Aleksandar Dragovic (Leverkusen)
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Fußball

Dragovic schon voll unter Dampf

Geht es nach Aleksandar Dragovic, könnte es sofort losgehen. Tatsächlich startet die deutsche Bundesliga aber nun am 16. Mai neu durch. Nach harten Wochen des Wartens mit Heim- und Kleingruppentraining brennt Dragovic „fitter denn je“ auf den Wettkampf, seien es auch „Geisterspiele“. Dass er trotz Zwangspause voll unter Dampf steht, verdankt der Leverkusen-Legionär auch dem Ärger über einen missinterpretierten Podcast, wie der 29-jährige Nationalspieler im Gespräch mit ORF.at erklärte.

Die Entscheidung der deutschen Regierung, der Fortsetzung der Bundesliga grünes Licht zu geben, versüßte auch seinen Mittwoch. Dennoch war Dragovic noch verstimmt, nachdem österreichische und Schweizer Zeitungen Anfang der Woche von einer „Abrechnung“ mit Ex-Teamchef Marcel Koller berichtet hatten. In einem von Leverkusen veröffentlichten Podcast sprach Dragovic über den missglückten Auftritt der Österreicher bei der EM 2016 in Frankreich und bezog sich dabei unter anderem auf taktische Fehler beim 0:2 gegen Ungarn.

„Niemals würde ich einen Trainer oder andere Spieler in der Öffentlichkeit kritisieren“, so Dragovic. Er habe sich selbst und die gesamte Mannschaft kritisch beurteilt und das auch Koller in einem Telefonat so mitgeteilt. Mit dem Schweizer Ex-ÖFB-Coach sei damit alles besprochen, versicherte der 80-fache A-Team-Spieler. Nun will Dragovic mit seinen Kollegen das Beste aus der coronavirusbedingten Situation machen und von Platz fünf aus in der restlichen Saison noch den Sprung in die Champions-League-Ränge schaffen.

„Leiden für Erfolg“

„Kein Fußballer spielt gerne ohne Zuschauer, aber in dieser speziellen Situation gibt es dazu jetzt keine Alternativen“, sagte der 1,86 Meter große Defensivmann zur Aussicht auf krachende Zweikämpfe vor leeren Rängen. „Alles, was wir sonst machen können, ist, auf einen Impfstoff und eine Verbesserung der Situation zu hoffen.“ Die fast zwei Monate seit dem letzten Pflichtspiel nutzte Dragovic dazu, „fitter als jemals zuvor“ zu werden. Auf dem Laufband und mit Kraftgeräten brachte er sich zu Hause in Topform, dazu trainierte er im April in Kleingruppen.

„Für Erfolg muss man leiden, das habe ich gemacht. Nachdenken, warum die Situation so ist, nutzt nichts. Ich habe einfach noch härter gearbeitet“, berichtete Dragovic, der auch Lebensgefährtin Marina Djordjevic dankte: „Mit mir 24 Stunden jeden Tag in einer Wohnung zu verbringen ist nicht leicht.“ Auch die Entscheidung des Europäischen Fußballverbands (UEFA), die EM um ein Jahr zu verschieben, nahm er gefasst auf: „Das war absehbar, die richtige Entscheidung. Gesundheit geht vor. In einem Jahr sind wir als Nationalmannschaft noch mehr gereift und hoffentlich noch besser.“

Mehr Einsätze statt nur Lob und Frust

Dragovic kämpft aber vorerst um einen Stammplatz in der Bayer-Elf von Trainer Peter Bosz. Der Niederländer hatte dem ÖFB-Verteidiger vor der Zwangspause zwar noch zu 90 Europa-League-Minuten bei den Glasgow Rangers und der laut Dragovic „überragenden Stimmung im Stadion“ verholfen. Doch in den Monaten davor war „Drago“ nur zweite Wahl – und das wurmte ihn gewaltig.

Peter BOSZ (LEV) und Aleksandar Dragovic
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Aleksandar Dragovic will im Ligafinish seltener eingewechselt werden, dafür öfter von Beginn an für Leverkusen spielen

„Wenn man nach jedem Einsatz gutes Feedback bekommt und dann doch wieder nicht spielt, ist man frustriert. Niemand sitzt gerne auf der Bank“, sagte der Ex-Austrianer, den seine bereits zehnjährige Auslandskarriere nach Basel, Kiew, Leverkusen und Leicester im Sommer 2018 zurück zu Bayer brachte. „Ich hätte im Winter auch gute Angebote gehabt“, so Dragovic. Kolportiert wurden vor einigen Monaten etwa der FC Bologna, Krasnodar und Galatasaray. Doch Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler ließ ihn nicht ziehen.

„Ich will und werde nicht jammern. Ich habe hier bis 2021 Vertrag und werde weiter hart trainieren“, stellte der Abwehrroutinier klar. „Mein Fokus liegt auf dem Jetzt. Gerade in Zeiten wie diesen kann man unmöglich sagen, was im Sommer passiert oder ein paar monate später.“ Überhaupt nutzte auch Dragovic wie viele Menschen in dieser Krise die Zeit, über die wichtigen Dinge im Leben nachzudenken. „Man bekommt vor Augen geführt, wie wichtig Gesundheit ist. Ich glaube, jeder von uns ist ein wenig auf den Boden zurückgeholt worden.“