Zielraum im Nightrace von Schladming
picturedesk.com/EXPA/JFK
Ski alpin

Das Nightrace als Erfolgsgeschichte

Der Nachtslalom in Schladming findet am Dienstag (17.45 und 20.45 Uhr, live in ORF1) zum 23. Mal statt. Anfangs noch belächelt, hat sich das Nightrace zur ultimativen Erfolgsgeschichte und zur größten Ein-Tages-Veranstaltung im Weltcup entwickelt. Über 40.000 Fans werden wieder an die Planai pilgern, um den Slalom-Assen bei ihrer Arbeit zuzusehen. Die Vorfreude der Athleten ist entsprechend groß.

Nach dem Highlight in Kitzbühel wird die Stimmung noch einmal getoppt. „In Schladming ist es eigentlich der ganze Steilhang, wo dich die Fans runterbegleiten und anfeuern. Das ist von der Stimmung noch einmal eine Stufe cooler“, sagte der Kitzbühel-Zweite Marco Schwarz, der angesichts seiner Formkurven seinen ersten Weltcup-Sieg bei einem Spezialslalom schon beim Flutlichtspektakel für möglich hält.

Nicht nur für die Österreicher ist Schladming etwas ganz Besonderes, sondern auch für die internationale Konkurrenz. Der Franzose Clement Noel, der letztes Jahr als Wengen- und Kitzbühel-Sieger nach sechs Fahrsekunden eingefädelt hatte, freut sich ungemein. „Vielleicht ist Kitzbühel das Wichtigste im Skisport. Aber wenn man in Schladming fährt, realisiert man, dass es etwas wirklich, wirklich Großes ist“, erklärte der 22-Jährige, dass ein Sieg hier zu seinen wichtigsten Zielen gehört. „Die Atmosphäre ist die beste im ganzen Jahr.“

ÖSV-Team fährt in Schladming auf Sieg

Österreichs Slalom-Läufer haben in Kitzbühel Selbstvertrauen getankt. Beim Nightrace in Schladming am Dienstag soll nun der große Coup gelingen.

Vom Wagnis zur Erfolgsgeschichte

Das erste Nightrace ging am 30. Jänner 1997 über die Bühne. „Man hat uns damals gesagt, wir würden alleine im Zielraum stehen“, erinnerte sich OK-Chef Hans Grogl anlässlich des 20-jährigen Jubiläums im Jahr 2017. Doch schon zur Erstausgabe kamen über 25.000 Zuschauer und bestaunten kurz vor der WM in Sestriere den Sieg des italienischen Superstars Alberto Tomba. Schon bei der zweiten Ausgabe kamen 35.000 Fans und erlebten erneut einen Sieg des Italieners mit.

Die Organisatoren hatten auf so eine Entwicklung gehofft, abzusehen war das aber nicht, denn die Anfänge waren durchaus ein Wagnis. Den Anstoß dazu gab Bernhard Knauß, der Mitte der 1990er Jahre die nordamerikanische Profitour dominierte. Dank der Vermittlung des Lokalmatadors übernahm Schladming als erster Ort in Europa Bewerbe der US-Pro-Tour. Am 30. Dezember 1994 gab es das erste Rennen zu später Stunde unter Flutlicht, das weckte die Lust auf mehr.

Archivbild aus dem Jahr 1997: Sieger Alberto Tomba (ITA/Mitte), Zweiter Thomas Stangassinger (AUT links) und Drittplazierter Sebastien Amiez (FRA/rechts)
APA/rubra
Alberto Tomba ließ sich am 30. Jänner 1997 als erster Nightrace-Sieger feiern

Bereits zwölf ÖSV-Siege im Nightrace

Es folgte die Rückkehr in den Weltcup. Danach entwickelte das Nightrace eine Zugkraft, die ihresgleichen sucht. Mit Ausnahme von 2013, als die Weltmeisterschaft in Schladming über die Bühne ging, fand jedes Jahr ein Rennen statt. Der Slalom wurde zum Volksfest. Und die ÖSV-Herren trugen ihren Teil mit zahlreichen Erfolgen dazu bei. In 22 Rennen wurden gleich zwölf Siege, acht zweite und fünf dritte Plätze eingefahren. Insgesamt gab es nur drei Rennen (2002/Bode Miller, 2011/Jean-Baptiste Grange, 2015/ Alexander Choroschilow), in denen kein Österreicher auf dem Podest stand.

Erfolgreichster Slalom-Läufer auf der Planai ist Benjamin Raich, der gleich viermal (1999, 2001, 2004, 2007) triumphierte. Unvergessen ist dabei der erste seiner insgesamt 36 Weltcup-Erfolge des heute 41-Jährigen. Mit einem Rückstand von 1,29 Sekunden auf den Slowenen Jure Kosir war der Tiroler nach Lauf eins nur auf dem 23. Platz gelegen. Mit einem Traumlauf katapultierte sich Raich, der auch noch zwei zweite Plätze und einen dritten Rang in Schladming holte, zum Sieg vor dem Franzosen Pierrick Bourgeat und dem Norweger Kjetil Andre Aamodt.

Archivbild aus dem Jahr 1999: ÖSV-Team jubelt mit Nightrace-Sieger Benjamin Raich (AUT)
GEPA/Franz Pammer
Benjamin Raich feierte am 7. Jänner 1999 in Schladming seinen ersten Weltcup-Sieg

Nur sechs Läufer mit Kitzbühel-Nightrace-Double

Raich (2001) ist auch neben Mario Matt (2000), dem Finnen Kalle Palander (2003), Manfred Pranger (2005), dem Franzosen Jean-Baptiste Grange (2011) und dem Norweger Henrik Kristoffersen (2016) einer von sechs Läufern, die im selben Jahr Kitzbühel und Schladming gewinnen konnten. Selbst dem großen Marcel Hirscher gelang dieses Kunststück in seiner unvergleichlichen Karriere, trotz zwei Siegen in Kitzbühel (2013, 2017) und drei in Schladming (2012, 2018, 2019), nicht.

In diesem Jahr bietet sich Daniel Yule die Chance, das Double aus Ganslernhang und Planai zu holen. Der Schweizer war 2018 und 2019 bereits zweimal Dritter. Einen Sieg durften die Eidgenossen, deren bestes Ergebnis Platz zwei durch Silvan Zurbriggen im Jahr 2010 ist, aber noch nie bejubeln. „Schladming ist auch noch eine Trophäe, die man zu Hause haben muss“, sagte Yule, dem die Klassiker besonders liegen. „Wenn es um etwas geht, kann ich den Knopf noch einmal aufdrehen. Deshalb liebe ich diese Atmosphäre und diesen Druck.“

„Einfädler“-Affäre und Schneebälle

Ständigem Druck war auch Hirscher in Schladming ausgesetzt. Besonders groß war dieser im Jahr 2012. In den Wochen davor war der Salzburger mit der „Einfädler“-Affäre konfrontiert. Beim Slalom in Zagreb hatten die Kroaten um Ivica Kostelic Protest gegen Hirschers Sieg eingelegt, in Kitzbühel fädelte Hirscher dann tatsächlich ein. Das Nightrace gewann Hirscher dann vor dem Italiener Stefano Gross und Mario Matt. „Mo­men­tan ist es sicher der emo­tio­nal­ste Welt­cup­-Sieg, den ich je feiern durfte“, erklärte Hirscher nach dem Rennen.

Für die Konkurrenz aus dem Ausland kann die Stimmung aber mitunter entgleisen. „Schladming hat die Atmosphäre eines Fußballstadions, es ist aggressiver“, sagte der Franzose Viktor Muffat-Jeandet. So wurde etwa Kristoffersen, der sich 2014 mit 19 Jahren zum jüngsten Nightrace-Sieger gekrönt hatte und heuer an Siegen mit Raich gleichziehen könnte, 2018 während seiner Fahrt im zweiten Lauf mit Schneebällen beworfen. „Das ist sehr unlustig, sehr uncool und sehr unfair“, erklärte Hirscher damals zu dem Skandal.

Archivbild aus dem Jahr 2018: Henrik Kristoffersen (NOR) reagiert verärgert nachdem ihn Fans mit Schneebällen beworfen hatten
GEPA/Mario Buehner
Henrik Kristoffersen wurde 2018 während der Fahrt Zielscheibe von Schneebällen und war im Ziel verärgert

Abgesehen davon ist Schladming für die Läufer aber der krönende Abschluss ihres intensiven Jänners mit den Rennen in Zagreb, Madonna di Campiglio, Adelboden, Wengen und Kitzbühel. Und auch im Jahr eins nach Marcel Hirscher wird die Stimmung an der Planai wieder hervorragend sein. Die Veranstalter haben das ihre dazubeigetragen. „Die Piste ist in einem Topzustand. Die Herren von der FIS sind ganz begeistert. Einem Spektakel steht nichts im Weg“, so Gogl.