Fußballspieler David Alaba
GEPA/Mario Kneisl
ÖFB

Viel zu überdenken auf dem Weg zur EM

Alles wie immer. Das österreichische Fußballnationalteam hat den ersten Lehrgang 2021 so beendet wie den letzten im Jahr zuvor: ernüchternd. Nach dem 0:4-Heimdebakel gegen Dänemark zum Abschluss der ersten Tranche in der WM-Qualifikation wurde der EM-Countdown im Stimmungstief eingeläutet. Teamchef Franco Foda, der innerhalb des ÖFB nicht zur Diskussion steht, kündigte an, bis zum Vorbereitungscamp in Bad Tatzmannsdorf Ende Mai „einige Dinge zu überdenken und das eine oder andere zu korrigieren“.

An Themen zum Nachdenken mangelt es nach dem Lehrgang im März keineswegs. Österreich startete mit jeweils einem Sieg, einem Remis und jener historischen Heimpleite in die Qualifikation für die WM-Endrunde 2022 in Katar. Der Kampf um Platz eins ist bereits abgehakt, in den restlichen sieben Spielen im Herbst geht es darum, Schottland und Israel zu überholen und den zweiten Platz für das Play-off zu sichern. Sollte das nicht gelingen, könnte man hier auch dank des Nations-League-Gruppensiegs noch durch ein Hintertürchen rein.

Gegenüber 2020, als man gegen Nordirland und eine norwegische Notelf alles andere als einen Schönheitspreis gewann, hat sich wenig verändert. Foda stellen sich grundsätzliche Fragen, auch was das Personal angeht, um in zwei Monaten nicht das nächste Debakel zu erleiden. ÖFB-Präsident Leo Windtner stärkte ihm unterdessen demonstrativ den Rücken: „Der Teamchef hat die Qualifikation für die Euro geschafft, daher werden wir auch mit ihm in die EM gehen.“

ÖFB-Team muss Niederlage verarbeiten

In der WM-Qualifikation ist Österreich gegen Dänemark mit 0:4 unter die Räder gekommen. Es herrscht Handlungsbedarf. Teamchef Franco Foda verspricht eine Trendwende bei der Europameisterschaft im Juni.

„Wir werden Dinge überdenken“

Foda selbst ist naturgemäß motiviert, das Ruder herumzureißen. „Nach so einer Niederlage muss man immer wieder Dinge überdenken, und das werden wir in Ruhe tun. Bei der Europameisterschaft werden wir ein anderes Bild abgeben, davon bin ich überzeugt“, erklärte Foda kurz vor Mitternacht im leeren Wiener Ernst-Happel-Stadion. Er wirkte dabei gefasst und analysierte die herbe Niederlage in aller Ruhe.

Der 54-jährige Deutsche konnte dabei einiges, aber nicht alles auf die Qualität des Gegners abwälzen. Nur zwei Teams stehen nach drei Spielen jeweils ohne Punkteverlust und Gegentor an der Spitze ihrer WM-Quali-Gruppe, das sind neben Italien die Dänen. Ihre Form und Stärke stellten sie in der zweiten Hälfte in Wien eindrucksvoll unter Beweis, was natürlich auch unter kräftiger Mithilfe des ÖFB-Teams gelang.

Die tagesaktuellen defensiven Unzulänglichkeiten sind das eine, die unzureichende Qualität in Spielen gegen solche Teams das andere. „Wir haben schon das eine oder andere Problem“, merkte Foda an und sprach dabei von Persönlichkeiten, die gefehlt hätten, und Spielern, die bei ihren Clubs nicht regelmäßig zum Einsatz kämen. „Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie die personelle Besetzung Richtung EM ausschauen wird. Wir kennen die Themen, die haben wir intern besprochen und werden das auch weiterhin tun.“

Gleiches Spiel wie immer

Gegenüber dem Herbst hat sich von der Spielanlage nichts geändert. Zwar fehlten tatsächlich klingende Namen wie Marko Arnautovic, Julian Baumgartlinger, Martin Hinteregger und Konrad Laimer, nichtsdestoweniger sind Experten der Meinung, dass die Qualität und Quantität an Spielern mehr hergibt als etwa das zaudernde Spiel in Schottland zum Auftakt, wo man nach einer wie so oft abwartenden ersten Hälfte nach der Pause eine zweimalige Führung verspielte.

ÖFB-Trainer Franco Foda
APA/Georg Hochmuth
ÖFB-Teamchef Franco Foda hat nun Zeit, die richtigen Lehren aus dem März-Lehrgang zu ziehen

Gegen die Färöer wurde der Pflichtsieg erst nach einem Rückstand eingefahren, gegen Dänemark waren es die Gäste, die nach einer noch ausgeglichenen ersten Spielhälfte zulegten. Teamchef Kasper Hjulmand tauschte zwischen den drei Spielen komplett durch, Foda nicht. Der frühere Meistercoach von Sturm Graz kündigte Konsequenzen an. „Da waren Dinge dabei, dir mir nicht gut gefallen haben, dementsprechend müssen wir etwas korrigieren im Hinblick auf die EM.“

Offene Personalfragen

Mit öffentlicher Kritik an Spielern hielt sich Foda zurück, doch zwischen den Zeilen war sie schon hörbar. „Wir müssen die richtigen Schlüsse ziehen, das richtige Personal für die Europameisterschaft auszuwählen, weil man hat auch gesehen, dass Tempo, Dynamik, Athletik eine große Rolle spielen auf dem höchsten Level. Da war uns in der zweiten Hälfte das dänische Team überlegen“, so Foda, der keine Namen nannte.

Andreas Ulmer, Alexander Schlager, Marcel Sabitzer, Stefan Ilsanker, Gernot Trauner und Sasa Kalajdzic
GEPA/Walter Luger
Am 1. Juni muss der 23-Mann-Kader für die EM genannt werden, nicht jeder hat sich im März empfohlen

Der Verdacht liegt aber nahe, dass hier vor allem von den heimischen Bundesliga-Kickern wie Gernot Trauner oder Andreas Ulmer die Rede ist. Ersterer spielt beim LASK wiederum eine andere Position, Zweiterer in Salzburg wiederum ein anderes System. Im Team wurde Ulmer vom Teamchef dabei hörbar gebremst, als er gegen die Färöer sein gewohntes Offensivpressing betrieb. Viele Spieler haben das im Blut, werden aber von Foda in ein anderes taktisches Korsett gezwängt.

LASK-Goalie Alexander Schlager betrieb in den drei Spielen ebenfalls keine Eigenwerbung, um letztlich bei der Endrunde im Tor zu stehen. Doch auch die hoch gelobten Legionäre konnten mit Ausnahme von Shootingstar Sasa Kalajdzic nur phasenweise überzeugen, andere wie Bremen-Stammspieler Marco Friedl konnten sich nicht zeigen. Die Frage „Warum?“ dürfte sich wohl auch Foda stellen.

Mählich versteht Alaba-Position nicht

Denn mit David Alaba, Stefan Lainer, Xaver Schlager, Marcel Sabitzer, Christoph Baumgartner und eben Kalajdzic gibt es genügend, die bei ihren Clubs eine sehr wesentliche Rolle spielen. Im Team agieren sie aber auf fallweise komplett anderen Positionen. Berühmtestes Beispiel ist nach wie vor Alaba. „David ist ein überragender Spieler, aber nicht auf der Position, wo er im Team zum Einsatz kommt“, sagte ORF-Experte Roman Mählich nach dem Spiel gegen die Dänen.

„Mir kommt vor, dass man zwanghaft eine Position für ihn sucht. Er ist ein Weltklasseverteidiger und hat im vergangenen Jahr mit den Bayern als Innenverteidiger alles gewonnen. Wenn er dann dreimal hintereinander auf ungewohnten Rollen spielt, kann das der beste Spieler nicht verkraften. Bei den Bayern spielt er als Verteidiger überragend, und hier soll er nun plötzlich das Spiel ankurbeln“, so Mählich, der ein plakatives Beispiel brachte. „Das wäre, wie wenn Herbert Prohaska zu seiner Zeit Innenverteidiger hätte spielen müssen.“

Kein Spiel mehr vor EM-Nominierung

Das teaminterne Schaulaufen für die EM ist bereits beendet, denn noch vor dem ersten Testspiel für die EM in England muss am 1. Juni der 23-Mann-Kader für die Endrunde genannt werden. Das ÖFB-Team trifft sich Ende Mai im Teamcamp in Bad Tatzmannsdorf. „Der Plan ist schon, dass wir dafür zwei, drei Mann mehr nominieren, da ja in der Vorbereitung immer etwas passieren kann. Man muss auch abwarten, wie sich die Covid-19-Pandemie entwickelt. Fakt ist, dass wir vor dem Spiel in England nominieren müssen, das werden wir tun“, sagte Foda.

Von der Mannschaft verabschiedete er sich noch in den Katakomben des Ernst-Happel-Stadions. Die Aufarbeitung hat bereits begonnen, die Analyse erfolgt ohne Assistenztrainer Imre Szabics, der sein letztes Spiel absolvierte und seit Donnerstag Trainer von MOL Fehervar in seiner Heimat Ungarn ist, Nachfolge gibt es noch keine.

Umgekehrte Vorzeichen als 2016

Was die Stimmung im Fußballland betrifft, sieht sich Foda („Ich bin nach Siegen nicht so euphorisch, nach Niederlagen nicht so pessimistisch“) gewappnet. „Hier bei uns gibt es oft Schwarz oder Weiß. Jetzt ist die Stimmung am Boden“, urteilte der Coach. Die Fans sehen die ÖFB-Spielweise in der Foda-Ära aber nicht erst seit Mittwoch kritisch und zudem die deutlich mutigeren Zugänge von ÖFB-Trainern wie Adi Hütter und Oliver Glasner in der deutschen Bundesliga.

Dass der Deutsche seinen Zugang nach 20 Jahren im Trainergeschäft ändert, darf bezweifelt werden. Zumal er auf seine Erfolge (EM-Qualifikation, Nations-League-Gruppensieg, Anm.) verweist. Fodas Ergebnisfußball sorgte für 21 Siege in 33 Partien, und er hofft, dass am Ende die Vorzeichen sich umkehren. „Ich kann mich erinnern, vor der EM 2016 war die Euphorie riesengroß, und man hat gesehen, dass man in der Vorrunde ausgeschieden ist. Ich hoffe, dass wir bei der EM besser performen können. Das ist unser Ziel, davon bin ich überzeugt.“