Michael Raffl
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NHL

Aussicht auf Cup gibt Raffl „frische Energie“

Am vergangenen Montag haben eine SMS und ein Anruf Michael Raffls sportliche Welt auf den Kopf gestellt. Nach acht Jahren bei den Philadelphia Flyers in der National Hockey League (NHL) wurde der Kärntner am letzten Tag der Transferzeit über seinen Wechsel zu den Washington Capitals informiert. Obwohl der 32-Jährige die Entscheidung erst nach einiger Zeit verdaut hatte, freut er sich nun auf die realistische Chance, um den Stanley Cup mitzuspielen: „Das bringt frische Energie.“

Der Wechsel von den Flyers zu den Capitals kam für Raffl überraschend. Denn im Vorfeld des Tauschgeschäftes – für den Kärntner gab Washington seinen Pick in der fünften Runde des diesjährigen NHL-Drafts an Philadelphia ab – gab es keine Anzeichen dafür. „Es war keine einfache Situation. Nicht einmal mein Agent wusste davon. Ich war nie emotional, aber nach diesem Telefonat habe ich eine Stunde gebraucht, um mich zu fangen. Aber jetzt freue ich mich auf etwas Neues“, so Raffl.

Der Kärntner Stürmer erfuhr im Haus seines Teamkollegen Scott Laughton von seinem Abschied aus der „Stadt der brüderlichen Liebe“ und dem Aufbruch in die US-Hauptstadt. Denn kurioserweise war der Villacher bei seinem Freund und Teamkollegen, um sich zu verabschieden. Raffl war so wie einige Experten von einem Transfer von Laughton ausgegangen. Aber es kam anders. „So spielt sich das hinter den Kulissen ab. Laughton bekam am Ende eine Vertragsverlängerung, aber ich war weg“, sagte der Nationalteamspieler.

Saison unter Schmerzen

Jetzt erfolgt ein letztlich willkommener Neustart. Denn Raffl hat bisher eine schwierige Saison in Philadelphia hinter sich. Die Flyers konnten einmal mehr die hohen Erwartungen nicht erfüllen und sind praktisch aus dem Play-off-Rennen. Raffl selbst hatte mit einigen Verletzungen zu kämpfen. Zwei Tage vor dem Transfer verletzte er sich am Oberkörper neuerlich und muss daher auf das Debüt für sein neues Team noch warten. Die Capitals wollen Geduld haben, versicherten sie dem Neuzugang, der vor allem für das Play-off geholt wurde.

Vorerst heißt es für Raffl wieder fit zu werden. „Ich bin jeden Tag im Trainingszentrum, habe dort Reha. Seit Freitag bin ich wieder auf dem Eis, aber nicht mit der Mannschaft. Prognosen sind schwierig, aber es sollte an und für sich nicht allzu lange dauern“, erzählte Raffl. „Die Hälfte der 40 Saisonspiele musste ich mit Schmerzmitteln bewältigen, weil ich gehofft hatte, dass wir trotzdem irgendwie die Wende schaffen. Aber jetzt will ich gesund werden und dann freue ich mich richtig, mit Washington zu gewinnen“, sagte Österreichs Spieler des Jahres 2020.

Chance auf „komischen Pokal“

Mit Washington will er deren zweiten Stanley-Cup nach 2018 holen. Die Mannschaft von Trainer Peter Laviolette rund um Superstar Alexander Owetschkin führt aktuell die East Division an und gilt als heißer Kandidat auf den ganz großen Triumph. „Du kommst in die NHL und willst dich in der besten Eishockeyliga der Welt halten. Doch irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen, da willst du halt gerne was gewinnen. Jetzt habe ich mit Washington wirklich die Chance, diesen komischen Pokal zu gewinnen“, ist Raffl überzeugt.

Zdeno Chara von den Washington Capitals
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Verteidiger-Hüne Zdeno Chara ist einer der Stars, mit denen Raffl künftig die Kabine teilt

Spieler, die ihm und Philadelphia bisher das Leben auf dem Eis schwergemacht haben, sind nun sehr zu seiner Freude seine Teamkollegen. „Bei einigen Spielern bin ich wirklich froh, dass ich mit ihnen jetzt zusammenspiele. In Unterzahl wünscht man sich nicht, dass man sich in Ovis Schuss hineinknien muss. Oder etwa Tom Wilson, der dir den Kopf runterreißt, wenn man in der Ecke nicht auf der Hut ist. Ich freue mich auf Zdeno Chara, der Typ ist eine absolute Legende“, sagte Raffl.

Ähnliche Rolle bei Capitals

Der Kärntner, der nicht wie bei den Flyers die Rückennummer zwölf, sondern künftig die 17 auf dem Trikot trägt, wird auf dem Eis ähnliche Aufgaben wie bisher erhalten. Trainer Laviolette habe ihm erklärt, „warum sie mich geholt hatten, was sie von mir erwarten“. Auch wenn es ihm nicht bewusst war, wurde der Kärntner genau beobachtet. „Offenbar hat man mich detailliert gescoutet. Ich werde eine ähnliche Rolle erhalten wie in Philly“, erzählte Raffl. Dort war er vielseitig einsetzbar, defensiv verlässlich und kam viel in Unterzahl zum Einsatz.

So hat sich Raffl einen guten Namen in Philadelphia und inklusive Play-off 532 Spiele für die Flyers gemacht. Darauf blickt er zu Recht stolz zurück. „In Philadelphia waren die Erwartungen hoch, aber es ist halt wieder nicht so gelaufen, wie man sich es vorgestellt hatte. Mir haben viele Menschen gratuliert, und mein Agent meinte, dass es nicht viele NHL-Spieler gegeben hätte, die in dieser Rolle 500 Partien für einen Club absolvieren. Bei Philly habe ich vier Verträge unterschrieben, war immer in der gleichen Stadt, immer mit der gleichen Mannschaft“, sagte Raffl. Wie es im Sommer weitergeht, ist offen. Raffls Vertrag läuft aus, er ist dann Free Agent und kann sich den nächsten Verein selbst wählen.