Der österreichische Skifahrer Stefan Brennsteiner.
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Ski alpin

Riesentorläufer stellen sich bitterer Realität

Der Auftakt in die neue Weltcup-Saison in Sölden hat Österreichs Skifans eine bittere Realität vor Augen geführt: im Riesentorlauf spielt das speziell zu Marcel Hirschers Zeiten erfolgsverwöhnte rot-weiß-rote Team aktuell nicht einmal mehr eine Nebenrolle. Mit Platz 15 bei den Damen und Rang 17 bei den Herren fuhren die Österreicherinnen und Österreicher ihre bis dato schlechtesten Ergebnisse auf dem Rettenbachferner ein. Das im Training zart gesprossene Pflänzchen Hoffnung wurde speziell bei den Männern am Sonntag brutal zertreten.

Bereits im Vorjahr hatten die österreichischen Riesentorläufer mit einem zwölften Platz von Manuel Feller das historisch schlechteste Ergebnis in Sölden eingefahren. Heuer musste man Stefan Brennsteiner beim Premierensieg des Norwegers Lucas Braathen außerhalb der Top 15 suchen. Mit dem Salzburger sowie den beiden Speed-Spezialisten Vincent Kriechmayr (24.) und Matthias Mayer (25.) schafften es überhaupt nur drei Österreicher in die Entscheidung. Hoffnungsträger Marco Schwarz scheiterte in Abwesenheit des nach Rückenproblemen rekonvaleszenten Feller nach einem schweren Schnitzer an der Qualifikation für den zweiten Lauf.

„Das haben wir sicher nicht erwartet. Aber man muss den Tatsachen ins Auge schauen: Wir sind im Riesen(-torlauf, Anm.) derzeit nicht dabei. Die Konkurrenz ist einfach besser“, sagte auch ein sichtlich ratloser Herren-Cheftrainer Andreas Puelacher im ORF-Interview. Der Tiroler wiederholte auch, was er im Vorjahr – der ersten Saison nach dem Rücktritt von Seriensieger Hirscher – nach teilweise desaströsen RTL-Ergebnissen immer wieder betont hatte: „Wir haben noch viel Arbeit vor uns, damit wir dieses Loch schließen können.“

ÖSV Cheftrainer Andreas Puelacher.
GEPA/Harald Steiner
Herren-Chefcoach Andreas Puelacher war mit dem Auftakt in Sölden alles andere als zufrieden

Die Hoffnung, dass der Input von Michael „Mike“ Pircher, dem jahrelangen persönlichen Coach des achtfachen Gesamtsiegers im Weltcup, und Hirscher-Vater Ferdinand bereits im ersten Rennen Wirkung zeigt, erfüllte sich bei Weitem nicht. „Wunder kann keiner wirken, auch kein Trainer“, so Puelacher. Die Vorstellungen im Training hätten jedenfalls einen höheren Output erwarten lassen, so der Tiroler. „Unsere Hoffnungen waren positiver, weil wir im Training mit einem (Zan, Anm.) Kranjec und den Norwegern gut dabei waren. Die Trainingsleistungen waren auch im Vergleich mit internationalen Athleten o. k.“

Brennsteiner fängt klein an

Puelachers Athleten wollten das Ergebnis ebenfalls nicht schönreden. „Platz 17 als bester Österreicher ist natürlich viel zu wenig“, sagte auch Brennsteiner. Der 29-Jährige betonte ebenfalls, dass noch viel Arbeit auf das Team warte. Allerdings fange die Verbesserung bei jedem Einzelnen an. „Ich muss auf mich selbst schauen. Ich habe mich von dem Thema eh schon genug drausbringen lassen“, meinte der Salzburger schon nach dem ersten Lauf im ORF-Interview, „derzeit muss ich halt kleinere Brötchen backen.“

Schwere Schlappe für ÖSV-Herren in Sölden

Beim Riesentorlauf in Sölden haben die ÖSV-Herren eine schwere Schlappe erlitten. Stefan Brennsteiner belegte als bester Österreicher Platz 17. Der Sieg ging an den Norweger Lucas Braathen.

Der beste Österreicher im Feld zeigte sich daher zumindest mit seinen Fahrten „nicht ganz unzufrieden“. Es läge nur an Kleinigkeiten, so Brennsteiner: „Ich habe zweimal die Ausfahrt ins Flache nicht ganz getroffen, im zweiten Durchgang habe ich oben nicht ganz den Rhythmus gefunden. Es sind ein paar so Kleinigkeiten, aber ich glaube, es sind auch viele positive Sachen dabei.“ Ihm seien zwei einigermaßen gute Läufe gelungen, meinte der Salzburger. „Nichtsdestotrotz wird über die Saison der Anspruch höher sein.“

Hoffnungsträger lassen aus

Gar nicht in Schwung kam im ersten Durchgang Schwarz. Mit 2,79 Sekunden Rückstand nach einem schweren Fehler verpasste der Kärntner als 39. den zweiten Lauf. „Für mich ist es eine Katastrophe“, sagte der 25-Jährige, der mit hohen Erwartungen gestartet war. „Es war von oben weg nicht optimal. Ich bin nicht so richtig ins Ziehen gekommen, habe nicht so das Gefühl aufgebaut. In den Steilhang hinein habe ich ein bissl die Schläge aufgenommen, nachher habe ich vielleicht die Spannung nicht ganz halten können.“ Gerade im ersten Bewerb der Saison sei das ein herber Dämpfer. „Man will natürlich Gas geben und anschreiben. Das ist mir nicht geglückt.“

Roland Leitinger war nach seinem Ausfall im ersten Durchgang mehr als verärgert, was er für die TV-Mikrofone gut hörbar in den Ötztaler Himmel brüllte. „Wenn man normal um das Tor fährt, hängt man sich nicht ein. Ich habe schon gesehen, dass ich ein bisschen zu eng dran war. Dann beißt das Material auch, dann war ich zu eng und habe leider mit der Hand eingehakerlt“, schilderte der Vizeweltmeister 2017, der laut Puelacher auf Kurs Top-Ten-Platz gelegen war, den Hergang. Davor habe er ein gutes Gefühl gehabt, „weil ich frech geblieben bin, auch wenn ich Schwünge nicht ganz so erwischt habe, wie ich es wollen hätte“.

Schröcksnadel bleibt ruhig

Immerhin: Von ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel gab es für die Riesentorläufer keine mediale Kopfwäsche, auch wenn der 79-Jährige mit dem Resultat „nicht zufrieden“ war. „Ich glaube, dass sie heute bei den Herren schon unter dem Wert geschlagen worden sind“, erklärte Schröcksnadel, dass er Vertrauen in Läufer wie Brennsteiner und Leitinger habe. Man dürfe nicht vergessen, dass der Riesentorlauf „immer unsere schlechteste Disziplin die letzten Jahre“ war. Auch handle es sich um einen Hang, „wo wir seit Jahren schlecht fahren“. Ausnahme Hirscher, der in Sölden viermal auf dem Podest stand – einmal davon sogar als Sieger (2014).

Schröcksnadel freute sich mehr über den reibunglosen Ablauf der Rennen, die aufgrund der Coronavirus-Maßnahmen ohne Zuschauer über die Bühne gingen. „Die Veranstaltung war wirklich super. Das ist für den Sport gut und für die nachfolgenden Rennen“, sagte Österreichs oberster Wintesportler. Das große Ganze sei an diesem Wochenende wichtiger gewesen als die sportlichen Ergebnisse. „Auch wenn ich tauschen könnte, würde ich die gute Organisation dem Sieg vorziehen“, so Schröcksnadel. Und was die Organisation betrifft, sei alles aufgegangen, was sich der ÖSV als Veranstalter vorgenommen habe.