Im Bergzeitfahren hatte er seinem Landsmann Roglic das schon sicher geglaubte Gelbe Trikot noch entrissen. So stand nicht der große Favorit, sondern der junge Mann aus Komenda, der am Montag 22 Jahre alt wurde, vor dem Arc de Triomphe im Rampenlicht.
Paris war fest in slowenischer Hand nach dem historischen Doppelsieg, viele weiß-blau-rote Fahnen waren zu sehen – trotz der Coronavirus-Beschränkungen im Zielbereich. Auch der slowenische Staatspräsident Borut Pahor war extra eingeflogen. Schließlich hatte das kleine Land auf dem Prachtboulevard den wohl größten Erfolg seiner Sportgeschichte zu feiern.
Tour-Entscheidung war nur achtmal knapper
Möglich machte ihn Pogacar, der jüngste Sieger seit Henri Cornet (19) im Jahre 1904. Einen Rückstand von 57 Sekunden hatte Pogacar bei seiner famosen Triumphfahrt im Bergzeitfahren von La Planche des Belles Filles am Samstag aufgeholt, tags darauf fuhr er mit 59 Sekunden Vorsprung nach Paris. Nur achtmal ging es in der 107-jährigen Geschichte des Rennens knapper zu.
Triumphfahrt für Pogacar bei Tour de France
Die letzte Etappe bei der Tour de France wurde zur Triumphfahrt für Tadej Pogacar. Der Slowene hatte sich schon am Samstag den Sieg der Rundfahrt gesichert. Am Sonntag ging es nur noch darum, sicher das Ziel in Paris zu erreichen.
Roglic wird das kaum trösten. „Im Moment kann ich nicht klar denken, ich habe keinen klaren Plan für die Zukunft. Es ist, als wäre mein Kopf leer“, sagte der haushohe Favorit, der mit seinem Team Jumbo-Visma zuvor drei Wochen das Geschehen in demoralisierender Weise bestimmt hatte.
Pogacar als Mann der Rekorde
Der Mann der Rekorde ist Roglics neun Jahre jüngerer Freund Pogacar. Er holte neben dem Gelben auch das Gepunktete und Weiße Trikot des besten Bergfahrers und Nachwuchsprofis. Drei Trikots waren zuletzt Merckx 1969 geglückt. Dazu stellte er drei Bergrekorde auf, unter anderem pulverisierte er am Col de Peyresourde die Bestzeit von Alexander Winokurow.
Großes Lob von Radsportlegenden
Für Pogacar gab es dafür großes Lob von Radsportlegenden. „Ich habe vor dem Fernseher geschrien, so wie ich 1989 auf den Champs Elysses bei meinem Sieg geschrien habe. Das ist die Geburt eines großen, großen Champions“, sagte der US-Amerikaner Greg Lemond dem französischen Tour-Organ „L’Equipe“.
Auch der fünffache Champion Eddy Merckx äußerte sich. „Ich wusste schon nach der Vuelta, dass er ein Großer ist. So eine Nummer macht man nicht, wenn man kein Talent hat“, sagte der Belgier. Lance Armstrong, inzwischen in Radsportkreisen geächtet und wegen seiner Dopingvergangenheit lebenslang gesperrt, sprach von einer „Leistung für die Ewigkeit“. Vielleicht sei es die beste jemals gewesen.
Bennett holt letzte Etappe und Grünes Trikot
Der Sieg in der prestigeträchtigen letzten Etappe ging an Sam Bennett, der bereits das zehnte Teilstück für sich entschieden hatte. Der Ire setzte sich im Massensprint vor dem Weltmeister Mads Pedersen aus Dänemark und dem Slowaken Peter Sagan durch. Der 29-Jährige krönte damit seine starke Tour.
Bereits beim ersten Zwischensprint hatte sich Bennett unterwegs mit einem fünften Rang das Grüne Trikot des punktbesten Fahrers gesichert. Er löste als „Sprintkönig“ Sagan ab, der ihm beim Team Bora-Hansgrohe als Topsprinter jahrelang vor der Sonne gestanden war.
Großschartner Gesamt-63.
Marco Haller erreichte auf der letzten Etappe Platz 22 und wurde Gesamt-143. Sein österreichischer Landsmann Felix Großschartner landete im Schlussabschnitt auf Platz 96 und im Gesamtklassement an der 63. Stelle.
Dass die Tour überhaupt angesichts der rapide steigenden Infektionszahlen – zuletzt waren es mehr als 13.000 pro Tag – die „Rote Zone“ Paris erreichte, war ein riesiger Erfolg. Nicht ein Fahrer wurde in den drei Wochen positiv auf das Coronavirus getestet, das Konzept der Veranstalter ging voll auf. Dass ausgerechnet Tour-Chef Christian Prudhomme zwischenzeitlich nach einer Positivkontrolle nach Hause musste, war fast schon eine merkwürdige Pointe.