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Reuters/Phil Noble
Fußball

Financial Fair Play verkommt zur Farce

Der Internationale Sportgerichtshof (CAS) hat am Montag den Europacup-Ausschluss von Manchester City gekippt und dem Club trotz der laut Europäischem Fußballverband (UEFA) „schwerwiegenden Verstöße“ gegen das Financial Fair Play die Starterlaubnis erteilt. Das Urteil könnte wegweisend sein. Die UEFA-Finanzregeln verkommen jedenfalls zur Farce.

„Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass die FFP-Regeln der UEFA das überleben werden. Genau genommen, wird die UEFA die Auswirkungen überstehen?“, fragte Englands Fußballikone Gary Lineker am Montag auf Twitter stellvertretend wohl für viele Fans. Bestätigt wurde von den CAS-Richtern lediglich eine Geldstrafe, diese wurde aber von 30 auf zehn Millionen Euro reduziert – und sie wurde nicht wegen des Finanzgebarens, sondern wegen der mangelhaften Zusammenarbeit des Clubs mit den UEFA-Ermittlern ausgesprochen.

ManCity hatte alle Vorwürfe stets abgestritten und war gegen die UEFA-Strafe vor den CAS gezogen. Der Sieg vor dem höchsten Sportgericht dürfte für den Premier-League-Zweiten noch höher zu bewerten sein als die vier Meisterschaften, die der Club seit dem Einstieg von Scheich Mansour vor knapp zwölf Jahren geholt hat. City hatte sich am Samstag durch ein 5:0 bei Brighton & Hove Albion auch sportlich die erneute Teilnahme an der Champions League gesichert.

Startrainer debattieren um Financial Fair Play

Am Dienstag ist es zu einer Auseinandersetzung zwischen Jürgen Klopp un Pep Guardiola gekommen. Grund dafür ist die Aufhebung der Europacup-Sperre gegen Manchester City.

ManCitys Geschäftsmodell legitimiert

Das Urteil sorgt nicht nur dafür, dass die teuer zusammengekaufte Mannschaft um Startrainer Josep Guardiola nicht auseinanderfällt. Es legitimiert auch das Geschäftsmodell des Vereins und damit just jenes Verhalten, dem das bereits 2009 beschlossene Financial Fair Play entgegenwirken sollte. Der Club teilte am Montag in wenigen Zeilen mit, er sehe sich in seiner Beweisführung bestätigt. Ein schnell wieder gelöschtes Foto auf Instagram zeigte einen strahlenden Guardiola.

Durch von „Football Leaks“ veröffentlichte Dokumente war herausgekommen, dass City zwischen 2012 und 2016 Sponsoreneinkünfte weit über Gebühr bewertet haben soll. Als Sponsoreneinnahmen aus Abu Dhabi deklarierte Gelder sollen in Wirklichkeit vom Clubbesitzer gezahlt worden sein. Dagegen ging die UEFA vor. Das CAS stellte fest, dass die Beweise unzureichend oder die Taten verjährt seien. Nur die Verweigerungshaltung des sechsmaligen englischen Meisters während der Untersuchung wurde bemängelt.

UEFA versucht zu beschwichtigen

Das Urteil von Lausanne dürfte 40 Kilometer weiter westlich am Ufer des Genfer Sees für Entsetzen gesorgt haben. Öffentlich versuchten die Verantwortlichen in der UEFA-Zentrale in Nyon zu beschwichtigen. Der Verband betonte, dass die CAS-Richter festgestellt hätten, dass „viele der mutmaßlichen Verstöße wegen der in den UEFA-Regularien vorgesehen Fünfjahresfrist verjährt“ seien.

Trotz der Niederlage vor dem CAS betonte die UEFA erneut, dass die eigenen Finanzregeln in den vergangenen Jahren „eine signifikante Rolle“ gespielt haben, die UEFA und die Clubvereinigung ECA „bleiben ihren Grundsätzen verpflichtet“. Mehr als 40 Vereine wurden bisher wegen Verstößen gegen das FFP bestraft. Doch meistens traf es kleine Clubs aus dem Osten und Südosten des Kontinents. Manchester City wäre der erste richtig große Verein gewesen, dem die Grenzen aufgezeigt worden wären. Nun stehen die Regeln in ihrer jetzigen Form mehr denn je infrage. Und City könnte in etwas mehr als einem Monat erstmals die Champions League gewinnen.

Heftige Kritik von Finanzexperten

Der deutsche Finanzexperte Christian Müller hat unterdessen schockiert und mit heftiger Kritik auf die CAS-Entscheidung reagiert. „Ich bin wirklich fassungslos und total enttäuscht. Es ist eine Katastrophe, das Waterloo für die Sportregelwerke“, sagte der frühere Finanzchef der Deutschen Fußball Liga (DFL) der ARD-Radio-Recherche Sport. „Eine Strafe von zehn Millionen Euro ist einfach eine Lachnummer, das hätte man sich auch sparen können“, betonte Müller, der einst wesentlichen Anteil an der Ausarbeitung der Financial-Fair-Play-Regeln der UEFA hatte.

Er hat nach eigener Aussage „aus dem Hause der UEFA oder des europäischen Fußballs in Nyon“, gehört, dass ein „unglaublich hoher Druck aufgebaut wurde von Manchester City und dass die Anwälte wirklich bis an die Zähne bewaffnet aggressiv aufgetreten sind“. Es hätten „Einschüchterungsversuche“ stattgefunden, sagte der 56-Jährige.

Antoine Duval, Experte für Europäisches und Internationales Sportrecht am ASSER-Institut in Den Haag, sieht das Urteil ebenfalls sehr kritisch. „Als Image bleibt hängen: Große Clubs, die sich teure Anwälte und kreative Wirtschaftsprüfer leisten können, die kommen viel besser mit den Financial-Fair-Play-Regeln zurecht als mittlere und kleinere Clubs, die sich diese Anwälte und Buchhalter nicht leisten können“, so Duval. Das Financial Fair Play scheint seiner Meinung nach „tot oder im Koma zu sein“.

Für Klopp kein guter Tag für Fußball

Auch Liverpools Meistertrainer Jürgen Klopp kritisierte den Freispruch für Ligakonkurrent Manchester City. „Ich wünsche niemandem etwas Schlechtes. Aber ich denke nicht, dass es gestern ein guter Tag für den Fußball war“, sagte der Coach am Dienstag bei einer Pressekonferenz. „Ich denke, dass das Financial Fair Play eine gute Idee ist. Es ist dafür da, die Teams und den Wettbewerb zu schützen“, so der 53-jährige Deutsche.

Klopp sagte, dass er keine Details des CAS-Urteils kenne und es deswegen nicht weiter kommentieren könne. Der Liverpool-Coach betonte, dass sich alle Teams an die UEFA-Finanzregeln zu halten hätten. „Ich hoffe, dass das Financial Fair Play bleibt. Es gibt zumindest Grenzen vor, das ist gut für den Fußball.“ Wenn es keinerlei Regularien mehr gäbe, würde es schwierig. „Das würde automatisch dazu führen, dass es eine weltweite Super League geben würde“, sagte Klopp.