Die Olympiasiegerin von 2014, dreifache Weltmeisterin und zweifache Gesamtweltcup-Siegerin hat im Skisport nahezu alles gewonnen. Die Verletzungen der vergangenen Jahre hatten sich zuletzt aber mental bemerkbar gemacht. „Im letzten Winter habe ich alles darangesetzt, wieder zurückzukommen und Vertrauen zu finden, aber es ist mir einfach nicht mehr gelungen, dahin zu kommen, wo ich hinwollte“, sagte Veith. Darum habe sie letztlich die Bereitschaft gefunden, den Schlussstrich zu ziehen, obwohl der Sport ihr bisheriges Leben geprägt habe.
Am wenigsten vermissen werde sie das Reisen, das Wegfahren-Müssen. Anders gemacht hätte sie nichts, denn aus jedem Fehler lerne man, dass man diesen nicht mehr mache. Als Wertvollstes mit nimmt sie die Erfahrung. „Du stehst alleine am Start, musst deine Leistung in dem Moment anrufen, das ist beinhart. Deine Zeit zählt, da gibt es keine Ausreden. Die Erfahrung, das fürs Leben zu lernen, finde ich extrem wichtig.“ Ein Team zu formen und gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten habe sie sehr geprägt. „Das ist superschön für mein zukünftiges Leben. Dafür bin ich dankbar.“
Best of Anna Veith
Anna Veith hat am Samstag ihren Rücktritt bekanntgegeben. „Sport 20“ macht einen Rückblick auf die bewegendsten Momente ihrer Karriere.
Anerkennende Worte und Lob gab es vom achtfachen Gesamtweltcup-Rekordsieger Hirscher, der mit Veith die Schulbank gedrückt hatte und bei seinem Rücktritt nicht minder souverän aufgetreten war. „Ich möchte dir alles Gute für deine Zukunft wünschen und dir von Herzen gratulieren zu dieser Entscheidung. Ich bin mir sicher, es war auch für dich keine leichte Entscheidung, aber du wirst es sehr genießen in Zukunft, auch wenn der Anfang wahrscheinlich auch nicht so einfach ist. Es ist dann doch eine große Umstellung.“
Gratulation von Hirscher
„Von meiner Seite die allergrößte Wertschätzung und Hochachtung vor deiner Leistung“, so Hirscher weiter. „Ich glaube, ich bin einer der wenigen Österreicher, die wirklich von den ersten Tagen an deine Karriere mitverfolgt haben. Wir sind mehr oder weniger den gleichen steinigen Weg gegangen. Ich habe viel weniger Verletzungen gehabt als du, das war mein großes Glück, aber du warst uns allen ein Vorbild, und an dem dürfen wir uns alle orientieren. Alles Gute, und ich wünsche dir das Allerbeste für die Zukunft.“
Die angesprochenen Verletzungen griff auch Veith am Samstag auf. „Nach meinen Verletzungen war ich körperlich nie mehr auf dem Level, auf dem ich vorher war. Es waren so schwerwiegende Verletzungen in kurzen Zeitabständen.“ Denn das Skifahren sei ausschlaggebend dafür, wie schnell der Schwung sein könne. „Die mentale Stärke verliert man nicht. Auch nicht das Wissen, wie es geht, die Taktik, die Herangehensweise, wie man schnell fahren kann. Wenn man die Erfahrung mal gemacht hat, dann weiß man schon, wie das geht.“ Aber den Körper konnte letztlich auch Veith nicht überlisten.
Was Veith in Zukunft konkret machen werde, konnte sie selbst noch nicht beantworten. „Ich stelle mir jeden Tag die Frage, es gibt noch nichts Konkretes.“ Sie möchte ihre Werte weiterverfolgen, die Jugend unterstützen und „meine Erfahrungen weitergeben“. Einen Trainerjob im klassischen Sinn könne sie sich aber nicht vorstellen. Sie möchte die Zeit auch nutzen, daheim Wurzeln zu schlagen, aber gerne in Zukunft „mit einzelnen Athleten über aktuelle Geschehnisse sprechen“.
Noch keine Zukunftspläne
Der Leistungssport und das Skifahren sei eine „super Lebensschule“ gewesen. „Ich würde das jedem Jugendlichen einfach nur wärmstens ans Herz legen, solche Erfahrungen zu machen und zu sammeln.“ Sie sei extrem dankbar für die ganzen Lektionen, die sie bekommen habe. „Und für die Zeit, die ich im Endeffekt ja in mich persönlich investiert habe. So eine Karriere ist immer was sehr Persönliches, und man kann sich in vielen Facetten weiterentwickeln. Nicht nur im Sport, sondern auch in der Persönlichkeit.“
ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel, mit dem Veith im Verlauf ihrer Karriere auch einige Streitgespräche geführt hatte, wünschte der Salzburgerin nur Gutes. „Es beginnt ein neuer Abschnitt, der sicher herausfordernd sein wird, für den wünsche ich dir alles Gute“, so Schröcksnadel. „Ihr Rücktritt ist schade, aber wenn der Körper nicht mehr mitspielt, macht es keinen Sinn“, sagte er mit Verweis auf ihre Knieprobleme der vergangenen Jahre. „Anna war, auch was ihre starke Persönlichkeit betrifft, eine Ausnahmeathletin, an die man sich lange erinnern wird.“
Angesprochen auf ihren Charakter, meinte Veith, dass man sie von außen vielleicht als starke Frau sehe, aber so würde sie selbst sich nicht beschreiben. „Schüchtern und zurückhaltend. Das ist in meinem Charakter so verankert, dass ich gerne beobachte, über die Zeit gewisses Vertrauen aufbaue. Ich bin keine, die rausgeht und einfach macht. Ich habe im Sport immer versucht, von anderen zu lernen, abzuschauen, mir Gedanken zu machen, wie kann ich das besser machen, ohne dass ich ständig gegen die Wand gelaufen bin. Aber natürlich passiert das auch, weil alles kann man vorher nicht lösen.“
„Der emotionalste Moment“
Der größte Erfolg neben Olympiagold in Sotschi (Super-G) und zwei großen Kristallkugeln war aus Sicht der 30-Jährigen jener, der sie auch am meisten bewegt hat: „Der emotionalste Moment war zweifelsohne die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang. Nach meiner ersten schweren Verletzung im Jahr 2015 wusste niemand, ob es wieder möglich sein wird, so Ski zu fahren, wie ich es davor gemacht habe. Diese Medaille war der Beweis dafür und der Lohn für die harte Arbeit“, erinnert sich die dreifache österreichische Sportlerin des Jahres.
Gegnerinnen verneigen sich
Das Ende von Anna Veiths Skikarriere ist für viele wenig überraschend. Ihre Entscheidung ist für Kollegen und Vorgesetzte nachvollziehbar, und ihr wird großer Respekt gezollt.
„Ein weiterer Wahnsinnsmoment, an den ich mich mein Leben lang erinnern werde, war das Weltcup-Finale in Meribel, wo ich mich in letzter Sekunde im Gesamtweltcup gegen Tina Maze durchsetzen konnte. Nach wochenlangem Zweikampf auf höchstem Level ein sehr spezieller Sieg für mich. Ein Sieg im Gesamtweltcup ist etwas, wovon jeder Skifahrer seit seiner Jugend träumt. Es heißt, du bist die Beste. Es gibt niemanden in diesem Sport, der in dieser Saison besser war als du. Das ist ein besonderes Gefühl.“
ÖSV-Sportdirektor Toni Giger nannte Veith eine der ganz Großen in der Geschichte des alpinen Skisports. „Für mich persönlich war es beeindruckend, wie sie mit ihrem eleganten Fahrstil, gepaart mit ihrer Entschlossenheit so viele große Erfolge gefeiert hat“, so Giger. „Auch dafür, dass sie nach ihren schweren Verletzungen immer wieder den Anschluss an die Weltspitze geschafft hat, gebührt ihr größter Respekt. Wir sagen Danke für viele herausragende Momente und wünschen Anna viel Gesundheit und Erfolg für die Zukunft.“
Nun können andere strahlen
Sorgen, dass dem Skisport – nach den vielen prominenten Rücktritten in den vergangenen paar Jahren – die Stars ausgehen, hat Veith nicht, zählte beispielsweise Gesamtweltcup-Siegerin Federica Brignone, die sich extrem gut entwickelt habe, und Mikaela Shiffrin auf. „Es gibt sehr viele interessante Charaktere, an der Spitze sind sehr interessante Persönlichkeiten da. Klar tut es im ersten Moment weh, wenn man solche Namen zurücktreten hört, aber ich finde, dass es für andere die Chance bringt, zu strahlen. Dass für sie die Bühne dann da ist, dass sie das zeigen können. Ich würde mir wünschen, dass es passiert.“