiert werden.“

ÖSV-Sportdirektor Hans Pum
GEPA/Wolfgang Grebien
Nach Nebel in der Früh konnte sich Sportdirektor Pum später doch noch bei Sonnenschein ablichten lassen

„Die Bedingungen müssen für alle Athleten so fair wie möglich sein. Im Vordergrund steht natürlich die Sicherheit“, so Pum, der sich von der Situation beim regulären Start der Abfahrt selbst ein Bild gemacht hatte. Ein Training von oben sei unmöglich gewesen. „Die Fahrer hätten nicht einmal ins Starthaus gefunden und runter erst recht nicht, so dicht war der Nebel.“ Dass er sich später lichtete, die Herren bei späterem Start die gesamte Strecke bei Sonnenschein hätten absolvieren können, war eine andere Sache, die Pum nicht weiter kümmerte. „Irgendwann muss eine Entscheidung getroffen werden.“

Von der Piste an sich gab sich TV-Experte Hans Knauss gegenüber ORF.at vorerst angetan. „Sehr selektiv mit Sprüngen, vielen Wellen, kompakt und richtig lässig zu fahren. So wie man sich das als Abfahrer wünscht“, so Knauss, um zu relativieren: „Wenn, wie angekündigt, Neuschnee und Wind kommen, verliert die Strecke an Attraktivität. Dann ist das Tempo überall draußen." Die gute Nachricht war ORF-Meteorologe Marcus Wadsak vorbehalten, der auf Nachfrage in einer Fernprognose aus Wien meinte: „Ich sehe von hier kein Schlechtwetter für die nächsten Tage. Es wird nur gelegentlich schneien, bei rund null Grad.“ Zum großen Problem auf dem WM-Berg wird der für Samstag prognostizierte Wind von bis zu 70 km/h werden.